Ich habe heute wieder einen Workshop gegeben, der sich – wie so oft – über mehrere Stunden zu einem Workshop über isoloses Fotografieren mit isolosen Sensoren entwickelte. Die Leute finden das sehr interessant, es gibt ihnen eine neue Sichtweise mit neuen Perspektiven fürs Fotografieren. Entdecke die Möglichkeiten. Sony, Nikon, Leica, Pentax, Fuji usw. haben solche Sensoren ja standardmäßig, Canon verweilt weiterhin im Mittelalter – mal sehen, wie letzere sich aus dieser Situation befreien. Entweder (wie die meisten anderen Hersteller) Sensoren bei Sony einkaufen oder die eigenen Fabriken umrüsten? We'll see. Irgendwas müssen sie machen, oder untergehen.
Schade, dass viele moderne Kameras zwar isolose Sensoren haben, aber (noch) keinen isolosen Modus, der im nur den Live View verstärkt, aber nicht das RAW. Sony kann es nicht, Nikon kann es auch nicht wirklich, Leica ist sowieso ein Witz, bei Fuji kann man immerhin tricksen, indem man DR400% einstellt und damit 2 EV im RAW gewinnt, die man dann stattdessen adaptiv im RAW-Konverter verstärken kann. Fuji hat das nicht absichtlich aus "isolosen" Gründen gemacht, sondern eher aus Versehen, ein Nebeneffekt, weil die eigene DR-Funktion nicht anders umsetzbar ist. Das Motto von Kameraherstellern ist nicht umsonst "denn sie wissen nicht, was sie tun".
Schade auch, dass Konverter wie Lightroom noch nicht wirklich in der isolosen Welt angekommen sind und keine Regler mit 7 oder 10 EV Spielraum bieten. Selbst Lightroom bietet nur ± 5 EV. Vielleicht kann das nächste Engine bei Adobe ja mehr? Dann bräuchte man freilich auch eine adaptive Rauschunterdrückung, die auf jede Bewegung eines der 5 Belichtungsregler, des Kontrastreglers und des Tonwertkurvenwerkzeugs selektiv reagiert. Das ist Arbeit, die sich Adobe nur macht, wenn die Kunden es verlangen, aber die Kunden wissen meistens nichts (wissen also auch nicht, was sie alles wünschen könnten und sollten), Threads wie dieser sind noch Mangelware. Aber immerhin, es gibt sie. Erfreulich. Made my day.
So haben wir zwar tolle Kameras mit isolosen Sensoren, aber noch kein isoloses Fotografieren. Außer vielleicht bei Fuji mit dem genannten Trick, der deshalb ganz gut funktioniert, weil Fuji nicht (anders als Nikon und Sony) in der Tasche von Apical und ihrer "black box voodoo"-Lösung Iridix steckt. Weniger ist eben manchmal mehr, und in diesem Fall ist Transparenz (in Form einer TWK, die jeder nachvollziehen kann, der bis drei zählen kann) tatsächlich eine feine Sache. Wer bei Nikon das D-Lighting einschaltet ("It's Magic!") und 100 Fotos damit macht, hat gute Chancen, dabei von der Kamera 100 Mal belogen zu werden (insbesondere bei der Df), aber das macht nichts, denn der "Durchschnittskunde" ist erstens dumm (sagen zumindest die Entscheider bei den Herstellern, die das Marketing entsprechend dumm gestalten), will zweitens belogen werden und will drittens lieber glauben als wissen. Feel-Good-Fotografie für Marken-Bewunderer, nur nicht genauer hingucken, denn was nicht sein darf, das nicht sein kann.
Die isolose Fotografie ist noch nicht "angekommen", dabei hätte sie das Potenzial, für die Belichtung das zu sein wie der die Lytro für den Fokus. Aber was nicht ist, kann ja noch werden, auf der Photokina ist wieder ein mehrstündiges Meeting mit japanischen Kamera-Produktplanern angesetzt, vielleicht sollte ich dieses Mal das Thema "isoloses Fotografieren" in den Mittelpunkt stellen? Ich habe dort durchaus Gehör, aber ob der Markt inzwischen soweit ist, dass man das Konzept forcieren und in reale Produkte und Workflows ummünzen kann? Die Technik wäre längst vorhanden (eigentlich überall außer bei Canon), aber sind die User wirklich bereit, ihre mittelalterlichen (= aus der Analogfilmzeit tradierten) Vorstellungen von "ISO" über Bord zu werben und Fotografie neu zu denken? Man darf es bezweifeln (auch bei den Workshops dauert es oft Stunden, bis die neue Denke begriffen und verinnerlicht wird, und das sind alles keine Anfänger). Und Hersteller schrecken traditionell davor zurück, Kunden etwas erklären zu müssen. Der Kunde greift gern zu dem, was er kennt, zum Produkt ohne Erklärungsbedarf, egal wie ******e es eigentlich ist.
Vermutlich bleibt also erst einmal alles, wie es ist und war.