@A-und-D: Nun, um das von dir als Ideal dargestellte Ziel zu erreichen, hätte man neben dem Datenschutz noch viele weitere Aspekte europaweit einheitlich regeln müssen, insbesondere wie Meinungs- und Informationsfreiheit sichergestellt werden können. Dass es da eine Einigung zwischen Deutschland, Großbritannien, Polen und Ungarn geben könnte – nur um mal vier Staaten als nicht ganz zufällig gewähltes Beispiel herauszugreifen –, halte ich auf absehbare Zeit für nicht vorstellbar.
Daher hat sich die EU – m. E. richtigerweise – auf den Datenschutz beschränkt und Öffnungsklauseln vorgesehen. Welche Probleme in zwischenstaatlicher Gesetzgebung da existieren könnten, erschließt sich mir aus deiner Äußerung nicht – ist aber vermutlich auch weit vom Thema weg, über das wir hier sprechen (denn hier geht es um Fotografie, nicht um internationalen Datenaustausch, auch wenn viele Fotografen natürlich das Internet nutzen; aber das sollte hier nicht der Gegenstand der Diskussion sein). Für uns hier in Deutschland gilt selbstverständlich das deutsche Recht in Bezug auf beispielsweise Meinungsäußerung, in England das englische. Und so wird auch weiterhin jemand in England beispielsweise den Holocaust leugnen dürfen.
Ich zitiere dazu mal aus dem Kommentar des Herrn Pötters zu Artikel 85 in Peter Gola (Hrsg.): Datenschutz-Grundverordnung VO (EU) 2016/679: DS-GVO, 1. Auflage, S. 759:
Der Ausgleich von Datenschutz und Meinungsfreiheit war im gesamten Reformprozess für viele Mitgliedstaaten, wie etwa Großbritannien, in denen die Meinungsfreiheit traditionell einen besonders hohen Stellenwert hat, ein zentraler Aspekt. Hier sollten keine harmonisierenden Vorgaben, insb. im Hinblick auf das Presse- und Medienrecht, durch die DS-GVO gesetzt werden.
Im weiteren weist Pötters darauf hin, dass der Artikel 85 DSGVO die Lockerung des Datenschutzes für bestimmte Zwecke gegenüber der bislang geltenden EU-Datenschutzrichtlinie (95/46/EG) audrücklich erweitert. In gleicher Weise äußern sich auch die beiden anderen Kommentare, in die ich eben geschaut habe, deren Autoren ich mir aber nicht gemerkt habe.
Ich hatte ja heute früh geschrieben, dass ich mir den Kommentar von Herrn Pötters mal im originalen Wortlaut anschauen wollte, um mich da nicht auf das Zitat aus dem Pentaxians-Forum, das ja selber eine Interpretation dieses Kommentars ist, zu verlassen.
Vorab: Ein mir wichtig erscheinender Aspekt zu dem Thema des Zusammenspiels verschiedener gesetzlicher Regulierungen, ist in Randziffer 4 (a.a.O., S. 760) zum Thema Pressefreiheit zu lesen:
Die uneingeschränkte Anwendung des Datenschutzrechts würde aber – insb. aufgrund des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt oder den zahlreichen Informationspflichten und Auskunftsrechten – die Tätigkeit einer freien Presse sehr stark einschränken. Es bedarf daher besonderer Regelungen, die einerseits die Pressefreiheit nicht in ihrem Wesensgehalt beeinträchtigen, andererseits aber auch das Recht auf Schutz personenbezogener Daten nur insofern einschränken, wie es die Meinungs- und Pressefreiheit erfordern.
Diese Grundüberlegung spielt nach Ansicht von Pötters auch bei den übrigen von der Öffnung profitierenden Bereiche (insbesondere, aber nicht ausschließlich: journalistische, wissenschaftliche, künstlerische und literarische Zwecke) eine Rolle. Ich zitiere hier nur die im Kontext dieser Diskussion relevanten Passagen des Kommentars zum künstlerischen Bereich (a.a.O., S. 761):
Künstlerische … Zwecke sind, da Art. 85 dem Ausgleich von Freiheitsrechten und Datenschutz dient, im Lichte von Art. 13 S. 1 GRCh [Ergänzung von mir: Charta der Grundrechte der Europäischen Union ("Kunst und Forschung sind frei.")] auszulegen. Sachlich umfasst die Kunstfreiheit den Werk- und Wirkbereich. Persönlich geschützt sind alle Kunstschaffenden sowie diejenigen, die das Kunstwerk der Öffentlichkeit zugänglich machen. [Ergänzung von mir: Pötters verweist hier auf die einschlägigen Kommentare zur Charta der Grundrechte.] Ebenso wie bei der Verarbeitung zu journalistischen Zwecken gilt einschränkend, dass gerade der Umgang mit den Daten der künstlerischen … Tätigkeit unterfallen muss. Dies ist etwa bei den personenbezogenen Daten einer fotografierten Person … der Fall, nicht aber bei Daten von Käufern eines Kunstwerks …
Die Mitgliedstaaten haben, so Pötters, nicht etwa die Option, entsprechende Regeln zu erlassen, sondern sind nach Artikel 85 Absatz 2 sogar dazu verpflichtet. Wie die Regeln aussehen, wird wie eingangs erläutert nicht festgelegt, aber die Pflicht, tätig zu werden, besteht.
Im weiteren Verlauf werden spezielle Regelungen einiger Gesetze vor allem im Umfeld des Medienrechts angesprochen. Für die angesprochenen Gesetze schließt Pötters (a.a.O., S. 763):
Die genannten nationalen Regelungen können auf Grundlage von Art. 85 DS-GVO grds. beibehalten werden; eine Erweiterung oder Anpassung ist nicht zwingend [Ergänzung von mir: mit Verweis auf einen Artikel von Albrecht und Janson in der Zeitschrift CR], aber möglich.
Das KUG wird hier nicht ausdrücklich angesprochen, so dass man hinterfragen kann, ob für dieses die gleiche Schlussfolgerung gilt. Da das KUG für den künstlerischen Bereich in ähnlicher Weise Ausnahmen vom Datenschutz erlaubt wie das Presserecht für den journalistischen Bereich oder das Telemediengesetz für die Medien, würde ich folgern wollen, dass auch dieses Gesetz "grds. beibehalten werden" kann. Es mag sein, dass ich mich irre; daher wäre ich bei einer abweichenden Meinung an einer Argumentation interessiert, warum ausgerechnet das KUG seine Gültigkeit verlieren sollte.
Wie oben geschrieben, habe ich mir noch zwei weitere Kommentare zur DSGVO angeschaut (ohne mir die Autoren zu merken und Zitate herauszuschreiben). Beide argumentieren ganz ähnlich. Insofern stellt sich mir bei der Einschätzung des hier ganz zu Beginn zitierten Anwalts die Frage, ob er sich ebenfalls auf juristischen Fachliteratur bezieht, die hier eine abweichende Meinung vertritt (dann wäre es interessant zu wissen, welche das ist), oder ob dies seine eigene Auffassung ist, die er meint, aus der DSGVO direkt ablesen zu können.
@acahaya: Wenn ein Landesdatenschutzbeauftragter antwortet, ist das sehr nett von ihm. Eigentlich aber hat er mit der Sache nichts zu tun. Wenn Ihr Mails schreiben wollt, wäre es sinnvoller, diese an die Bundesdatenschutzbeauftragte zu senden.