Ich habe das Thema Fotografie sehr intensiv in den 1980er und 1990er Jahren begleitet, war Redakteur bei verschiedenen Fotozeitschriften und bekam so ein paar Jahre lang immer das Tollste und Neueste in die Hand. Diese Epoche war geprägt von einem wahnsinnigen Tend zur Automatisierung. War Anfang der 80er eine SLR mit einem vollmechanischen Verschluss, Handaufzug und Nachführmessung noch eine ganz normale Sache, hatten die meisten SLRs Mitte der 90er Jahre Automatiken für alles: Programmautomatik, Autofokus, Matrix-Messung, automatischer Filmtransport... die Dinger haben sogar die Empfindlichkeit von der Filmpatrone gelesen.
All diese Innovationen waren stets begleitet von wüsten Protesten von selbsternannten "ernsthaften" Fotoamateuren. Ich hatte damals oft den Eindruck, dass viele Fotoamateure das kreative Fotografieren mit der handwerklichen Kunstfertigkeit verwechseln, die es braucht, um die Kamera zum richtigen Zeitpunkt richtig einzustellen. Und ich hatte den Eindruck, dass sich viele Amateurfotografen im die Mühe ihres Trainings betrogen sahen. Wer bewundert noch einen Tierfotografen, der einen Vogel im Flug scharfgestellt bekommt, wenn das mit der neuesten AF-Kamera jeder Trottel hinkriegt?
Ähnliche Gedanken beschleichen mich heute noch, wenn ich lese, dass DSLMs automatisch erkennen, wenn das Motiv Augen hat - und darauf scharfstellen. Doch das ist ja noch nicht das Ende der Fahnenstange. Inzwischen gibt es Smartphones, die automatisch erkennen, ob ein Model lächelt - und dann selbsttätig auslösen. Ich sehe da eine zunehmende Diskrepanz zwischen der Fotografie als Beschäftigung und dem Wunsch, möglichst einfach möglichst schöne Bilder zu bekommen. Für mich ist das Anlass genug, beim Werkzeug irgendwann mal Stopp zu sagen. Mein Vater hat auf einer Drechselbank Holzschalen gedrechselt. Er hat manchmal betrauert, dass gedrechselte Holzschalen aus der dritten Welt im Laden weniger gekostet haben als das, was er für einen entsprechenden Holzklotz bezahlen musste. Man stelle sich vor, man gibt einem begeisterten Holzdrechsler eine vollautomatische CNC-gesteuerte Drechselbank in die Hand: Nur noch Werkstück einspannen, Schalenprogramm auswählen, nach einer Viertelstunde ist die Schale fertig. Für Leute, die Holzschalen brauchen, ist das toll, für Leute, die gern drechseln, eher weniger.
Dazu kommt, dass ich in den vielen Jahren viele Innovationen gesehen habe, die ich technisch zwar brilliant fand, die mir im Alltag dann aber doch nicht so viel gebracht haben. Ich erinnere mch an die Neun-Punkt-Spotmessung, die aus bis zu neun Einzelmessungen einen Durchschnitt errechnete. In der Praxis bin ich besser damit klar gekommen, mir einen Punkt auszusuchen und darauf zu messen - oder wenn gar nichts ging, eben eine Belichtungsreihe zu machen. Da gibt es viele Sachen, die mit großem Aplomb angekündigt wurden und letztlich wenig gebracht haben, von der HSS-Blitzsteuerung bis zur Fuzzy-Logic-Belichtungsregelung.
Für mich war das der Grund, an irgendeinem Punkt den Anschluss an den technischen Fortschritt aufzugeben und bei der DSLR zu bleiben.