AW: Olympus und Dynamikumfang
Ich schrieb ja schon, das Thema des Threads kann nur die Eingangsdynamik sein, d.h. die Frage, welcher Objekthelligkeitsbereich es in die Bilddatei hinein schafft, und nichts anderes messe ich. Ich ermittle, welche Objekthelligkeiten in welche RGB-Werte umgesetzt werden, und bei welchen Objekthelligkeiten unten und oben jeweils Schluss ist. Dabei erhalte ich dann nebenbei nicht nur eine Aussage über die Dynamik, sondern die komplette Tonwertkurve.
Jein. Um die Dynamik eines Sensors mitsamt seiner Ausleseelektronik und ggf. Nachbearbeitung korrekt zu erfassen muss man zusätzlich das Rauschen betrachten. Hätte ich einen ideal rauschfreien Sensor, so würde ich lediglich durch die gequantelte Natur des Lichtes ein Rauschen erhalten. Der Einfachheit der Argumentation zuliebe wollen wir mal dieses Photonenrauschen ignorieren und glauben, dass an unserem idealen Sensor eine homogen helle oder homogen dunkle Fläche auch wirklich die exakt gleichen Signale und damit identische Tonwerte erzeugen würde. Packe ich nun von dem aufgenommenen Bild 10 EV-Stufen an Objekthelligkeit durch nichtlineare Skalierung im Rahmen des Gamma-Wertes im sRGB-Farbraum in einen JPEG-File, so werden die Übergänge von 0-1 und 254-255 meinethalben die Eckpunkte der 10 EV-Stufen an Objekthelligkeit repräsentieren. Zwischenwerte bei Mittelung vieler Pixel existieren dann nicht, da man kein Rauschen hat und die Signale der Nachbarpixel exakt gleich hoch sind.
Habe ich nun aber einen Sensor, dessen Signal durch ein Rauschen überlagert wird, so kommt es selbst bei noch dunkleren Objektbereichen hie und da zu Signalen und bei noch helleren Bildbereichen hie und da zum Unterschreiten der Sättigung. Im Ergebnis hätten wir dann bei Mittelung der Signale einer Messregion von 10x10 Pixeln eine Objekthelligkeit, die einen Übergang von z.B. im Mittel 0-0,01 bzw. im Mittel 254,99-255 erzeugt. Die EV-Stufen, bei denen diese Übergänge beobachtet werden, sogar noch weiter als 10 EV-Stufen auseinanderliegen. Hat nun der rauschende Sensor eine *höhere* Dynamik? Freilich nein, denn man muss das Rauschen mit berücksichtigen.
Also hilft der Weg zurück zur basalen Sensortechnologie: Dynamik = maximale Pixelladung geteilt durch Ausleserauschen. Das Ausleserauschen wird als Standardabweichung ermittelt und ist damit anders als der Standardfehler eines Mittelwertes auch unabhängig von der Zahl der betrachteten Pixel.
Kann man nun die Dynamik ohne Kenntnis dieser basalen Sensordaten irgendwie messen? Wiederum jein.
Was Rschoed richtig beschreibt ist, dass man eine Kontrast-Wiedergabefunktion bestimmen kann. Dies ist auch das was bei Dpreview getan und dort fälschlicherweise als Dynamikmessung bezeichnet wird. Warum repräsentiert dies aber noch keine vernünftige Einschätzung der Dynamik? Weil das Rauschen bzw. dessen Filterung nicht mit in die Rechnung einbezogen wird. Mittle ich das Signal *aller* Pixel eines Sensors, so sinkt der Bestimmungsfehler entsprechend der Funktion des Standardfehlers eines Mittelwertes mit der Quadratwurzel der Einzelbestimmungen. Bringt also ein Einzelpixel nur lächerliche 5 EV-Stufen an real differenzierbarer Dynamik (entspr. 20 * log (2^5) = 30 dB), so wird eine Mittelwertbildung in 10 Megapixeln den Mittelwert ca. 3000-fach genauer bestimmen und damit die Dynamik exorbitant steigern, wenn auch unter komplettem Verlust der Bildauflösung. Soweit zu den Extremen. Wieviel Mittelwertbildung (aka: Rauschfilterung) mit Reduktion der Bildauflösung wollen wir aber nun zulassen bzw. nicht mehr tolerieren? Hierfür müsste man streng genommen klare Kriterien entwerfen, die als Norm herangezogen werden könnten. Eine sinnvolle Dimensionierung könnte z.B. eine Filterung sein, die gerade noch nicht eine in Gesamtbildanschau erkennbare Unschärfe erzeugt, sich also nach den Zerstreuungskreisen richtet. Dies würde auch den nur scheinbar existierenden Nachteil hoch auflösender Kameras kompensieren. Da hierzu geeignete Konventionen fehlen, sind derzeit die Daten verschiedener Tests kaum miteinander vergleichbar. Ein wiederum enorm wichtiger Punkt, der hier aber noch gar nicht behandelt wurde, sich aber sehr stark auf die wahrgenommene Dynamik auswirkt, liegt in der je nach Hersteller (und teils auch je nach Kameramodell) unterschiedlichen Definition der Weiss- und Schwarzpunkte. Diesen Punkt möchte ich lieber auch unbesprochen lassen, da er das Bild noch komplizierter macht, als es ohnehin schon ist. Hinzu kommt, dass man oft nicht weiss, welche Datenmanipulation selbst über RAW-Daten bereits in der Kamera hinweggelaufen ist.
Wer eine *etwas* ernsthaftere Betrachtung von Dynamikumfängen studieren will, als es derzeit Dpreview oder auch andere "Testlabors" bieten, dem sei die durchaus anspruchsvolle Seite von Clarkvision zum "Dynamic Range" empfohlen:
http://www.clarkvision.com/imagedetail/index.html und darin dann weiterklicken.
Wer mit Kontrast-Wiedergabe-Darstellungen zufrieden ist, der sollte neben den scheinbar logisch erscheinenden Gradationsverläufen in Dpreview bedenken, dass die verbliebene Zeichnungsschärfe und der Charakter des Chroma-, Luminanz- und "fixed pattern"-Rauschens in die (subjektive) Bewertung dieser Dynamik mit einbezogen werden sollten, denn: was hilft mir die weiteste Dynamik wenn Details in der Bildzeichnung hierfür merklichst weichgespült wurden?
Um ggf. Missverständnissen vorzubeugen: dies sind ganz allgemeine Anmerkungen, die keinerlei Aussagen zum speziellen Dynamikverhalten von bestimmten Kameras leisten oder implizieren wollen.