Geh mal in ein gut sortiertes Museum und schau Dir spannende Bilder an. 3:2 ist da weit weniger verbreitet als in der Fotografie. Warum nur?
Ich war auch schon mal Museumspotograph und bin in der Kunstgeschichte sehr gut zu Hause. Früher waren die Formate oft extremer, als Du glaubst: Altarbilder, Fresken, Kirchenfenster zum Beispiel.
Schau Dir evtl. auch mal an in welchen Formaten man vor Herrn Barnacks Kleinbildidee fotografiert hat. Sind die Bilder seitdem wirklich gestalterisch besser geworden?
Sie sind sicherlich moderner geworden, subjektiver, individueller, aussagekräftiger. Die moderne Reportagephotographie hat nicht nur durch die revolutionäre Technik der Leicas einen kräftigen Impuls bekommen, sondern auch durch das neue Format.
Ein Format mit großen Differenzen zwischen den Seiten a und b zwingt zu durchdachteren, oft mehrpoligen Bildkompositionen, zu mehr Gespür für Raumaufteilung, zu mehr Gestaltungskraft. Es ist einfach entschiedener, pointierter.
Quadratische Formate hingegen sind für sich genommen statischer, harmoniebetonter, unbewegter. Das Quadrat zwingt geradezu zu drastischen Massnahmen, um diese potentielle Langeweile zu vermeiden, die Harmonie zu brechen, ein "semi-quadratisches" Format wie 4:3 hingegen macht selbst das schwieriger, weil es nicht Fisch oder Fleisch ist: weder so statisch wie das Quadrat noch so dynamisch wie ein sogenanntes "Extremformat" hängt es schnell kraftlos zwischen allen Stühlen.
Selbstverständlich kann ein Quadrat dynamisch und ein Extremformat langweilig sein, wenn man sie richtig bzw falsch nutzt.
Ich glaube aber, dass ein extremeres Basisformat als Sucherrahmen eine größere Hilfe bei der Gestaltung ist als ein verwaschenes 4:3-Rähmchen.
Ich photographiere schon lange in allen erdenklichen Fomaten zwischen APS-C und Großformat, aber es ist mir trotzdem nicht ganz egal, welches Fenster zur Welt mir meine Kamera anbietet.