#52
Auch wenn die Chronologie zwischen Bild und Text nicht mehr passt, wollte ich obige Aufnahme gern noch zeigen. Entstanden auf dem Rückweg von unserer kleinen Tageswanderung.
Während das deutsche Anglerpaar nach dem trockenen, herben Spruch ein wenig irritiert die Hütte verließ, wurden wir noch Zeuge einer lautstarken verbalen Auseinandersetzung zwischen unserem Hüttenwirt und einer Reisenden, die mit einer größeren Reisegruppe kurz zuvor an der Hütte eintraf. Wir waren uns nicht sicher, oib die Dame vom Temprament her Italienerin oder Spanierin war, jedenfalls tat sie sehr lautstark ihren Unmut darüber kund, dass die Duschen wohl nicht funktionieren würden. Dies wiederholte sie mehrfach, garniert immer mal wieder auch mit einigen Ausdrücken in ihrer Landessprache, ohne dem Wirt auch nur die Möglichkeit einer Rechtfertigung zu geben, sie redete einfach ohne Punkt und Komma und erklärte ihm mehrfach, "YOU ARE NOT POLITE!". Als sie schließlich in ihrer Tirade doch eine kurze Unterbrechung einbauen musste um wieder Sauerstoff in ihren Lungen zu sammeln, erhielt der Wirt zumindest die Chance die Frage zu stellen, was genau denn jetzt den Unmut der Dame erregte. Daraufhin erging eine erneute Schimpftirade, mit dem Hinweis an den Wirt: "YOU ARE NOT POLITE!", bis sie dann doch mitteilen konnte, dass das heiße Wasser der Dusche wohl nicht funktionierte. Nach dem auch diese Tirade endete, verließ sie stilecht mit einem Aufstampfen und dem Zuknallen der Tür zur Hütte das Büro und ließ vier Menschen zurück, die sich wortlos und mit Blicken fragten, was hier eigentlich grade passiert war, bis wir gemeinsam kopfschüttelnd uns unseres gegenseitigen Unverständnisses versicherten.
Im Anschluss an diese skurrile Szene machten wir uns die dort aufgestellte Wanderer-Tausch-Box zu Nutze. Da Wanderer die Angewohnheit haben, auf ihren Touren viel zu viel an Ausrüstung und besonders auch Verpflegung mitzuschleppen, gab es in der Hütte eine Art Tauschbörse. Bereits auf dem Rückweg von unserer Tageswanderung beschlossen wir, dass wir noch ein weiteres Mal die Kochkünste des hiesigen Restaurants in Anspruch nehmen würden. Dementsprechend sortierten wir auch etwas Nahrung aus, in meinem Falle betraf es eine Mahlzeit dieses Trekking-Futters, dass direkt mit kochendem Wasser im Beutel angerichtet wird. Da ich bereits an einem der ersten Tage in das Vergnügen eines "Balkan-Risottos" kam und bei späterer Durchsicht feststellte, dass ich zwei Tüten davon dabei hatte, beruhigte es mich innerlich, als ich diese Mahlzeit, trotz des exorbitanten Preises, in die Box legen konnte, garniert mit einem halben Kilo gesalzener Erdnüsse und einer weiteren Spaghetteria-Tüte für Nudeln in Käse-Sahne-Soße. Mein Kumpel nutzte die Gelegenheit, einen Großteil seiner Porridge-Tüten loszuwerden, da er sich hierbei wohl auch ziemlich verschätzte, sowohl in der Menge, als auch beim Geschmack.
Während wir im Anschluss noch ein wenig in der Sonne faluenzten, hörten wir dann ein Gespräch einer vierköpfigen Reisegruppe, die ebenfalls die Tauschbox in der Hütte entdeckten und sich diebisch darüber freuten, welche Schätze sie darin entdeckt hätten, bei genauerem Hinsehen war es mein Balkan-Risotto und meine Nudeln, das Prinzip scheint also zu funktionieren, wobei ich hoffe, dass das Risotto bei der betroffenen Person eine andere Wirkung auf den Verdauungstrakt zeigte, als bei mir...
Im Anschluss an diese Begebenheit zog es uns in das Restaurant, wo, zu unserer freudigen Überraschung, erneut Lammbraten mit mexikanischer Hühnersuppe als Vorspeise auf der Karte stand.
Während wir uns die Wartezeit mit einem kühlen Bier verkürzten, traf auch eine kleinere Gruppe von Mountainbikern an der Hütte ein. Einer von ihnen steuerte direkt auf die Theke zu und orderte einen Teller Suppe. Nach dem Beenden seines Mahls, lief er mit dem Teller in der Hand erneut zur Theke und forderte einen Nachschlag ein, was die nette Dame zunächst etwas verwirrt drein blicken ließ, als sie ihm erklärte, dass er dann erneut zahlen müsse. Daraufhin reagierte der Radler bockig und beleidigt und versuchte der jungen Frau zu erklären, dass er den ganzen Tag im Sattel gesessen hätte, den weiten Weg von Landmannalaugar nach Alftavatn bestritt und nun wohl erwarten könne, dass er ohne Aufschlag noch einen zweiten Teller bekäme. Die Mimik der jungen Dame zeigte ziemlich deutlich, dass ihre emotionale Anteilnahme am Leid des Radfahrers nicht sonderlich ausgeprägt schien und sie auch nicht recht verstand, was sie jetzt genau damit zu tun haben könnte, dass er mit dem Fahrrad durchs isländische Hochland fährt. Sie gab ihm dann recht deutlich zu verstehen, dass es sich bei der Hütte trotz des spartanischen Eindruckes um ein Restaurant handelt und dementsprechend man seine Speisen auch bezahlen muss. Der Radler trollte sich und verkroch sich beleidigt in einer Ecke des Lokals. Als Resultat herrschte im Anschluss eine eher betretene Stimmung, so dass wir fast ein wenig unsere Bekanntschaften vom Vortag vermissten und fast bereuen wollten, nicht doch am gleichen Tag weitergezogen zu sein. Letztlich verkrochen wir uns dann recht früh am Abend in unseren Schlafsäcken.
Tag 7, Alftavatn --> Emstrur
#53
Unsere morgendliche Aussicht auf den Zeltplatz, aufgenommen mit meinem tragbaren Handfernsprechgerät. Während wir noch frühstückten, kämpfte sich die Sonne immer wieder durch die tiefhängenden Wolken, so dass ich mir vornahm, direkt nach meinem Morgenkaffee die Kamera aus dem Zelt zu holen. Doch dies blieb mir versagt, denn binnen 20 Minuten verlor die Sonne ihren Kampf, ein starker Wind brach los und es fing direkt an zu regnen, so dass wir unser Frühstück im Regen beendeten. In der Hoffnung, es nur mit einem kleinen Schauer zu tun zu haben, ließen wir uns etwas Zeit und kamen mit einem Franzosen und dessen kanadischer Freundin ins Gespräch, die uns dann die neueste Wettervorhersage überbrachten; Regen und Wind, den ganzen Tag. Dies trug nicht grade zu einer positiven Veränderung unserer Stimmung bei, zumal sich auch unser Plan zerschlug, wenigstens einmal das Zelt im trockenen Zustand abzubauen.
Es blieb uns nach unserem Frühstück also nicht sonderlich viel übrig, als im sich weiter verstärkenden Regen unsere Sachen zu packen und unter dem Vordach der Duschhütte Schutz zu suchen um die letzten Vorkehrungen für die Wanderung zu treffen. Dabei kamen wir mit einem deutschen Paar ins Gespräch, die das Wetter ähnlich missmutig stimmte wie uns. Und während wir noch unsere Sachen herrichteten, wurden wir Zeugen eines etwas merkwürdig anmutenden Schauspiels. Am Abend zuvor traf eine italienische (oder vielleicht auch spanische, daran schieden sich die Geister) Reisegruppe ein und bezog als Übernachtungsmöglichkeit die Schlafhütte. Während wir also versuchten in irgendeiner Form vor Sturm und Regen geschützt die restlichen Utensilien zu verstauen, tappste ein älterer Herr aus dieser Reisegruppe nach draußen, warf sich seinen sündteuren Regenparka über, stellte sich direkt in den nassen Sturm und knippste unter Zuhilfenahme einer Selfiestange eine Serie von Aufnahmen seiner selbst, wie er gänzlich abenteuerlustig und verwegen den Naturgewalten trotzt und die Herausforderung annimmt, sich der entfesselten Kraft der Elemente entgegen zu stellen. Direkt im Anschluss verschwand er auch wieder recht schnell in der beheizten Hütte um sich aufzuwärmen.
Wir guckten uns zu viert an, schüttelten ungläubig die Köpfe, wuchteten die Rucksäcke auf den Rücken und nahmen nun die dritte Etappe des Laugavegur in Angriff, wobei die ersten Schritte aus dem Windschatten der Hütte heraus irgendwie ein hohes Maß an Überwindung kosteten.
#54
Die kommende Etappe stand ganz im Zeichen einer sehr jungen Aschelandschaft, die sich sehr monoton vor uns ausbreiten würde und nur zu Beginn mit dem ein oder anderen Fluss an Abwechslung aufwarten würde. Den ersten Fluss, galt es dann auch direkt zu furten, wobei wir noch keine anderthalb Kilometer gelaufen waren, so dass man kaum so richtig warm wurde, um direkt auch schon wieder in die Furtschuhe zu schlüpfen und durch kalte Fluten zu waten. Dies gestaltete sich weniger schlimm als gedacht, da der Fluss nicht sonderlich breit und auch nicht sonderlich tief war. Dem Pfad folgend kamen wir schließlich auch zu diesem Wasserfall, über dessen Flussbett aber eine hölzerne Brücke führte.
Interessanterweise ließ der Regen bald nach und es blieb die sehr diesige Sicht, die hohe Luftfeuchtigkeit und eine ganz eigene Atmosphäre auf diesem Teil der Wanderung. Mir persönlich gefiel das Wetter in Kombination mit der Landschaft sogar ziemlich gut, da ich den Eindruck hatte, das dieser Dunst hervorragend zur Monotonie des Untergrunds passte und somit eine schwermütige Melancholie verströmte, die ich bspw in der Musik der isländischen Band Solstafir so hoch zu schätzen weiß. Irgendwie passte dies für mich hervorragend zusammen. Doch davon später mehr.
Vielleicht hier mal am Rande ein kleiner Musiktipp für die kommenden Beiträge:
Solstafir als musikalische Untermalung