AW: Leica M9 ???
Ich möchte noch einmal auf die Frage des To zurückkommen:
In einem früheren posting hatte ich bereits darauf hingewiesen, daß faktisch die Qualitätsunterschiede zwischen den guten Festbrennweiten im DSLR-Bereich (und NUR DIESER VERGLEICH IST FAIR) und den leica festbrennweiten sich zunehmend marginalisieren. Man mag das ignorieren, aber sowohl Labor- wie auch fotografische Ergebnisse (auch im Rahmen von Tests) zeigen das eindeutig.
Von mir aus kann man gerne noch zur Befriedung und um unnötige Diskussionen zu vermeiden, zugestehen, daß einige bestimmte Leicaobjektive vielleicht noch einen Tick besser sein können - ob das in einem Blindtest tatsächlich sichtbar wäre, wage ich stark zu bezweifeln.
Ich hatte daher bereits vor 1-2 Jahren einmal vorgeschlagen, große Ausdrucke des gleichen Motivs verschiedener Kameras anzufertigen und einen Doppelblindtest zu machen. So wie ihn bspw. Toningenieure beim Rundfunk zur Beurteilung von geräten machen.
So ein test wäre ENDLICH einmal etwas solides und spannendens - würde meiner Überzeugung nach allerdings vieles entmysthifizieren, was unnötig viel Raum in den täglichen Diskussionen hier einnimmt.
Es würde dann ein toller Effekt eintreten: Man würde wieder über BildINHALTE anstatt BildANFERTIGUNGEN diskutieren.
Was ist der Nutzen eines Meßsuchers?
Damals, als er eingeführt wurde, war es eine Hilfe zum Scharfstellen, nicht mehr. Das kann man heutzutage mit und ohne Sucher, Spiegel, sogar ganz ohne Visiereinrichtung, auch mit Bildschirm hinten wie bei der X1.
Also: Abgehakt.
Ein klarer Vorteil ist bei NICHT- statischen Motiven das mehr an Übersicht über die Szenerie, wo man sehen kann, ob bspw. eine Person in die Szene hineinläuft, sich eine bestimmte Gruppenkonstellation ergeben könnte.
Das sehe ich unumwunden als Vorteil an.
ABER DAS WAR ES DANN SCHON.
denn man erkauft es sich mit massiven Einschränkungen, welche den Vorteil stark infrage stellen:
Erstens wird das Mehr an Übersicht immer weniger, je kürzere Brennweiten man benutzt,
zweitens wird der sichtbare Inhalt des tatsächlichen Bildes immer weniger sichtbar, je größer die Brennweite ist. Bei 90mm schon verdammt klein.
drittens sieht man das Bild perspektivisch nicht als das, was es dann tatsächlich aussieht, wie man es andererseits jedoch jederzeit im SLR-Bereich sieht.
viertens hat man im gegensatz zur SLR VOR der Aufnahme keinerlei Kontrollmöglichkeit über das Ausmaß der Schärfentiefe, was ein klarer Nachteil ist. Dieser wird zwar angesichts der digitalen Technik und des Monitors abgeschwächt, aber keiner wird ehrlich behaupten wollen, daß man auf dem kleinen Monitor die Schärfentiefe gut beurteilen kann, ohne lange zu vergrößern und das Bild dann quasi abzuscannen, was einfach zuviel Zeit kostet und nun wirklich nicht gut praktikabel ist.
DAs Argument, das die M leiser ist als eine DSLR ist bereits widerlegt. Die leiseste digitale Kamera mit hoher Bildqualität auf dem Markt ist die D3 im silent-Modus und (leider) nicht mehr die M als digitale Variante.
DSLRs haben zusätzlich den Life-view-Modus, der nahezu geräuschlos ist. Da klappt kein Spiegel und man kann soviel extrem leise Fotos in serie machen, wie man möchte.
Die vielen Hilfsfunktionen, die die DSLR darüber hinaus noch bieten, möchte ich erst garnicht erwähnen. Nur als Beispiel: der vielbelachte "künstliche Horizont" ist nämlich garnicht so lächerlich, wenn man ab stativ Panoramaaufnahmen oder Architekturaufnahmen macht und so extrem schnell die Kamera 100%ig korrekt ohne weitere Hilfsmittel ausrichten kann.
Ich verzichte der zeit wegen auf die Erwähnung vieler anderer sinnvoller Funktionen der DSLRs.
Sehr kritisch wird aber die Entscheidung, wenn man - wie ich bereits schrieb - nicht eine M8/9 als zusätzliche "Spaßkamera" , DAZUKAUFEN möchte, sondern eine ENTWEDER/ODER -Entscheidung zu treffen ist. DA geht es fotografisch ans Eingemachte, weil massive Einschränkungen festbetoniert werden.
Die Größe der gehäuse ist ebenfalls eher zunehmend weniger ein wichtiges Kriterium. Sie war es bereits in den 70er Jahren nicht mehr, denn meine OM-2 mit 1,4/50er war weder lauter (dank Tuchverschluss) noch nennenswert schwerer oder größer als eine M mit gleicher Optik.
heutige Profikameras sind wieder größer, aber auch da ist eine gegenentwicklung zumindest im Amateurbereich zu bemerken, wie die Sony NEX-Kameras, die E1 etc zeigten. Es ist auch nur eine Frage der zeit, bis 35mm sensoren in kleinen Gehäusen käuflich sind.
Die Marktlage ist also bei NÜCHTERNER Betrachtung keineswegs "pro M8/9" .
Zudem jetzt eben bald mit der X100 eine Kamera kommt, die eine geradezu faszinierend geniale Kombination des Besten aus beiden Welten zusammenbringt, die bisher unmöglich erschien und zudem sehr ähnliche Maße hat.
Einziger (bisheriger) NAchteil ist die Festlegung auf eine Festbrennweite (35mm-Äquivalent bezogen auf 35mm-Vollformat) . Ich hoffe inständig, daß danach eine X200 mit Wechselsystem kommt, wenn nicht bereits bei der X100 die Chance dafür genutzt wird.
Ich PERSÖNLICH werde mir diese Kamera kaufen, denn ich verzichte nicht auf etwas, werde nicht eingeschränkt - ich fühle mich mit einer solchen Kamera technisch perfekt unterstützt.
Die vielgerühmte Einschränkung á la "it´s not a bug, it´s a feature" bei den M8/9 Kameras akzeptiere ich - jeder nach seiner Facon.
Aber man kann auch all das mächtige, in den DSLR schlummernde Potential ungenutzt lassen, indem man sie abschaltet bzw. auf "M" geht. Ist nur ein einziger Handgriff.
Es ist eine Frage der persönlichen "Philosophie" , über die man nicht diskutueren kann, weil es eben individuell ist.
Die Einen sagen halt, die extreme Beschränkung ist für sie befreiend, sie können sich so "auf das Wesentliche beschränken",WEIL sie keinen Zugriff auf weitere Funktionen haben.
Die Anderen sagen halt, daß GERADE DIE HILFE bei der exakten Gestaltung des Bildes DURCH die Zusatzfunktionen ihnen ..
"Tusch!" tataaaa !
.... ihnen helfen, "sich auf das Wesentliche zu beschränken" , nämlich nur die Bildgestaltung.
Das sind zwei völlig unterschiedliche Ansätze, die grundlegend inkongruent sind. Beides ist individuell "richtig" .
MIR PERSÖNLICH erscheint die erste Gruppe manchmal wie Leute, die sich ein Auto kaufen, welches nur über den ersten und zweiten Gang verfügt, damit sie in der Stadt nicht zu schnell fahren.
Weise Beschränkung wie bei der Meditation und meditativer Fotografie hat nicht mit verbot von Potential zu tun, sondern fängt IN DER PERSON (in diesem Fall des Fotografen) an, hat zunächst etwas mit freiwilliger Einschränkung und Disziplin und nicht mit Blockade von Optionen zu tun.
Es ist übrigens kein Zufall, daß die höchstentwickelten DSLRs ausgerechnet aus dem Land der hingebungsvollen Pflege der Zen-Kultur kommt.
Denn - in dem Fall kann man es ausnahmsweise einmal WIRKLICH als "Philosophie" bezeichnen - der Grundgedanke der INNEREN Perfektion führt zur ÄUSSEREN Perfektion in seinem Tun.
Und da zählt einzig das Ergebnis. Und keineswegs die Werkzeuge als solche.
Man kann nach Jahrzehnten intensivsten Trainings ein perfekter Schwertkämpfer sein. Egal, ob man nie mit etwas anderem als einem Holzschwert oder einem historischen Schwert übte. Die Ästhetik des Ergebnisses zählt einzig.
Und das sieht man eben in den Galerien. Egal, welche Kamera man nutzt.
Gruß
MF