Ich habe den Thread nicht gelesen, sondern nur den ersten Post, solange bis ich "Fotodesignerin" gelesen habe. Danach wollte ich einfach nicht mehr weiter lesen? Warum? Weil ich einen Designstudiengang besuche und das allergrößte Problem von (in meinem Fall Industrie) Design derzeit ist, dass es von den meisten Menschen nicht ernst genommen wird. Warum? Weil Design leider kein geschützter Begriff wie Architekt ist und diejenigen die ernsthaft Design betreiben und auch darin ausgebildet wurden, seien es Industrie-, Mode-, oder auch Grafikdesigner, darunter leiden dass sich jeder Designer nennt, auch wenn er von der Materie 0 Ahnung hat. (Das ist nicht pauschalisierend gemeint und an niemanden hier gerichtet, sicher gibt es viele Leute die durch Selbststudium mehr gelernt haben als ein Ausgebildeter)
Grundsätzlich bin ich ja der Ansicht: wenn eine Berufsgruppe den Schutz ihrer Berufsbezeichnung braucht, dann ist was faul - denn dann scheint sie nicht allein mit der Qualität ihrer Arbeit überzeugen zu können.
So ein Schutz ist bei "sicherheitsrelevanten Berufen" sinnvoll - man sollte sich darauf verlassen können, daß ein "Arzt" ein Medizinstudium erfolgreich absolviert hat, auch wenn das nichts daran ändert, daß viele Ärzte Dinge tun, die von ihren Kollegen als haarsträubender Unfug angesehen werden. (In Berlin gab's vor ein paar Tagen gerade mal wieder so einen Fall.)
Die Architekten sind geschützt, die Ingenieure leiden nicht wirklich darunter, daß hier größere Liberalität herrscht.
Designer operieren weder Kranke noch können ihre Designs aufgrund mangelnder Statik einstürzen. Soll sich meinetwegen Designer nennen, wer sich Designer nennen will. Ich stelle seit über 30 Jahren immer wieder eines fest: die "Medien- und Bilderbranche" zeichnet sich durch eine ausgesprochen angenehme Eigenschaft aus - es kommt nicht auf irgendwelche Zettel oder Titel an, sondern auf das Produkt, auf die Leistung. Und das jeden Tag auf's neue wieder. Wie gut ich vorgestern war, interessiert heute niemanden.
Davon abgesehen habe ich in den letzten fünf Jahren wirklich
jeden Glauben an den Wert von Ausbildungsabschlüssen verloren...
Ich war in dieser Zeit vier Jahre als Produktionschef für eine Wochenzeitung (inklusive Hochglanz-Sonderausgaben) tätig. Also zuständig für die komplette Druckvorstufe zwischen Redaktion und Druckerei, bis zur Plattenreife.
Nun muß man dazu wissen, daß ich auf diesem Gebiet absoluter Autodidakt bin, mit ein paar Fortbildungen, die ich mir irgendwann gönnte, und "Adobe Certified Expert" und ähnlichem mehr. In der langjährigen Zusammenarbeit (gut 15 Jahre) mit Druckereien auf dem Gebiet Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, Plakate u.a. habe ich einen riesen Respekt vor "echten", gelernten Druckern bekommen. Leute, für die ein Millimeter eine unanständig unpräzise Maßeinheit ist, Leute, die ein bewundernswertes Qualitätsbewußtsein haben. Aber ich habe in diesen 15 Jahren eben auch selber sehr viel gelernt, und kann heute mit gestandenen Druckern problemlos auf Augenhöhe verhandeln. (Die wissen, was ich kann, ich weiß, was die können.)
Irgendwann tauchten dann die "Mediengestalter" auf.
Immerhin ein Ausbildungsberuf... Ein geregelter Ausbildungsberuf.
Wie wenig ein Mediengestalter (Print) nach drei Jahren Berufsausbildung und einem Jahr Berufsausübung weiß und kann, ist... unfassbar.
Ich weiß nicht, wie das angehen kann, ich weiß nur, daß es keine Ausnahmefälle sind, denn das gilt für 9 von 10 Mediengestaltern, mit denen ich beruflich zu tun hatte: die haben nach 3 Jahren Ausbildung deutlich weniger Ahnung von der Materie als ich sie nach 2 Jahren autodidaktischer Beschäftigung damit hatte. Die kann man teilweise nicht auf die einfachsten Aufgaben loslassen, die jeder halbwegs versierte Autodidakt in der Branche mit links erledigt...
Und leider kommen eben auf einen Ausgebildeten einige hundert Leute die sich einfach so nennen.(...)
Dass die Lösung nicht (mehr) im Schutz des Begriffes Design liegen kann, ist leider klar. Lediglich eine radikale Namensänderung könnte, so schwer sie auch durchzuführen ist, den Berufsstand aus der Krise führen. Dennoch, denkt bitte daran was ihr tut wenn ihr euch Designer nennt. Denn etwas grafische Gestaltung ist kein Design. Form folgt Funktion.
Nun aber mal ganz ehrlich...


Genau das ist etwas, das man
gerade den studierten Designern dann in der Praxis nicht so selten erstmal mühsam beibringen muß...
(Ok, das Beispiel zielt jetzt nicht auf die Designer, sondern auf die Architekten, aber es ist trotzdem exemplarisch:
Vor ein paar Jahren veröffentlichte das ZEIT-Magazin ein Interview mit einem bekannten, renommierten "Star-Architekten", Namen habe ich gnädigerweise längst wieder vergessen.
Der erzählte also viel blah und viel blubb über gute und schlechte Architektur, und auch über Licht in der Architektur, was ja an sich schon mal ein guter Ansatz ist, aber dann sagte er folgendes, aus der Erinnerung fast wörtlich zitiert:
"Ich ärgere mich jedesmal, wenn ich Mittelmeerraum unterwegs bin, Spanien, Italien, Griechenland - da machen die Zimmermädchen morgens alle Festerläden zu und ziehen auch noch die Vorhänge vor. Und machen so die Räume unerträglich dunkel, ich reiße dann anschließend sofort wieder alles auf und lasse das Licht ins Zimmer!"





Halten wir fest, daß ein italienisches Zimmermädchen mehr von Klimatechnik versteht als ein Super-Duper-Top-Architekt...


Warum wohl machen die das? Na, damit sich die relative Morgenkühle halbwegs im Zimmer hält, denn wenn man die Fenster nicht "verdunkelt", dann hat die mediterrane Mittagssonne bis nachmittags um fünf den Raum so aufgeheizt, daß man dann nicht mehr drin aufhalten mag...

(Denn es gibt nicht überall Klimaanlagen...)
Im Architekturstudium scheint man solche Banalitäten nicht zu lernen...
Ein befreundeter Architekt baute mal für eine kirchliche Organisation ein ganz simples Gebäude. Er fand es toll, das Dach (Walmdach) komplett mit Zinkplatten zu verkleiden. Seine Auftraggeber zunächst auch.
Das änderte sich, als sie von den Nachbarn eine einstweilige Verfügung zugestellt bekamen, die sie verpflichtete, kurzfristig das ganze Dach mit einer reflektionshemmenden Farbe streichen zu lassen.
Je nach Sonnenstand konnten sich die Nachbarn reih um nämlich nur noch mit dunkler Sonnenbrille in ihren Wohnungen aufhalten.
Weil ein gleißendes Sonnenlicht genau in ihre Fenster umgelenkt wurde...
Ich als Nicht-Architekt oder Nicht-Designer hätte nur gesagt: "Erstens sieht das Zinkblech nach zwei Jahren total gammelig aus, weil es mit der Zeit anläuft, und zweitens reflektiert das ganz schön die Sonne, bis es soweit ist. Das weiß doch sogar jeder Autofahrer, der von dem Zeugs genervt ist... Laß uns einfach Dachziegel nehmen, oder meinetwegen auch Teerpappe.")