#43
Nach der ein oder anderen kurzen Pause in der wunderschönen Landschaft und dem sich immer stärker beruhigenden Wetter, kamen wir unserem Ziel beständig näher, so dass wir schließlich die Hütten auch in Sichtweite bekamen. Auf dem Weg unterhielten wir uns noch darüber, dass heute wohl der Tag sein wird, an dem wir uns eine heiße Dusche gönnen werden, wenngleich wir wohl nicht das Glück haben werden, etwas Abwechslung in unseren Speiseplan zu bekommen. Dabei malten wir uns aus, welche ungesunden Fast-Food-Gerichte wir uns nach unserer Rückkehr wohl zuerst hinter die Kiemen schieben würden. Urplötzlich und unvermittelt hielt mein Kumpel an und versuchte mir zu erzählen, dass an einer der Hütten, welche wir mittlerweile recht deutlich erkennen konnten, ein Schild hing, auf das jemand die Worte "Bar" und "Restaurant" geschrieben hatte. Ich dachte zunächst an einen Scherz, bis wir nahe genug dran waren und auch ich die Worte erkennen konnte. Ungläubig ob der ungeahnten Verheißung beschleunigten sich unsere Schritte zunehmend und unsere Gespräche während der letzten halben Stunde bis zur Ankunft bei den Hütten drehten sich schließlich nur noch ums Essen. Einerseits konnten wir nicht glauben, dass es in dieser Abgeschiedenheit tatsächlich eine Bar, bzw. sogar ein Restaurant geben sollte, andererseits phantasierten wir uns die fettigsten Leckereien zusammen, wie etwa Currywurst mit Pommes, Hamburger oder irgendetwas anderes in dieser Geschmacksrichtung. Doch bevor wir das Geheimnis dieser merkwürdigen Tafel lösen konnten, trabten wir zur Anmeldung. Offensichtlich kamen wir sehr ungelegen, denn just in dem Moment, in dem wir die Tür der Rezeption öffneten, pfiff der zuständige Schiedsrichter die Basketballpartie zwischen Island und einer anderen Nation an. Als wir unser Anliegen nach Zeltplatz und heißer Dusche vortrugen, wirkte der Hüttenwirt und sein Kumpane doch ziemlich abwesend und nicht ganz bei der Sache, was letztlich zu der humorvollen Frage seitens des Hüttenwirtes führte, ob wir nicht vielleicht in einer Stunde wiederkommen könnten, dann wäre das Spiel vorbei.
Wir bekamen noch eilig den Hinweis zugenuschelt, dass wir bitte nicht jenseits des Flusses zelten mögen, ansonsten hätten wir freie Platzwahl. Just in diesem Moment ging Island wohl in Führung und unser knorriger Hüttenwirt wandte sich augenblicklich wieder seinem kleinen Laptop mit der Liveübertragung zu; man muss halt Prioritäten setzen, wobei uns diese ausgeprägte Sportaffinität nicht etwa störte, sondern zum Hüttenwirt als Type einfach wunderbar passte.
Obiges Bild zeigt die Aussicht aus unserem Zelt heraus und gleichzeitig, was von dem miserablen Wetter vom Morgen noch drüber geblieben war, Wolkenfestzen, die zwischen den Bergen hin und her trieben und blauer Himmel. Grundsätzlich sei noch angemerkt, dass der Zeltplatz in Alftavatn definitiv eines der Highlights der gesamten Tour darstellte. Einfach zum Wohlfühlen.
#44
Der Blick, mit unserem Zelt in Richtung Alftavatn, die Hütten stehen beinahe direkt hinter uns, unter anderem auch die wichtigste Hütte, nämlich die mit den Duschen. Nach der Plagerei am Morgen und Vormittag, dem völligen Durchnässt-sein und Frieren, lässt sich die Wonne einer heißen Dusche, die zwar nicht länger als fünf Minuten währte, einfach nicht in Worte fassen. Da wir natürlich nicht die einzigen Wanderer waren, die an jenem Tage aus dem Gebirge herab gestiegen kamen und den Drang nach einer heißen Dusche verspürten, kamen wir in der Duschschlange erneut in interessante, mulitnationale Gespräche. So unterhielten sich Spanier, Italiener, Franzosen und Deutsche über die Erfahrungen im Gebirge und gaben Auskunft über die Hindernisse, die noch bevorstanden. In Alftavatn trafen wir auch eine größere Anzahl Wanderer, die den Laugavegur in die uns entgegengesetzte Richtung liefen. So erhielten wir bspw. Informationen über die aktuellen Wasserstände der beiden Flüsse, die in der nächsten Etappe gefurtet werden wollten. Wir gaben unsererseits hilfreiche Informationen hinsichtlich der Beschaffenheit der sanitären Einrichtungen in Hrafntinnusker gepaart mit der Empfehlung, nach Möglichkeit früh am Alftavatn aufzubrechen und direkt bis Landmannalaugar durchzulaufen.
Im Anschluss an die wohlige Dusche warteten einerseits die mittlerweile nicht mehr ganz so taufrischen Klamotten vom Vortag mit dem ihnen innewohnenden Geruch und andererseits der Wunsch und der Wille, nun endlich das Geheimnis hinsichtlich des Restaurants zu lösen.
#45
Vor besagter Hütte schlug uns bereits ein wundervolle Mischung aus Stimmengewirr und Lachen entgegen. Ein Blick durch eines der Fenster eröffnete uns einen kleinen, sehr gut gefüllten Raum, in dem sich Menschen lustig unterhielten und, noch viel wichtiger, Bier tranken. Nach einem kurzen Moment des Innehaltens öffneten wir die Gastraumtür und wurden freundlichst darauf hingewiesen, doch bitte die Schuhe auszuziehen. Bei der Gelegenheit solle man sich vielleicht auch direkt seiner Jacke entledigen und eigentlich auch alle weiteren Kleidungsstücken ablegen, bis auf die Unterhose. Keine siebzehn Sekunden später war auch klar, weshalb eine Unterhose als Bekleidung ausgereicht hätte. In dem winzigen Raum saßen dicht gedrängt erstaunlich viele Menschen, die den ohnehin schon wohlig geheizten Raum noch um einige Grad zusätzlich erhitzten. Die Stimmung war ausgelassen, fröhlich und heiter, so dass es nur einen winzigen Momenten dauerte, nach dem wir noch zwei Stühle ergatterten, bis wir ins Gespräch mit zwei Österreichern kamen. Direkt im Anschluss erhielten wir unsere erste Runde eisgekühlten Bieres, woraufhin die Unterhaltung mit dem österreichischen Paar, sehr schnell in Schwung kam. Auf unsere Nachfrage, was es denn wohl zu essen gäbe, erhielten wir die Antwort, dass das Menü ab 19 Uhr zu bestellen sei. Es bestehe aus einem leckeren Lammbraten, für umgerechnet 35€. Kurzes Innehalten unsererseits, und schließlich ging die Bestellung raus. Die Wartezeit überbrückten wir mit einer weiteren Runde Bier, was uns aufgrund der Hitze langsam aber sicher in den Kopf zu steigen begann, was wiederum dazu führte, dass die Stimmung, nicht nur bei uns, sondern im Allgemeinen, noch ausgelassener wurde. Kurze Zeit später erhielten wir zunächst eine Vorspeise, Mexikanische Hühnersuppe, mit der wir gar nicht rechneten. Allein diese Suppe war bereits eine wahre Gaumenfreude, nach den Tagen der Nudeln und Trekkingfertiggerichte. Als wir kurz darauf dann unseren Lammbraten serviert bekamen, verfiel ich nach dem ersten Bissen fast in einen ekstatischen Jubel. Auch jetzt noch, mit einigem Abstand, möchte ich behaupten, dass dieser Lammbraten, der beste gewesen ist und gewesen sein wird, den ich jemals aß. Dieser Festschmaus gehörte natürlich mit einer weiteren Runde Bier gewürdigt, wobei sich in der Zwischenzeit weitere Wanderer in unsere kleine, deutsch-österreichische Runde einklingten. So trafen wir auch erneut auf die Schweizerin, ein us-amerikanisches Paar (die beiden waren wirklich witzig, zumal er nach etwas Alkoholgenuss uns Europäern die Frage stellte, ob wir eigentlich denken, die Amerikaner seien alle dumm. Er meine dies nicht, weil sie Trump zum Präsidenten gewählt haben, sondern weil viele nur eine Sprache beherrschen, Englisch. Die Europäer wiederum beherrschen Englisch und mindestens noch eine weitere Sprache) und noch zwei, drei weitere Protagonisten, wobei mich hier allerdings bereits mein Erinnerungsvermögen anfängt im Stich zu lassen.
Die Stimmung, die unter uns herrschte, lässt sich mit Worten wohl nicht beschreiben oder gar transportieren, man muss vorort gewesen sein, um dies nachempfinden zu können. Aber noch am selben Abend war uns klar, dass dies einer der Abende sein wird, an den man sich sein Leben lang erinnern wird, da er schlicht und einfach perfekt war. Inmitten dieser großartigen Natur und Landschaft, auf einen Koch zu treffen, der wirklich etwas von seinem Handwerk zu verstehen schien, war schon ein riesiges Glück. Dies dann aber noch in Gesellschaft dieser beiden sympathischen Österreicher (die eigentlich unserer Empfehlung folgen wollten, den Stop in Hrafntinnusker auszulassen, diesen Plan aber zugunsten des fröhlichen Beisammenseins schließlich fallen ließen und lieber noch ein Bier bestellten) und all der anderen Wanderer und Verrückten, setzte dem Ganzen einfach die Krone auf. Zeitgleich versank auch noch die Sonne in einem ungeahnten Farbspektakel am Horizont, allerdings reichte es bei mir nur für einen kurzen Handyschnappschuss, das Fotografieren hatte ich an diesem Abend völlig ausgeblendet.
P.S.: Ich hänge mal noch ein Bild an, diesmal ein "richtiges" Selfie, unmittelbar nach unserer Ankunft in Alftavatn... Ich finde den Vergleich zum Bild am Beginn des Laugavegur schon heftig...