Nehmen wir jetzt das Foto von dem Jungen mit den beiden Weinflaschen: das tut mir echt in den Augen weh! Von oben herab fotografiert, unten die Füße abgeschnitten, ebenfalls diffuse Bildkomposition, die Perspektive ist einfach eine Katastrophe – wäre es denn so schwer gewesen, den Jungen von vorne auf Augenhöhe zu fotografieren, eventuell ab den Händen aufwärts, den Hintergrund in leichter Unschärfe, aber das Motiv erkennbar dominant im Vordergrund?
Der Hintergrund IST unscharf, das Gesicht IST dominant im Vordergrund ... unbeleckt in visuellen Dingen erkennst Du weder die Linien, nicht die focal points, keine areas of greatest contrast ... Füsse mit drauf hätte die Bildaussage jetzt Deiner Meinung zufolge WIE nach vorne gebracht ? Statt dessen die Augenhöhe, Blende aufgerissen und gut, nicht wahr ? Als 'Kompositionselement', welches allzuhäufig als Einziges bekannt ist. (Drittel, vielleicht noch. Dass da Balance mit einem Male an Bedeutung gewinnt, damit es 'wirkt' schon ganz ganz selten noch ...)
Unschärfegepatsche kann man kaufen, nichts los, gebe Deine kEuronen, nimm hin, diese Crèmebokehmaschine. Blende aufreissen, Rest macht Kameraelektronik mit Augenerkennung und rasant schnellem Autofokus. Zeit wird eventuell bisserle lang ? Egal, IBIS und OIS und und und leisten Schwerstarbeit, das auszubügeln. Braucht man gar nichts für wissen oder können, reinhalten, Starknipser. Ergebnis sind dann die visuellen Unfälle und Rohrkrepierer, wie sie hier im Forum nur allzu gerne gezeigt werden.
Passt wie Faust auf Auge, was der Herr NORIAKI von Panasonic im Mai gesagt hat, Kleinbildformat sei für Anfänger, um sich von den 'Smartphoneknipsern' zu unterscheiden. Ist so. Unschärfe kann man sich kaufen, das braucht keine Übung, sofortiger 'Erfolg' sichtbar garantiert. Ganz einfach. Der ganze Rest bleibt beim gerne herablassend belächelten point-and-shoot. Bis auf 'Hintergrund leichter zu verschmieren' gibt es keinen Unterschied.
Wird umgehendst unterstrichen mit dem Gemecker der 'Könner', wie gleichzeitig ein Objektiv auf den Markt gebracht werden kann mit 27mm fixer Brennweite und Fixblende 8 ... Bildermachmaschine, mit der heutigen Technik. Sucher vors Auge, Komposition, timing, Bäm ! Point-and-shoot. Verdammt, mit einem Male wäre es tatsächlich brauchbar zu wissen, was da mit den ganzen Elementen im Sucher zu tun ist, damit es sich von den Machwerken der Belanglostelefonknipser abhebt. Panik, verdreht in Aufregung und Niedermachen, absehbares, erwartetes Vorgehen. Nur niemanden anmerken lassen, dass es auch bereits am Grundwissen fehlt. Groteskerweise wird das riesengross blinkend und rasselnd klingelnd vor sich hergetragen.
schlicht und einfach zuviel Zeit, um permanent fotografische Missetaten zu begehen
Genau. Im Gegensatz zu so vielen Schaukelstuhlexperten in diesen Internet'communities' wurden Fertigkeiten geübt, bis sie in Fleisch und Blut übergehen. Tatsächlich machen. Angucken, auseinanderklamüsern, Fehler feststellen, nochmal. Wenn es 'gut' war, ebenfalls wiederholen, machen begucken. Komplett irre. Nur damit bekommt der Bildermacher aber irgendwann 'unterbewusst' den Aufbau mit und setzt ihn 'einfach so' ein. Dann das nächste Stückchen visueller Grammatik.
Stundenlang werbedurchseuchte Filmchen über technischen Schnickschnack begucken bringt da ... dämmert was ? Stundenlang Theorie der visuellen Grammatik ? Ach kukk. Solltest Dir den Luxus von zuviel Zeit für fotografische Fingerübungen 'mal
gönnen'. Ist grandios. Versprochen.
Bilder gleich welcher Art ist visuelle Kommunikation und - kolossal toll - international verständlich bis auf ein paar Kleinigkeiten. Gestalttheorie ist da ein Einfallstor. Kommt aus der Wahrnehmungspsychologie und hat Eingang in das Bildliche gefunden. Framing, subframing als Aufteilungen, Ebenen als Mittel der Tiefenstaffelung, Linien, weiterführende Linien, arabesques, Harmonie und Balance, Dreier- oder Fünfergrüppchen, im tollen Feld des figure-to-ground positive und negative space, focal points, Gewicht. Die wundervolle Welt von Farben, deren Wirkungen und Bedeutungen, deren Harmonien und Disharmonien. Kontraste in allen Facetten. Licht und seinen vielfältigen Wirkungen und Möglichkeiten, Chiaroscuro ist kein Bahnhof. Die ganze feine Welt der 'gefälligen' geometrischen Anordnung - mit ihrem Gipfel im
moment décisif des von Dir mit schon angeekelter Abfälligkeit bedachtem HCB.
Einen Schritt weiter die Dinge, wie die menschliche Psychologie damit umgeht, wie das eingesetzt werden kann (und wird - nennt sich Werbung und im Nachgang dann die Marketingspezialisten, die dir selbstverständlich Honig um den Mund schmieren, um die Umsatzzahlen nach oben zu schieben. Sinn oder Unsinn der Aussagen gleichgültig, wird hübsch verpackt und klingt erst einmal ordentlich, aber die Überrumpelung darf und soll erzielt werden. Ist auf visuellem Wege prompt und zudem nachhaltig wirkend. Sitzt im Menschen deutlich zu tief in uralten Hirnarealen verankert und wird auch so bleiben, das ändert sich in den Grundlagen erst einmal eher nicht.
Und Du so ? Du kennst Offenblende. Ist 'aktuell', entspricht der Aufmerksamkeits'ökonomie'. Vorschlaghammer - Auge. Da! Sollst! Du! Gefälligst! Hingucken! Atemlos durch die timelines. Ansonsten wird die Zeit mit Petitessen in 'der post', huuuuuh ... verplempert. Aalglett. Dynamik range rupf rupf. Technik bietet das kann das ich mach das. Babylonisches Gewirr als Ergebnis.
Für historische Hintergründe, sofern das Interesse überhaupt so weit reichen sollte
Michel FRIZOT "Neue Geschichte der Fotografie". Vier Kilo Wissen in Grundzügen.