Irgendwie habt Ihr ja alle recht, deshalb werde ich nochmal versuchen, zusammenfassend zu formulieren, worum es mir eigentlich ging:
Bereiche, die außerhalb der Helligkeitsabstufungen des RAW liegen, sind ausgefressen und nicht zu retten. Das hat nie jemand bestritten. Die zu klärende Frage war jedoch, ob Kameras für ihre normalen JPEGs die gesamte Dynamik des Sensors überhaupt nutzen.
Immerhin gibt es ja verschiedene Kontrasteinstellungen, was die Vermutung nahelegt, daß zumindest für die härteren Kontrasteinstellungen die Dynamik oben und unten beschnitten wird. Dann würde das RAW also so umgesetzt:
+--------------12 Bit RAW----------------------+
^^^+-^-------8 Bit JPEG/TIFF--------+^^^^^^
In diesem Fall gäbe es eine echte Überbelichtungsreserve in der RAW-Datei gegenüber der JPEG-Datei bzw. der Standardeinstellung des Konverters, und es könnten durch andere Einstellung des RAW-Konverters Details hervortreten, die in Standardeinstellung bzw. bei JPEG bereits in der Überstrahlung verschwunden waren.
Tatsächlich haben die Tests nun ergeben, daß dies nicht der Fall ist. Alle von uns untersuchten Kameras arbeiten so:
+---------------12 Bit RAW---------------------+
+---------------8 Bit JPEG/TIFF-----------------+
Die härteren und weicheren Kontrasteinstellungen (sowohl an der Kamera als auch im RAW-Konverter) werden nur durch Verbiegung der angewandten Gradationskurve (S-Kurve) bestimmt, so daß z. B. für die härtere Kontrasteinstellung die Mitten härter und die Lichter und Schatten weicher werden. Die Dynamik bleibt in jeden Fall erhalten.
Nein, aber wenn RAW zB 9 Blenden abdeckt, dann deckt jpg je nach Kontrasteinstellung 5-8 Blenden ab.
Das ist eben nicht so, auch wenn es auf den ersten Blick erstaunt. (Bis vor wenigen Tagen dachte ich das selber.) Wenn man die Histogramme von "harten" und "weichen" JPEGs vergleicht, erkennt man, daß - bei aller Verschiedenheit in der Mitte - die äußersten Randbereiche so gequetscht sind, daß selbst das härteste JPEG noch dieselben Lichter und Schatten aufweist wie das weichste (allerdings in groberer Abstufung).
Wieviel Dynamik in dem jpg drin ist hängt ausser vom Kontrast (stellt mal die Kamera auf Kontrast high und dann auf low...vergleicht die beiden Histogramme) natürlich auch davon ab wie der Hersteller das definiert hat...
Genau darum ging es in dem Test: Rausfinden, wie der Hersteller es definiert hat. Nun wissen wird, daß zumindest Canon und Nikon in den Modellen 350D, 20D und D70 es so definiert haben, daß keine Reserve bleibt.
Das Histogramm zeigt den Bereich, der im JPG landet - zumindest bei meiner D60. Und im RAW ist halt noch deutlich mehr Spielraum. Ergo nutzt die Kamera die Möglichkeiten nicht vollständig aus, wenn man sie in JPG betreibt.
Wenn Du recht hast, wäre es bei der D60 anders. Aber ehrlich gesagt, kann ich mir das nicht vorstellen. Bei den anderen Kameras zeigt die Kamera zwar auch das JPEG-Histogramm, aber da in allen JPEGs die volle Dynamik angewendet wird, kann man daran dennoch beurteilen, wann der Sensor überstrahlt.
Um jetzt nochmal auf die Ausgangsfrage zurückzukommen "besser über- oder unterbelichten". Die Antwort lautet "weder noch", denn sowohl über- als auch unterbelichtete Stellen sind unwiderruflich verloren! ABER: Wenn das Histogram eines Bildes nicht die volle breite von 4096 Abstufungen einnimmt, also noch "Luft" nach rechts (den helleren Bereich) hat, dann sollte man durch eine entsprechende Belichtungskorrektur das Histogramm innerhalb des 4096 Abstufung breiten Bereichs soweit nach rechts verschieben wie es geht, ohne daß es über den rechten Rand hinaus verschoben wird
Diesen Satz kann ich voll unterschreiben.