Hallo Freunde des gepflegten Kugelkopfes
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seit ein paar Tagen habe ich also nun den Benro KV-1 und wie versprochen, versuche ich einige fundierte Eindrücke abzuliefern. Die große Praxiserfahrung habe ich allerdings damit noch nicht.
Der Kopf wirkt sehr sauber verarbeitet, es gibt wirklich keine schlampigen, scharfen Ecken und Kanten oder billig-fernosttypische Verarbeitungsgrate (die hasse ich!). Das Material ist sehr sauber eloxiert. Der erste Eindruck ist wirklich 1A. Bitte immer bedenken, ich kenne Arca oder Novoflex nicht aus eigener Erfahrung, kann also nicht vergleichen. Das ist aber vielleicht gar nicht so schlecht, dadurch bin ich sicher objektiver

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Die Schnellwechselmimik ist ja fest vorinstalliert und funktioniert erwartungsgemäß. Ich persönlich empfinde dieses 'pure Arca-System' (seitlich reinschieben, ohne Zusatzkomfort ala Novoflex) als ziemlich fummelig. Wer wie ich, das Manfrotto RC2 System gewöhnt ist, weiß wie gut so ein Schnellverschluss funktionieren kann. Klick-und-fest und sicher! Nun ja, die Arca-Schieberei ist halt ein Standard.
Die Klemmvorrichtung für die Wechselplatte ist leichtgängig und arbeitet gut, die Feststellschraube an der Wechselbasis ist ziemlich groß und lang. Mit anderen Worten, ein 'guter Dreh' genügt und die Wechselplatte hält wie geschweißt. Die Durchrutschsicherung rastet weich ein, funktioniert auch gut und sicher. Keine Beschwerden an der Stelle.
Die Befestigung der Platte an der Kamera selbst, wäre allerdings mein persönlich nächster Kritikpunkt. Die einfache 6-kant Mutter mit mitgeliefertem Schlüssel finde ich ziemlich umständlich (der Schlüssel ist sicher dann weg, wenn man ihn am nötigsten braucht, Gruß Murphy). Außerdem dreht sich beim Aufschrauben die Schraube ganz leicht mit aus der Platte. Sie ist also nicht wie üblich, mit Sprengring o.ä. gesichert. Hat man die Platte allerdings mal an der Kamera dran, wirkt sie dort auch wie rangeschweißt. Dank zweier fester Gummistreifen verdreht sich da auch nichts (Gruß an Riesbeck

). Wieder muss ich feststellen, die Manfrottoplatte mit ihrer 'Ösenschraube' ist da um ein Vielfaches einfacher zu handhaben. Jetzt versteh' ich auch, warum es Leute gibt, die teure Spezialplatten zum 'Immerdranlassen' kaufen. Ich persönlich möchte allerdings nichts Zusätzliches dauerhaft an der Kamera, das empfinde ich als störend. Deshalb möchte ich lieber schnell hin- und wegmontieren können.
Die Panoramafunktion ist schnell abgehakt: die Drehung fühlt sich butterweiche an und ist schön gedämpft. Dass man die Gradzahl nur in einem kleinen Ausschnitt sehen kann, ist unverständlich umständlich. Eine rundum sichtbare Skala erscheint praktischer, ist aber nicht kriegsentscheidend. Der kleine runde Feststellknopf für die Panoramadrehung funktioniert gut und fühlt sich fett-gedämpft an.
Die Feststellung der Kugel erfolgt mittels des asymmetrischen Hebels, die Friktionseinstellung mit dem umlaufenden, leicht gummierten Ring (für ganz Ahnungslose, gibts bei
Benro ein Bild). Offenbar sind Friktion und Feststellung auch bei diesem System nicht voneinander entkoppelt. Wenn der Hebel ganz 'auf' ist (Kopf total locker), lässt sich der Ring um knappe 180 Grad drehen. Damit erreicht man dann 0 bis maximale Friktion. ABER, maximale Friktion reicht z.B. nicht, um meine Kombi 5D & 24-105 über den gesamten vertikalen Schwenkbereich festzuhalten. Mit anderen Worten, wenn die Kamera aus der Senkrechten leicht nach vorne gekippt wird, funktioniert das Ganze noch. Ab ca. 30 Grad kippt die Kamera dann selbsttätig ab, 45 Grad ist die Maximalneigung. Das Ganze gilt für einen komplett offenen Feststellhebel. Mit dem muss man nun die Friktion relativ feinfühlig weiter erhöhen. Wenn man das allerdings so macht, kann man den Friktionsring gleich z.B. auf die Mitte drehen und den Feststellhebel dafür ein Stück weiter zu machen. Friktion und Feststellung interagieren also doch deutlich, ich persönlich frage mich dann natürlich, wozu überhaupt eine Friktionseinstellung? Nun, wenn man den Friktionsring ziemlich zudreht, kippt die Kamera zumindest nicht total ungedämpft ab, falls man sich mit dem Feststellhebel vertut (ist mir am Manfrotto schon passiert, kann böse enden!). Zum feinfühligen Positionieren der Kamera muss man aber wirklich beides vorher einstellen, Friktion und Feststellung - das ist suboptimal. Die gute Nachricht ist, dass der asymetrische Hebel dabei ganz gut hilft. Man kann sich ziemlich schnell an zwei Hebelstellungen für die momentane Last gewöhnen, eine fürs Positionieren mit passender Friktion und eine für ganz fest.
Nochmal anders: Man kann sich eine schöne Position des Feststellhebels aussuchen die Nahe der gewünschten Friktion liegt und dann mit dem Ring feintunen. Der Ring rastet tatsächlich in 12 Positionen ein, arbeitet aber trotzdem stufenlos, wenn man ihn einfach zwischen zwei Rasten stehen lässt. Ist der Feststellhebel aber schon zu weit zu, lässt sich der Friktionsring nur noch mit viel Kraft verdrehen. Fazit: Es geht, ist aber etwas 'tricky'.
Die elliptische Natur der Kugel konnte ich übrigens auch nicht nachvollziehen. Man sieht es nicht und spüren konnte ich es auch nicht. Aber ich weiß auch nicht, wie es sich anfühlen würde, wäre die Kugel rund. Ein Verziehen der Position beim Festziehen konnte ich erfreulicherweise nicht feststellen.
Besser kann ich das alles nicht beschreiben, ich weiß auch nicht, wie das beim Orginal Novoflex funktioniert. Nachdem aber alle Einstellungen auf ein und dieselbe Kugel wirken, wird sich eine gewisse Interaktion nie vermeiden lassen, oder? Novoflex Besitzer mögen mich aufklären

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Die Kugel gleitet durchaus gut in einem weißen Kunststoffbett, allerdings würde ich das Gleiten nicht als butterweich bezeichnen. Arca Besitzer tendieren ja dahingehend zur hemmungslosen Schwärmerei, ich würde das Benro-feeling als 'gut', aber wie zu erwarten leicht 'reibend' bezeichnen. Vielleicht schleift es sich ja auch noch etwas ein

. Vor heftigem Schmutz würde ich den Kopf eher schützen, ich will nicht wissen was passiert, wenn heftiger Staub oder Sand zwischen Kugel und Gleitschicht gerät. Dazu liegt dem Kopf übrigens ein kleiner Kunstlederbeutel bei, den man auch bei installiertem Kopf drüberziehen und zuschnüren kann.
Die Kugel ist hohl, bei Maximalneigung ergibt sich am Vertikalausschnitt ein kleiner Spalt, sozusagen ist sie unten gekappt. Dasselbe gilt für den Feststellhebel, der ist auch hohl, aber stabil. Ich persönlich finde das alles nicht schlecht, weil dadurch der Kopf nur 'schlanke' 450 Gramm wiegt, ein für mich wichtiges Argument. Bei mir kommt er auf ein Sherpa 640, das hätte ich mir sparen können, wenn ich irgendeinen 1kg Prügel draufschraub. So wiegt die Kombination Staiv+Kopf komplett nur 2100 Gramm und ist genau 57cm lang - das freut die alten Knochen, sowie das Fluggepäck. Übrigens habe ich auch nicht das Gefühl, die 50 kg Tragkraft eines orginal Arcas zu benötigen. Der Benro wirkt locker solide und fest genug für meine maximalen 4 oder 5 kg

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Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass eine Bedienungsanleitung ausschließlich in chinesisch(?) beiliegt, eventuelle Bedienungshinweise bezüglich einer cleveren Verwendung des Friktionsrings bleiben mir zumindest verschlossen. Dafür liegt eine mustergültige Garantiekarte im Kreditkarten-Look aus Plastik bei, richtig niedlich. Ich konnte mir nicht verkneifen einen Scan anzuhängen. Allerdings frage ich mich, was der Eifelturm auf dem Kärtchen zu suchen hat und warum mein Kopf die Nummer 62020329 eingestanzt hat ... :wall:
Wenn ich etwas Wichtiges vergessen haben sollte, einfach hier fragen und falls jemand andere/zusätzliche Erfahrungen gemacht hat, immer her damit.
Übrigens ist das Thema Kugelkopf für mich mitnichten abgehakt ... seit einigen Tagen frage ich mich, wie ich den Manfrotto 468MGRC2 übersehen konnte

. Preislich noch deutlich unter Arca & Co. (etwa die Hälfte) klingt das Teil für mich (schon wegen des Schnellwechselsystems) höchst interessant. Sollte sich der Benro auf Dauer also doch als Gurke entpuppen, gibts noch Alternativen ...
