Photokina, erster Tag, am Leica Counter: "why should I buy a Monochrome?"
Bevor der Leica Mitarbeiter, der - ein klein wenig - rot anlief und erkennbar überlegte, was er nun sagen sollte, schoss es aus mir heraus (auf deutsch jetzt):
anfänglich reagierte ich genauso: was soll das? Nachdem ich etliche Bilder, und zwar im Print und auch größer als Postkartenformat, gesehen habe, halte ich diesen Schritt von Leica für mutig und wegweisend. Ich habe mir eingestehen müssen, dass SW zu einer eigenen Formensprache gefunden hat, die über Dekaden entstanden ist, eine Formensprache, die ihr eigenes Vokabular und ihre eigene Grammatik hat, die im Grunde sehr wesentlich von Plastizität lebt, von Kontrasten, Texturen - und zwar sowohl, wenn die Bilder vorher sorgsam komponiert wurden wie von der Maler/Architekten Fraktion à la Andreas Feininger oder aber von den Bildreportern (C-B, Capa und wie sie alle hießen). Klar, anfänglich war SW eine Krücke, es ging nicht anders, aber nicht eben zuletzt Leute wie Feininger waren stilbildend, insofern sie auf Farbe bewusst verzichtet haben mit der Begründung, sie gäben dann die Kontrolle ans Labor ab, und die somit die SW Sprache weiter und jene visuelle Codizes entwickelt haben, die uns heute auf Schritt und Tritt begegnen, wenn wir uns beispielsweise in der Leica Galerie auf der Photokina bewegen. Diese Ästhetik ist Teil, wohlgemerkt nur Teil, aber substantieller Teil der Fotografie und eng mit Leica, enger als mit jeder anderen Marke, verbunden.
Wie gesagt, diese Ästhetik ist zurückgeworfen auf bloße Kontraste und Mikrokontraste, Texturen usw. die letztlich jene Plastizität ergeben, die das Bild lebendig werden lässt, ihm den "trip factor" erschließt. Dieser Zusammenhang wurde mir schlagartig klar, als ich Bilder, größere Prints eben, der MM sah: eine unglaubliche Präsenz, Bilder, die einen geradewegs anspringen. Wer je unmittelbar vor einem der Selbstportraits von van Gogh oder dem Selbstbildnis Dürers in der Alten Pinakothek stand, wird wissen, was ich meine: jene Unmittelbarkeit, in deren Folge man sich nicht wundern würde, wenn diese Gestalt unvermittelt aus dem Bild treten und einen ansprechen würde, zumindest aber sich bewegen würde. Letztlich ist es das, was ich weiter oben mit dem "trip factor" meinte. Dieses Heraustreten des Motivs aus seiner eingefrorenen Wirklichkeit, zurück in die dynamische Wirklichkeit.
Diese Unmittelbarkeit erreicht die MM. Beim Leica Händler in Tübingen sah ich das Bild eines VW Käfers am Waldrand. Mir fiel auf, wie die Blätter der Bäume gleichsam im Wind rauschten. Diese Texturen waren so fein, so leicht so zart - das habe ich sonst noch nie gesehen. Auf der Photokina hatten sie Vergleichsfotos zw. MM und M9, wo einen diese Plastizität wieder ansprang: ein Setzkasten, in den man gleichsam geneigt war, etwas hineinzulegen.
Kurz: mich fasziniert diese Kamera mehr als alles Andere. Ich wünschte, ich hätte das nachfolgende Bild vom vorigen Sonntag mit der MM machen können: die Sandberge hätten jenen kristallinen Glanz gewonnen, den die einzelnen Sandkristalle als Schimmer einer Glasur gleich darüber gezogen hatten.
