Wenn das optimale Ausleseprinzip einer Sony A7s erst bei ISO-3200 greift, dann stelle diesen ISO halt fest ein und vergiss´ ihn fortan. Damit bist Du in Deiner Arbeit ISO-los.
Im Prinzip kann man so arbeiten. Man könnte bei meinen isolosen Fujis auch einfach immer mit Basis-ISO 200 fotografieren und anschließend bei Bedarf im RAW-Konverter adaptiv pushen. Praktisch ist das aber suboptimal, weil man dann im Sucher irgendwann nichts mehr sieht, da Live View und Live Histogramm mit WYSIWYG-Darstellung operieren, was an sich eine tolle Sache ist und ein großer Vorteil gegenüber dem DSLR-Konzept. Man möchte schon gerne sehen, was man fotografiert, worauf man fokussiert und wie belichtet wird.
Für meine aktuellen Bücher habe ich Qualitätsvergleiche zwischen der Verstärkung um 2 EV vor dem Schreiben der RAW-Datei und dem Push nach Schreiben der RAW-Datei gemacht, ich zeige diese Aufnahmen auch immer bei den Workshops in 100% oder größer auf einem großen Cinemascope-Bildschirm, und so wie ich vermag bislang keiner der Teilnehmer einen relevanten (oder überhaupt einen) Unterschied zu sehen, und wenn, dann weiß man nicht, welche Version die bessere ist, weil ich nicht dazusage, welche Version was zeigt. Dabei ist der untere ISO-Bereich (Basis bis + 2 EV) gerade der, wo der hybriden Analog-Digital-Verstärkung ein Vorteil gegenüber der rein digitalen Verstärkung der fertigen RAW-Datei nachgesagt wird. Einen solchen Vorteil mag es geben, aber solange er nicht praktisch sichtbar ist, kann man ihn wohl vernachlässigen. Wobei man natürlich vorsichtig sein muss, da es sicherlich auch immer aufs Motiv und seine Helligkeitsverteilung (oder hier besser Dunkelheitsverteilung) ankommt.
Es ist klar, dass Technologien zur Dynamikerweiterung sehr stark für Smartphones und deren Sensoren vorangetrieben werden, denn dort hat man großen Bedarf für mehr Dynamik, und dort hat man ein geschlossenes Paket aus Hardware/Software für die Aufzeichnung und Verarbeitung der Aufnahmen. Spannend wird es, wenn Smartphones in einigen (wenigen) Jahren "schönere" Fotos machen als aktuelle Canon Rebels, wie sie derzeit noch von den Heerscharen amerikanischer Soccer-Moms gekauft werden. Der klassische Kameramarkt wird in den kommenden Jahren extrem konsolidieren und in eine (oder mehrere) Nischen wandern, ähnlich wie Spielzeugeisenbahnen, die einst in fast jedem Kinderzimmer standen und heute fast nur noch von erwachsenen Sammlern gekauft werden.
Sind Canon und Nikon auf diese Paradigmenwechsel vorbereitet? Das sind Fragen, mit denen ich mich ernsthaft befasse, und das sind auch die Fragen, denen sich die Entscheider bei den Kameraherstellern stellen müssen. Wie wird die Markenlandschaft in 3 oder 5 Jahren aussehen? Wie viele Hersteller von Kameras wird es dann noch geben, was werden sie produzieren und zu welchem Preis und in welchen Stückzahlen für welche Zielgruppen? Es kommen spannende Zeiten auf uns zu, es ist ein bisschen wie beim Schach: mehrere Züge im voraus denken. Und der eine oder andere Hersteller ist vermutlich heute bereits "schachmatt in 5 Zügen".
Isolose Sensortechnolgie ist hier ein Baustein (sozusagen eine der wichtigeren Spielfiguren), und ich bin durchaus perplex, dass Canon sie bislang verschlafen hat. Es geht hier in diesem erfreulichen Thread auch hoffentlich nicht um Marken-Bashing oder Markenverteidigung ("meiner ist größer") oder gar um "Canon vs. Nikon". Das wäre schade. Es geht wohl vielmehr um die Zukunft der digitalen Fotografie wie wir sie kennen – falls diese überhaupt eine Zukunft hat, die wir "alte Hasen" noch wiedererkennen werden. Denn wir wissen doch alle, wohin die aktuellen R&D-Gelder zum größten Teil fließen.