[…] Mangelnde fotografische Aspekte werden durch Technik ersetzt. […]
Aber warum ständiges verschlimmbessern?
[…] Mangelnde fotografische Aspekte werden durch Technik ersetzt. […]
Es dreht sich im Kreis und es scheint vielen nicht möglich, da auszubrechen
Betrachte ich mal eben die letzten 20 Jahre : « früher » hatten die wenigsten das Geraffel, das hier gerne mal stolz den footer zumüllt, sondern eine Kompaktknipse. Der Film ging - wenn er denn nach Wochen und Monaten mal voll war - ins Labor, ein paar Tage später gabs das Tütchen. Die Bilder blieben mehr oder weniger in den eigenen vier Wänden und waren 'hübsch' oder wurden gar nicht erst gezeigt. Die, die eine eigenes oder Zugriff auf ein Labor hatten, haben sich da nächtelang eingeschlossen und gezaubert. Bei den Bildern, die es wert waren und in aller Regel war bei den Leuten auch ein gehöriges Mass an fotografischem Wissen abseits von ISO, Blende und Verschlusszeit vorhanden. Wer das Handwerk nicht wirklich beherrschte, der hat sich eigentlich auch nicht hingestellt und gesagt « hey, ich bin der tolle Fotograf ».
Heute sind die schwarzen Kisten so ausgefeilt, dass es eigentlich schwer ist, ein Bild rein technisch zu vergeigen ( ok, die Problembilderecke und viele viele andere Stellen hier beweisen das Gegenteil ) und das Labor steht bei jedem auf dem Schreibtisch. Nur … das zum Singen und Tanzen zu bekommen, das ist nicht jedem in die Wiege gelegt. Meistens gehört da richtig Arbeit zu.
Da wird schnell 'gedacht' ein Regler hier, einer da, schön bunt, tolle Sache. Und weils in Sekundenbruchteilen wie eine Seuche über den Globus grassieren kann und sich kaum einer traut zu schreiben 'boah, ist das schayze' glauben die auch noch, sie könnten 'fotografieren'. Es fehlt die Ehrlichkeit gegenüber sich selber ( und zwar vom Druck auf den Auslöser bis hin zum gnadenlosen Aussortieren des eigentlich ausschusswürdigen Materials ). Bilder von denjenigen, die es beherrschen, werden auch gelobt und zwar gerne mit dem Zusatz «
ich weiss nicht, warum » Da ist die Ehrlichkeit wieder da :
Ich hab keinen Plan und deshalb weiss ich nicht, warum mir was gefällt. Weil ich das aber nachbauen will, frag ich mal ein Forum. Da brauch ich nicht selber zu kramen und zu lesen und zu überlegen und zu verstehen, sondern nur machen.
Nicht falsch verstehen, ich find die Möglichkeiten, wie wir sie heute haben, genial. Ich liebe es, sofort sehen zu können, ob die Schärfe auf dem Punkt sitzt oder die Liddeckel nicht gerade zuklappen ( da bin ich manchmal Meister drin, diesen Moment zu erwischen ). Ich mag das Zebra um zu checken, ob die Lichter auch an den 'richtigen' Stellen ausbrennen. Ich mag, dass ich eine fertige Version aus dem Rechner so lassen kann, wie sie ist, und nicht beim nächsten mal bibbern muss, ob ich das nochmal genau so wieder hinbekomme ( Unikate sind richtig toll, btw. Es geht nichts über einen richtig grossen, klassischen Abzug auf Baryt in echtem Hochglanz … )
Es fehlen so erschreckend oft die Grundlagen. Nicht nur ISO, Blende, Verschlusszeit, sondern auch die 'rein sichtbaren' wie eben Führungslinien, Kontraste in Farbe, Form und Licht. « Regeln sind dazu da, um gebrochen zu werden ». Hatten wir schon. Ist richtig. Es wurde auch schon betont, dass sie dazu zumindest im Ansatz bekannt sein sollten. Hilft gewaltig, auf dem Weg zum 'fotografischen Sehen'. Was da auch meint, abstrakt visualisieren zu können, wie der schwatte Kasten da in meiner Hand 'sieht'.
Nehmen wir eine Sandsteinmauer. Viele sehen in einer Sandsteinmauer eine Sandsteinmauer. Ich sehe darin ein strukturiertes Gebilde, welches mir je nach Tageszeit und Licht und Farbtemperatur verschiedene Sachen erzählt, die es unter Umständen lohnenswert erscheinen lassen, das als Bild festzuhalten. Von oben, um sie klein, von unten, um sie gross und mächtig erscheinen zu lassen, vielleicht. Oder eher weich gehalten mit allen kleinen und kleinsten Details. Oder hart, um es auf ein Punkt-Flächenmuster zu reduzieren. Abweisend im kalten, blauen Licht. Oder zum Anlehnen in den Rottönen des Abends. Ich sehe. Ich sehe, weil ich gelernt habe, zu sehen. Und weil da entsprechendes Wissen abrufbar ist, weiss ich in der Regel auch recht flott, warum mir ein Bild gefällt oder eben nicht. Nicht '
ob' es mir gefällt, sondern '
warum' es mir gefällt. Und weil das so ist, und weil ich das jeden Tag beacker und trainiere ist es mir herzlich gleichgültig, ob ein Bild aus einer Legokamera oder einer state-of-the-art-Nachtsichtgerät-mit-rotgoldenen-Ringen-Maschine kommt. Weil es egal ist. Wie ich sowohl mit der einen, wie auch der anderen Ergebnisse hinbekomme, die nicht unbedingt gleich eine Kiefersperre verursachen, aber doch einen wow-geil-nee-iss-nich-wahr-nicht-mit-DEM-Ding-Effekt haben. «
Inspiration comes and goes, creativity is the result of practice. »
Ich kenne mein Werkzeug und ich weiss, was ich womit wie machen kann, um eine Idee umzusetzen. Ebenso weiss ich, welches Werkzeug ich benötige. Daran scheint es mir hier im Forum auch gerne mal zu fehlen. Wer offenbar gesteigerten Wert auf hohe Bildqualität legt, sich aber über 'verwackelte' Aufnahmen beschwert, der braucht keine neue Kamera und auch keine andere Optik. Der muss entweder an seiner Kamerahaltung als solcher arbeiten oder in ein vernünftiges Dreibein investieren. Am besten in beides. Hund HabenWill ist kein guter Berater. Fehler zu machen ist super, sie als solche zu erkennen und daran zu arbeiten eine richtig gute Schule.
Es ist irrsinnig vieles, das beim Entscheidungsprozess für ein Bild eine Rolle spielt, und es lässt sich auf
Licht, Komposition, subject of interest runterbrechen. Wobei es mir auch völlig egal ist, ob Schatten absaufen oder Lichter an Stellen, die eh nichts beitragen, eventuell ausbrennen. Warum müssen wir eigentlich in jedem verdammten Schattenbereich und jeder Funzel noch Struktur haben ? Weil es 'neu' ist ? Oder 'was Besonderes' ? Oder reiss ich da nur an den Reglern rum, weil ich sonst mit dem Bild nichts zu erzählen habe und mir nicht eingestehen kann oder will, dass das Ding was fürs Datennirwana ist ? Vielfach war und ist Letzteres der Fall. Rollen sich mir die Fussnägel hoch, für andere ist es Neuland. Wow ! Wo ich eigentlich nach meiner ganzen Lebenserfahrung tiefste 'Nacht' erwarte, sind Strukturen, klar und deutlich. Das haut mich so aus den Socken, dass ich den Kram drumrum ausblende. Das ist cool, das ist toll, das will ich auch. Frag ich ein Forum, wie das geht. Und weil das unheimlich viele 'andere' sind, die in Foren gefragt haben, wie das nachgebastelt werden kann, wird es irgendwann zur Gewohnheit. Es wird selbstverständlich, es 'muss' eigentlich so. Und schon leben wir in einer im wahrsten Sinne des Wortes übersättigten Bunte-Bilder-Welt.
Und dann kommt noch etwas hinzu, was ebenfalls schon angeklungen ist in dieser Diskussion, und was sich im vielgequälten Satz von Bob Capa «
if your photographs aren't good enough, you were not close enough » wiederfindet : Es ist nicht nur die rein pysikalische Nähe zu 'meinem' subject, sondern auch die intellektuelle. Beacker ein Thema bis zum Umfallen, liebe oder hasse es. Die intensive Beschäftigung damit macht es - zusammen mit dem allgemein fotografischen Wissen - sehr schwer, ein Bild davon zu vergeigen.
Ein 'gutes Bild', das kann viele Ursachen haben.
Ich mag Kontraste, wenn sie gesehen und dargestellt werden, ich mag Führungslinien aller Art, ich liebe einen aufgeräumten Hintergrund, Augenhöhe bei Insektenmakros. Den 'guten' Umgang mit der Horizontlinie. Wenn mein Auge im Geviert gehalten und nicht bspw bei Portrait mit Kopf links und Blick nach rechts aus dem Rahmen gefeuert wird, soweit da nicht das subject of interest ist. Kopf rechts und Blick nach links lässt mich immer wieder zu den Augen zurückkommen, weil wir halt in der 'westlichen' Welt mit Betrachtungs- und Lesegewohnheit links oben nach rechts unten leben.
Ich mag Freistellung über Farbe, einen dunstigen Hintergrund, über Kontraste …*und nicht ausschliesslich mit der Holzhammermethode Offenblende. Ich hasse Matschaugen ; die hat das model meistens nicht verdient. Ich mag auch keine Tuscheklumpen, sondern diesen unvergleichlichen Glanz der Iris mit der sich drüberwölbenden Pupille. Der psychologische Einsatz von Farbe zur 'Stimmungsmache' … Hammer. Wenn die psychologisch wirksamen Kleinigkeiten in Arm-, Hand- uder Beinhaltung rausgearbeitet wurden. Einfach nur toll.
Ich mag die Farben und das weiche Licht vor Sonnenaufgang. Oder das härter werdende nach Sonnenaufgang mit seinen langen Schatten, die so hervorragend eingesetzt werden können, um den Blick zu führen. Oder das Gegenlicht zu Sonnenuntergang, wenn so schön mit Silhouetten gearbeitet werden kann. Mittagslicht und extreme Kontraste können sehr wirksam sein, wenn Schatten wirklich absaufen und Lichter brennen, wenn Hitze dargestellt werden will. Oder Gottverlassenheit. Ich mag die Vogelperspektive ebenso wie den Frosch, wenn es dem Bild diesen 'kick' geben kann, er es anders macht, als die Masse. Ich mag dieses 'gewisse Etwas' in Landschaftsbildern, wenn da ein Vieh oder ein Mensch mit auftaucht. Oder einfach nur ein Lichtstrahl. Und manchmal auch Strassen und Gassen, in denen einfach nichts los ist. Ich steh total auf 'aufgeräumte' Bilder und Wimmelkram nur, wenn es angebracht ist. Manchmal gehören Sachen in die Mitte, meistens aber knapp daneben.
Und manchmal musst dein eigenes Licht zur Party mitbringen
Ich weiss, dass vieles höchst subjektive Dinge sind ; was mir gefällt, muss anderen noch lange nicht gefallen. Und trotzdem gibt es Bilder, die sehr, sehr vielen 'gefallen' oder als 'gut', 'bahnbrechend' was weiss ich anerkannt sind. Die mal auseinanderzuklamüsern, woran es liegt. Licht, Komposition, subject of interest. Oma auf dem Sofa vor der Tapete aus den 70ern, mittig im Bild aus 1.85 Stehhöhe gehört nicht dazu. Es sei denn, du blitzt es brutal an und hast eine 'Lobby'. Dann spielst eventuell in der Liga Richardson und Teller
