Hallo,
ich möchte hier meine ersten Eindrücke von der Alpha 6700 schildern. Es geht mir nicht um Vollständigkeit, sondern nur um die Sachen, die mich selbst interessieren.
I. Einleitung
Zunächst zum Hintergrund: Ich habe aktuell noch die A9, A7R II und die Alpha 6400. Früher hatte ich die Alpha 6300 und die Alpha 7 III.
Die APS-C-Kameras nutze ich in erster Linie für Fahrradtouren, zusammen mit dem Tamron 18-300 hat man mit den kleinen Sonys eine absolut geniale Kombination, die sogar auch für relativ ernsthafte „Wildlife“-Fotografie ausreichend ist. Die A9 mit dem 200-600 passt in meine Fahrradtasche nicht einmal rein …
Weiterhin ist erwähnenswert, dass mein Bruder die Canon R6 und die R7 hat, also mit der R7 den direkten Konkurrenten der a6700. Wir haben jetzt zwei größere Sessions direkt nebeneinander stehend gemacht und diverse Vögel fotografiert.
Letztlich sind die Ergebnisse ungefähr gleichwertig, die Canon hat obwohl sie nicht den tollen neuen AI Chip hat die bessere Objekterkennung, ist aber meines Erachtens beim „normalen“ Autofokus etwas schwächer als die Sony. Wir haben also nicht die gleichen Fotos scharf bekommen, aber letztlich ungefähr die gleiche Ausbeute gehabt.
Bevor es in die Einzelheiten geht noch ein Tipp zur a6700: Ich fotografiere gerne ohne mechanischen Auslöser, weil ich das von der A9 so gewöhnt bin und insbesondere bei der street photography Lautlosigkeit natürlich Trumpf ist.
Aber auch bei einem Nachmittag auf der Vogeljagd kommen oft viele bursts insgesamt dann auch mal gerne tausenden von Bildern raus, da tut einem so ein mechanischer Verschluss schon sehr leid.
Daher gilt meine erste Anmerkung dem Rolling Shutter bei Fotos:
Wenn man mit der a6700 mit elektronischem Verschluss fotografieren möchte, sollte man auf jeden Fall bei den verlustbehafteten RAWs bleiben, also auf der Einstellung „komprimiert“ und nicht auf „verlustfrei komprimiert“.
Bei „verlustfrei komprimiert“ wird die Auslesegeschwindigkeit fast um das Dreifache langsamer und ist sogar viel langsamer als bei der Alpha 6400, die ohnehin nur verlustbehaftete RAWs kann.
II. Einzelne Merkmale/Features
• Rolling Shutter bei elektronischem Verschluss
Genaue Messungen kann ich nicht bieten. Wenn ich aber zum Beispiel mit einer 500stel Sekunde meinen Monitor abfotografiere, kann man an den schwarzen Streifen auf dem Bild erkennen, wie oft der Monitor das Bild wechselt, während der Sensor ausgelesen wird.
Hier hatten (weniger ist besser):
A6400: 11 Streifen
A6700: 6 Streifen (bei verlustbehaftetem RAW), 14 Streifen bei verlustfreiem RAW
A7R II: ca. 23 Streifen
A9: 2 Streifen
Daraus schließe ich, dass die 6700 im schnellen Modus knapp doppelt so schnell ist wie die Alpha 6400, bei verlustfreiem RAW aber merklich langsamer. Im Internet geistern Zahlen herum von einer Auslesegeschwindigkeit von einer 1/24 Sekunde für die 6400 und einer 1/40 Sekunde für die 6700, dass kommt vom Verhältnis her hin.
Die A9 hat bekanntermaßen eine Auslesegeschwindigkeit von 1/160 Sekunde und wäre nach dieser Methode dreimal so schnell wie die 6700, die dann also etwas schneller als 1/50 Sekunde wäre.
Laut DPReview ist die Auslesegeschwindigkeit bei 4K Video bei der 6700 bei 15,4 Millisekunden, also 1/64 Sekunde. Da das Videobild ja nicht in der gesamten Bildhöhe ausgelesen wird, ist klar, dass die Geschwindigkeit bei Fotos im 3:2 Format langsamer ist.
Fazit zu diesem Punkt: Der Sensor ist schneller geworden, von extrem schnell wie in der Sony Werbung gesagt kann aber nicht die Rede sein. Er ist aber etwas schneller als der der Canon R7.
Man kann durchaus mit elektronischem Verschluss fotografieren, muss aber damit rechnen, gelegentlich schiefe Vertikalen oder bei Kunstlicht schwarze Streifen auf dem Bild zu haben.
• Der AI-Autofokus
Dies ist der hauptsächliche Verkaufspunkt der 6700. Sie hat dafür sogar einen eigenen AI-Prozessor bekommen.
Zunächst zur Objekterkennung:
Menschen werden extrem gut erkannt. Selbst wenn das Gesicht im Wesentlichen abgewandt ist, fokussiert die Kamera auf die Gegend, wo das Auge sein müsste. Das geht auch mit Fahrradhelm und Sonnenbrille auf. Auch die Geschwindigkeit mit der Menschen und Augen erkannt werden, ist extrem gut und übertrifft sowohl die 6400 als auch die A9 bei weitem.
Bei Vögeln und Insekten sieht es leider anders aus. Die Canon R7, die keinen extra Chip für Objekterkennung hat, erkennt Vögel und Insekten zum einen aus wesentlich größerer Entfernung und zum anderen aber auch bei kurzer Entfernung zuverlässiger.
Bei beiden Kameras besteht das Problem, dass selbst dann, wenn zum Beispiel bei einem Vogel das Auge erkannt und im Sucher grün markiert wird, dann trotzdem auf die Blätter direkt daneben fokussiert wird. Offensichtlich sagt die Objekterkennung dem eigentlichen Autofokussystem nur, in welcher Gegend es fokussieren soll und wenn dann ein schwarzes Rabenauge vor schön kontrastreichen grünen Blättern steht, werden die für den Fokus ausgesucht.
Bei Vögeln im Flug funktioniert die Objekterkennung nur sehr sporadisch, während sie bei der R7 sehr gut funktioniert.
Die Feststellung von den Northrups auf Youtube, dass die Objekterkennung bei weit entfernten Vögeln besser greift, wenn man von der Einstellung „Tiere/Vögel“ auf „Nur Vögel“ geht, kann ich nicht nachvollziehen, bei mir war das Ergebnis in allen Versuchen gleich. Das finde ich aber auch gut, wenn man dann wenigstens nicht ständig zwischen Pelztieren und Vögeln umstellen muss, wenn der Reiher neben dem Nutria herumsteht.
Bei Insekten ist es so, dass bei mir Schmetterlinge und Fliegen ziemlich schlecht erkannt wurden, während Bienen und Hummeln sehr gut erkannt werden.
Ich habe am letzten Wochenende eine halbe Minute vor einem „Rotbandspanner“ o.ä. gestanden, den ich noch nie vorher gesehen habe. Ich habe kein einziges scharfes Bild zustande bekommen, weil die Kamera zwar immer den Objekterkennungsrahmen um den Schmetterling gezogen hat, aber ständig auf das Gras dahinter fokussiert hat.
Mein Bruder mit der R7 hat in dieser Zeit jede Menge scharfe Aufnahmen gemacht.
Es gibt auch Objekterkennung von Fahrzeugen und Flugzeugen, aber dafür genügt nun wirklich jedes Autofokussystem.
Dann zum eigentlichen Autofokussystem:
Der Phasenautofokus funktioniert sehr schnell und sehr gut (wenn er denn auf das Richtige fokussiert).
Die Anzahl der Fokuspunkte hat sich ja von 425 bei der 6400 auf 759 bei der 6700 erhöht. Dies merkt man auch. Insbesondere, wenn zum Beispiel ein kleinerer Vogel vor Schilf oder Bäumen lang fliegt, kann die 6700 den Vogel deutlich besser fokussieren als die 6400 (wie gesagt ist im Flug in der Regel nicht die Objekterkennung aktiv, sondern die ganz normalen Autofokuspunkte).
Die Leistung bei der Trennung von Objekt und Hintergrund erreicht jetzt ungefähr das Niveau der A9, was schon erstaunlich ist.
Auch Tests wie das zügige Zugehen auf ein Bücherregal mit Dauerfeuer absolviert die 6700 ein schnelles Objektiv vorausgesetzt praktisch fehlerfrei und genauso gut wie die A9, während die a6400 jedenfalls wenn man dem Bücherregal näher kommt dann doch ein paar Aussetzer hat.
Fazit: Der Autofokus hat sich im Vergleich zur a6400 insgesamt deutlich verbessert, wobei die beworbenen AI-Features nur bei Menschen einen deutlichen Fortschritt bringen, nicht bei der Tierfotografie.
Meiner Meinung nach ist der Autofokus auf dem Niveau der A9, was angesichts des viel langsamer auslesenden Sensors, der also auch dem Autofokussystem nicht so oft zur Verfügung steht, ganz erstaunlich ist.
• Bildqualität
Hierzu kann ich noch nicht so viel sagen, weil derzeit weder Adobe Lightroom noch DXO PhotoLab die RAW-Dateien der 6700 lesen können.
Vergleiche in der Gurkensoftware von Sony (Imaging Edge Desktop) zeigen aber, dass es gegenüber der a6400 weder beim Rauschverhalten noch beim Dynamikbereich merkliche Fortschritte gibt.
Über- oder unterbelichtete Bereiche lassen sich bei beiden Kameras genauso gut wiederherstellen.
• Video
Ich habe bisher relativ wenige Videos gemacht. Die 6700 könnte aber dazu führen, dass sich das ein wenig ändert.
Beim Video ist im Gegensatz zu den Fotos die Objekterkennung auch bei Tieren sehr hilfreich, weil der Autofokus während des Filmens jedenfalls bei nicht allzu großen Abständen tatsächlich auf den Tieren bleibt und nicht irgendwohin abwandert.
Toll sind auch die Zeitlupenfunktionen mit 100 Bildern pro Sekunde in 4K und 200 Bildern pro Sekunde in Full HD. Damit herumzuspielen macht schon viel Spaß.
• Bedienung
Bei der Bedienung liegen fast die größten Vorteile der 6700 im Vergleich zur 6400.
Der Griff ist deutlich größer und der erste Griff von Sony, der mir gut gefällt. Der an der R7 ist allerdings noch einmal deutlich besser.
Ein riesiger Vorteil ist die schnelle Schreibgeschwindigkeit, mit der richtigen Speicherkarte schreibt die 6700 250 MB/s an Daten weg, bei der 6400 sind es nur 40 MB/s. Dadurch muss man fast nie darauf warten, dass der Puffer geleert wird.
Der Sucher hat zwar die gleiche Auflösung wie bei der 6400, sieht aber doppelt so gut aus. Spätestens wenn man den Auslöser zum Fokussieren halb durchgedrückt hat, zeigt der Sucher der 6400 eine Treppchenbildung an Kanten und sieht sehr unscharf aus.
Bei der 6700 dürfte vermutlich aufgrund der achtfach so hohen Prozessorleistung der Sucher immer in der vollen Auflösung laufen und sieht daher trotz eigentlich gleicher Daten sehr viel besser aus. Der Sucher der R7 ist größer, aber etwas blasser.
Ebenfalls super ist, dass die Kamera jetzt sehr viel schneller umschaltet, wenn man den Sucher an das Auge nimmt. Während man bei der 6400 erst einmal kurz schwarz sieht, ist bei der 6700 das Bild sofort dar.
Auch die Einschaltverzögerung hat sich ungefähr halbiert, was sehr positiv ist wenn man plötzlich ein lohnendes Motiv entdeckt.
Dass die Kamera jetzt vorne auch ein Bedienrad hat, ist ebenfalls ein riesiger Vorteil, endlich kann man Blende, Verschlusszeit und Belichtung jeweils mit einem Rad einstellen.
Das Display ist merklich größer als bei der 6400. Leider kann man es jetzt nicht mehr einfach nach oben oder unten anwinkeln, sondern muss es ganz zur Seite ausklappen um es dann drehen zu können. Das mag für Videos ein Vorteil sein, für Fotos finde ich es aber sehr umständlich und bei der unauffälligen street photography aus der Hüfte natürlich ein no go.
Der kleine Blitz ist weggefallen, was ich schade finde, auch wenn ich den an der 6400 nie benutzt habe.
Der Ein- und Ausschalter ist ein eine komische Position gewandert, man muss den Finger sehr weit nach hinten bewegen, um die Kamera einzuschalten. Letztlich nur eine Gewöhnungssache, aber da die A9 den Schalter weiter vorne hat, wird das wohl bei mir weiter zur Verwirrung führen.
Ebenfalls ein im Vergleich zur 6400 im wahrsten Sinne des Wortes riesiger Vorteil ist der neue große Akku, der gleiche wie in der A9. Der hält mehr als doppelt so lang.
Fast vergessen: Der Touchscreen ist jetzt erstmals wirklich als solcher zu gebrauchen, insbesondere kann man Schnelleinstellungen seitlich und von unten ins Bild wischen, was ein echter Vorteil ist.
Außerdem gibt es ein neues besser geordnetes Menüsystem, wobei ich lieber das alte unordentliche gehabt hätte, weil ich das auswendig kenne. Jetzt heißt es neu lernen, was allerdings aufgrund der logischeren Anordnung leicht fällt.
III. Anwendungsfälle
Portraits und Bilder von Bekannten, Familie usw.:
Hierfür ist die Kamera hervorragend geeignet, mit dem schnellen und genauen Fokus und der extrem guten Gesichts- und Augenerkennung kann ich ja eigentlich kaum was schief gehen.
Street Photography:
Hier wirkt sich die gute Menschenerkennung und der schnelle Fokus ebenfalls sehr positiv aus, wobei ich erst einen Versuch unternommen habe.
Der Nachteil ist, dass wegen des nicht allzu schnellen Sensors die lautlosen Aufnahmen doch öfter Verzerrungen oder bei Kunstlicht schwarze Streifen aufweisen.
Gegenüber der A6400 aber auf jeden Fall ein merklicher Fortschritt, gegenüber Kameras mit „stacked sensor“ (also z.B. A9) aber natürlich noch weit hinten an.
Tiere:
Die Kamera ist aufgrund des sehr guten Autofokussystems auch für Tierfotografie sehr gut geeignet.
Enttäuscht bin ich aber davon, dass die Objekterkennung weit entfernte Tiere und auch fliegende Vögel oft gar nicht erkennt und dass außerdem manchmal selbst wenn das Tier erkannt wird und ein Fokus auf dem Auge angezeigt wird trotzdem auf den Hintergrund fokussiert wird. Das letztere Problem hat die R7 aber in mindestens gleichem Maße.
Ich bin wie gesagt am überlegen, ob ich für die Vogelfotografie die Objekterkennung und damit das Hauptverkaufsargument für die Kamera einfach abstelle, weil die normalen 759 Fokuspunkte extrem gut dabei sind, das Objekt von dem Hintergrund zu trennen.
Aktuell habe ich Objekterkennung auf einen Knopf gelegt, um sie schnell ausschalten zu können.
Ein großer Vorteil gegenüber der a6400 ist die schnelle Schreibgeschwindigkeit auf SD Karten, wodurch man viel längere bursts des vorbeifliegenden Adlers schießen kann und die Kamera danach binnen 2-3 Sekunden wieder zur Verfügung steht.
IV. Gesamtfazit
Auch wenn die Kamera mit 1700 € doch deutlich teurer ist als damals die A6400, bereue ich den Kauf nicht.
Man muss aber auch sagen, dass es keine Bilder gibt, die man mit der A6400 nicht auch machen könnte. Aufgrund des besseren Autofokus dürfte die Trefferrate insgesamt aber doch moderat höher liegen, wobei der Fokus der 6400 ja auch schon sehr gut ist.
Die künstliche Intelligenz, wegen der ich in erster Linie die Kamera gekauft habe, ist insgesamt eher enttäuschend und sollte meines Erachtens nicht der wesentliche Grund für den Kauf sein.
Wenn man nach ein paar Tagen mit der 6700 wieder die 6400 in die Hand nimmt, kommt einem diese sowohl vom Anfassgefühl als auch von der Bedienung her doch ziemlich antiquiert vor.
Das Upgrade auf die 6700 ist also insgesamt eher ein Luxus als eine Notwendigkeit.
P.S.: Wenn mir noch etwas einfällt, werde ich dies hier gegebenenfalls noch ergänzen. Falls sinnentstellende Fehler vorkommen sollten: Den Text habe ich dem Programm Dragon NaturallySpeaking diktiert, die sind schuld.