AW: XF1 vs. RX100
Hallo,
ich stehe auch vor dem Kauf einer Prämium-Kamera der "Hosentaschen"-Klasse, a'la Sony RX100, Nikon S110, oder eben Fuji XF1. Bin auf RAW-Workflow statt auf JPEG.
Größere, wie die Olympus XZ-2, fallen aus dieser Klasse für mich bereits heraus. Neben einem kleinen Gehäusevolumen ist auch praxisrelevant, dass das Design möglichst keine Vorsprünge, "Wülste", Widerhaken etc. besitzt (z.B. ungenügend versenkte Objektive, Sucher, Einstellräder, ein Blitzschuh, o.ä.). Die RX100 und die XF1 nehmen auf diese Anforderung ausdrücklich Rücksicht, viele andere, ggf. nur leicht größere, dagegen schon nicht mehr.
(Formfaktor)
XF1 gefällt mir nur leicht besser, trotz nominell ähnlichem Gehäusevolumens. Grund: das Objektiv hat einen geringeren Durchmesser und versenkt sich tiefer; dadurch weniger "Anker"-Effekt in der Hosentasche. Flachheit ist in dieser Klasse immer vorteilhaft, und wichtiger als Höhe oder Breite.
(Look)
Beide find ich gut, auf ihre Weise. Sony sehr funktionell, Fuji zwar auch, aber durch Alu/Leder eher in Richtung Designer-Schönling. Bemerkenswert für Fuji, wenn man bedenkt, dass Fuji sonst ja kein Problem mit sehr hässlichen Vulgärdesign-Kameras zu haben scheint, wie der F770. Die XF1 dagegen ist recht schnell in den Olymp des IF (IndustrieForm)-Design-Awards erhoben worden. Könnte mal ein Design-Klassiker werden. Das ist zwar schön, hat für mich aber eher geringere Prio (Hauptsache, eine Kamera ist nicht "grottenhässlich").
(Objektiv)
Heikles Thema. Man muss sich entscheiden, ob man ein Objektiv aus Pixelpeeper-Perspektive beurteilen will (Test-Targets, wie die DPReview-Studio-Scene), oder eher aus Fotografen-Perspektive (Beurteilung "echter" Bilder nach Mikrokontrasten / Farbkontrasten). Ich will natürlich, dass eine Linse aus beiden Perspektiven gut ist (auch in mir steckt manchmal ein kleiner Pixelpeeper).
(Auflösung)
Für die native Objektiv-Auflösung lässt sich leider keine gescheite Aussage treffen, da Fuji in der XF1 seinen Sensor mit dem exotischen diagonal ausgerichteten EXR-Farbfilter-Layout (statt dem traditionellen Bayer-Layout) verbaut hat, für den es offenbar sehr schwierig ist, das Vollfarbbild zusammenzuinterpolieren, ohne dabei die halbe Auflösung aufzufressen. Genau das macht leider Adobes ACR-Modul. Fujis JPEG-Engine ist da schon besser, aber ich hab immer das Gefühl, dass noch mehr gehen könnte. Das Problem mit Adobe&Co ist wohl, dass die das EXR-Layout kommerziell nicht ernst nehmen, da die wohl davon ausgehen, dass ein typischer EXR-Kamera-Käufer nicht auch ein typsicher Lightroom-Käufer oder RAW-Workflower ist? Also wird nichts in schlaue, moderne non-Bayer-Algorithmen investiert? Schade.
(Fotografische Qualität)
Kompetent wirkende, fotografisch agierende Tester, die sowohl die XF1 als auch die RX100 kennen, sind sehr selten, gefunden hab ich dafür eigentlich nur das Review blog.mingthein.com/2012/11/13/fuji-finepix-xf1.
Demnach hat die XF1 offenbar das fotografisch bessere Objektiv: "the lens quality is very impressive – better than the Zeiss-branded lens on the Sony RX100. It doesn’t suffer from the same flare or low contrast at wide angle and f1.8; the corners are also much sharper. More impressively, this level of optical quality is maintained through the telephoto end of the range, too."
Meine Annahme: Dass bei der RX100 eine größere Fläche bedient werden muss, ist natürlich eine Last für das Objektivdesign, für dessen Erfüllung dann anderweitig qualitative Kompromisse geschlossen werden müssen. Zudem treibt Fuji vermutlich höheren Aufwand bei der Linsenvergütung (erklärt bessere Mikrokontraste), und wohl auch bei herstellungsmäßig "schwierigen" Linsenformen (4 ashpärische Elemente, zumindest eines davon, nämlich die Front der Frontlinse, soll sogar leicht wellenförmig sein) (erklärt besseres Randverhalten?)
(Sensor-Rauschen/-Dynamik)
Schwierig, teilweise widersprüchliche Tests.
lt. Diagramm auf dem techradar.com-Review wäre die X-F1 den zuvor getesteten Konkurrenten bis einschl. ISO 400 (=im für mich praxisrelevanten 99%-Einsatzbereich) überlegen, also folgenden:
- Canon S100 (am wenigsten schlechter als XF1)
- Sony RX100
- Panasonic LX-7
- Olympus XZ-2 (am meisten schlechter als die XF1)
Auch in der Disziplin "Raw dynamic range" würde die X-F1 anführen, insbes. wiederholt besser als die Sony RX100 trotz der Sensorgröße, während Kameras kleinerem Sensor, wie die Canon S100, abfallen.
Dass die Sony aufgrund der Sensorfläche nicht besser dasteht, verwundert mich ehrlichgesagt etwas. Vermutlich deshalb, weil aufgrund des 20-"Megapixel-Wahnsinns" die Einzelpixel kaum größer sind, als die der XF1 (mit ihren 12 MP). Zumindest größenmäßig so ähnlich, dass möglicherweise bessere Sensor-Features einer XF1 (Verstärker, Mikrolinsen samt Vergütungen, ...?) den kleinen noch verbliebenen Größen-Nachteil übersteuern können?
Ich habe aber auch erfahren (dpreview-Forum, es ging um den DxO-Test), dass die RX100 bei den ISO "schummelt", statt ISO 800 also mit ISO 5xx belichtet, um sich dadurch einen größeren RAW-Dynamikbereich zu "erschleichen", während die XF1 ehrlich mit ISO 800 belichtet. Es ist denkbar dass die Testverfahren einiger Labs (wie techradar.com) so designt sind, dass sie nicht darauf reinfallen, und deshalb die Kameras anders einstufen als andere?
(Elektronik)
Hier wird die XF1 eigentlich überall unison gepriesen, was ihre Zoomgeschwindigkeit und -Präzision, Belichtungs- und Weißabgleichentscheidungen betrifft. Vor allem das letztere wäre eine enorme Erleichterung, da immer zeitaufwendig, wenn man's manuell machen müsste. Die ersten beiden Punkte machen die XF1 offenbar sehr "responsive", was sie vielleicht zu einem Street-Photography-Klassiker machen könnte?
Ich wüsste das zu schätzen, denn meine aktuelle DSLR (Pentax K20D) ist in og. Punkten (vor allem Belichtungsentscheidungen) eher nur Mittelfeld.
(Fazit)
Ich vermute, dass die XF1 ggü der RX100 das bessere Objektiv hat (was zwar Mikrokontrast-mäßig zur Geltung kommt, aber nicht auflösungsmäßig, wegen des absonderlichen Sensor-Farblayouts mit schlechter Unterstützung durch Adobe & Co, was die halbe Auflösung wieder zusammenschmiert). Ich vermute, Adobe & Co ignorieren jedes zweite Pixel des (diagonalen) Sensor-Layouts, damit es wieder rechteckig erscheint und den Bayer-Algorithmen zugänglich wird. Die fehlenden 50% Pixel werden dann einfach per Interpolation "zusammengeschmiert". Jungs, geht das nicht besser?
Bei der Sensor-Dynamik trau ich mich garnicht erst zu einem Urteil, und werd ihn wohl deslhalb als Kriterum herausnehmen. Sehr schwierig, auf klare Aussagen zu kommen, da wohl zu abhängig vom Workflow des Testers. Lt. techradar.com ist der XF1-Sensor jedenfalls nicht schlecht.
Die XF1 hätte vielleicht eine "Überkamera" (für meine Zielgruppe) werden können, wenn sie
- entweder einen klassischen Bayer-Farbfilter-Sensor gehabt hätte
- oder wenn es alternative high-end RAW-Converter gäbe, die nicht nur auf Bayer-Layouts optimiert/getrimmt sind.
Stattdessen hat's die XF1 wahrscheinlich schwer, denn viele gehen einfach auf Sites wie DPReview, schalten dort das "Studio Scene Comparison Tool" ein, und sehen, wie die XF1 (RAW) auflösungsmäßig ggü RX100 & Co abschmiert. Und machen sich dann keine Mühe mehr, mehr zu recherchieren (z.B. dass es Adobes ACR in seiner aktuellen Version 7.1 ist, das diese Schmiere hinterlässt).
Mittlerweile tendiert meine Kaufabsicht (trotz RAW-Workflow) zur XF1, hauptsächlich wegen des offenbar besseren Objektivs (bei "fotografischer" Beurteilung), und angeblich soll Adobe die Fuji-Sensoren (bzw. deren Farblayout-Zoo) von Release zu Release ernster nehmen, so dass später auch mal Pixel-Peeper (so wie ich

)besser auf ihre Kosten kommen...
Grüße,
Fra