AW: Leica M9
Dass diese Kameras eine kleine edle Nische darstellen, spiegelt sich im Preis, aber auch in der Qualität wieder.
Das spiegelt auch einfach den Standort der Produktion wieder.
Canon produziert zum Beispiel zu einem erheblichen Teil in Malaysia. Das dortige Durchschnittseinkommen liegt bei 300 Euro. Nikon hat stattdessen nach Thailand ausgelagert. Das dortige Durchschnittseinkommen liegt bei 190 Euro. In beiden Ländern spielen Nebenkosten für Sozialversicherungen, Umweltschutz etc. praktisch überhaupt keine Rolle.
Wenn man T-Shirts in Bangladesh produziert kosten die pro Stück 30 Cent und hier im Laden 10 Euro, und das ist sehr oft original Kinderarbeit. Der Monatslohn eines arbeitenden Kindes dort beträgt etwa 8 Euro. Ein T-Shirt aus deutscher Produktion (Trigema) kostet etwa 20 Euro.
Leica produziert in Nordhessen. Das deutsche Alleinverdiener-Durchschnittseinkommen liegt, wenn ich mich nicht irre, bei 1800 Euro netto. Der Arbeitgeber hat ebenso wie der Arbeitnehmer vorher schon in diverse Sozialkassen eine Menge Geld eingezahlt, ein Arbeitnehmer als Produktionsressource gerechnet kostet alles in allem 4-5000 Euro im Monat.
Ist eine in Kleinserie in Deutschland produzierte Leica nun billig oder teuer? Ist eine Nikon oder Canon, in riesigen Stückzahlen in Billiglohnländern produziert, nicht eigentlich völlig überteuert?
Früher waren alle technischen Geräte, aber auch Kleidung, einfach deshalb viel teurer, weil sie fast ausschließlich im Inland produziert worden. Ein paar Beispiele:
Für ein Brot mußte man 1960 etwa doppelt so lange arbeiten wie heute, für ein Stück Butter zehn mal länger, für Zucker sechs mal länger, und für ein Hühnchen sogar zwölf mal so lange wie heute - daß es heute gentechnisch veränderter Industriemüll ist, der auf unserem Teller landet, lassen wir mal außer Acht...
Im Jahr 1963 kostete eine Leica M3 mit Summicron 2/50 stolze 1080,00 DM, und mit der damals üblichen Preisbindung gab es keine Rabatte und keine Schnäppchen, sondern in jedem Laden denselben Preis.
Das Durchnittseinkommen eines Alleinstehenden damals betrug 1500 DM - pro Jahr!
Eine Leica mit Normalobjektiv war also ein absolutes Luxusgut, denn sie kostete 8,64 Monatslöhne, obwohl sie ein Bestseller war, der in riesigen Stückzahlen gebaut wurde (für damalige Verhältnisse atemberaubende 844.000 Stück).
Eine damit vergleichbare mechanische Leica MP mit 2/50er ist ein Nischenprodukt und kostet 5000 Euro, also etwa 2,7 Netto-Durchschnittslöhne.
Ich wage zu behaupten, daß die Leica-Preise vor allem deshalb hoch sind, weil die Jobs nicht nach Malaysia verlagert wurden, und weil sie in Kleinserien produziert werden.
Darüber kann man nun denken, was man will - ist Leica zu doof, und geht uns das überhaupt etwas an, wenn unsere billigen Studioblitzattrappen, Batteriegriffe, Filter und andere lebenswichtige Plagiate deshalb so billig sind, weil China auch mit deren Produktion die eigene Umwelt im Rekordtempo zerstört, das eigene Volk ausbeutet und von dem Erlös Waffen baut?
Ich bin da immer sehr zwiegespalten, nicht etwa, weil ich nichts davon verstehe, sondern weil ich selbst mit Firmen in Asien zu tun habe. Die Globalisierung kann, wenn man sie mit Anstand betreibt, ein Segen sein. Fast immer bleibt der Anstand jedoch draußen vor der Tür, und es wird immer nur versucht, immer noch billiger einzukaufen.
Das konnte man bei der Schuhproduktion sehen: von Deutschland ins Billiglohnland Italien, von dort ins noch billigere Spanien, und nun nach Fernost. Denkt einfach, wenn Ihr Euch mal wieder ein Paar schicke Sneaker kauft daran, daß der Vietnamese in der Nike-Fabrik für ein Paar 140 Euro teure "Nike Zoom Structure Triax+ 12 GTX" drei Monate arbeiten müßte... die Dinger kosten Nike in der Produktion etwa 3 Euro.