Re: Sony A7R — Schärfentiefe durch Auflösung
Stuessis Aufnahmen demonstrieren u. a. sehr schön das Konzept der sog. kritischen Blende.
Irgendwo hat irgendwann einmal irgend ein Depp geschrieben, die "kritische Blende" sei die, bei der das Objektiv seine beste Leistung bringe – und seitdem plappern's alle nach. Merkwürdig, wie sich Irrtümer dieser und ähnlicher Art immer sofort in der Allgemeinheit festsetzen. Doch die (objektivabhängige) Blende der besten Maximalschärfe heißt natürlich optimale Blende (in Stuessis Testreihe wohl bei f/5,6 oder f/8).
Die (formatabhängige) kritische Blende ist die, bei der die Schärfentiefe maximal ist. "Kritisch" heißt sie deswegen, weil jenseits davon plötzlich gar nichts mehr scharf ist. In Stuessis Testreihe sieht man sehr deutlich, wie die Schärfentiefe von Blende zu Blende zunimmt – bis etwa f/32. Doch bei f/45 ist auf einmal alles nur noch schwiemelig – hier ist die kritische Blende von f/32 (für Kleinbild bei Maßstab 1:1) überschritten, so daß selbst die Maximalschärfe nicht mehr dem Kriterium der "für den Betrachter gerade noch ausreichenden Schärfe" entspricht.
Die förderliche Blende wiederum ist die, welche der jeweiligen Bildabsicht förderlich ist. Deshalb heißt sie "förderlich". Sie ist nicht eindeutig definiert, sondern immer abhängig davon, was man gerade wie fotografiert. Typischerweise (aber nicht immer) liegt sie auf ungefähr halbem Wege zwischen optimaler und kritischer Blende und stellt den besten Kompromiß aus guter Maximalschärfe und großer Schärfentiefe dar. Doch will man z. B. mit selektiver Schärfe arbeiten und wünscht also eine möglichst kleine Schärfentiefe, dann wäre die für diese Bildabsicht förderliche Blende die größte, die das Objektiv zu bieten hat ... oder, wenn die Objektivleistung bei voller Öffnung zu schwach wäre, evtl. die zweitgrößte.
Der Grund, warum die förderliche Blende so gern mit der kritischen verwechselt wird, besteht darin, daß sie in der Literatur für gewöhnlich in einem Zusammenhang eingeführt wird, wo Schärfentiefe notorisch klein ist und man gern möglichst viel davon hätte (sich aber vor dem Überschreiten der kritischen Blende hüten muß) – nämlich im Nah- und Makrobereich. Hier, wo man kaum genug Schärfentiefe haben kann, fallen naturgemäß kritische und förderliche Blende mehr oder weniger zusammen. Das heißt aber nicht, daß das immer so wäre oder daß förderliche Blende nur ein anderes Wort für kritische Blende sei.