Auf eine fixe Fläche (zB 100mm²) betrachtet, ist die Photonenanzahl auf dem Crop nicht höher
Richtig! Bei gleicher
Belichtung, also gleicher Motivhelligkeit, Blende und Verschlusszeit kommt auf jedem Flächenstück des Sensors
im Mittel gleich viel Energie (= Photonen) an, völlig egal, wie groß der Sensor ist. Über den gesamten Sensor betrachtet sind es dann natürlich um so mehr, je größer das Sensor ist.
Aber es kommt nicht primär auf die Anzahl der Photonen an, sondern auf die Abweichungen von einem Pixel zum nächsten. Und deshalb spinne ich das Regentropfenmodell noch ein bisschen weiter:
Analog zu der fotografierten gleichmäßig grauen Fläche könntest Du Dir einfach "Dauerregen" vorstellen: Auf jeden m² Deines Gartens fällt im Mittel gleich viel Regen. Und jetzt stellst Du einen großen und einen kleinen Tisch in den Garten, auf dem kleinen 100 Schnapsgläser á 2cl, auf dem großen 100 Wassergläser á 20cl. Und nehmen wir an, dass die Öffnungsfläche der Wassergläser gerade 10x so groß ist wie die der Schnapsgläser. Und die Regentropfen seien alle exakt gleich groß und schwer.
Die Schnapsgläser "fangen" nur 1/10 der Regentropfen wie die Wassergläser, fassen aber auch nur 1/10. Eigentlich müssten sie also alle gleichzeitig voll sein. Aber bei vollen Gläsern (=ausreichende belichtung) haben wir ja auch kein Problem. Wir gucken uns stattdessen an, was bei nur wenigen Regentropfen passiert, also bei geringer Belichtung. Die Wassergläser wurden z.B. im Mittel von 100 Tropfen getroffen. Natürlich nicht alle exakt von 100, sondern einige von 110, einige von 89, einige von 99 usw. Es gibt eine Streuung um den Mittelwert 100, und das ist das "Regentropfenrauschen" (=Photonenrauschen). Die Schnapsgläser wurden im Mittel von 10 Tropfen getroffen, aber hier streut es (relativ, also "in %") viel stärker: Einige wurden 7x getroffen, andere 12x usw.
Also schon die tatsächliche Anzahl an Regentropfen streut, und das ist vollkommen unvermeidbar. Übrigens ist die absolute Streuung (also in der Zahl Regentropfen) proportional zur Wurzel aus dem Mittelwert. Bei 100 Tropfen wäre die Streuung z.B. 10, bei 10 Tropfen wäre sie 3,16. Relativ gesehen ist die Streuung bei 10 Tropfen also 3x so groß.
Aber diese tatsächliche Anzahl muss jetzt noch gemessen werden, und dabei macht man weitere Fehler. Man könnte z.B. auf die Idee kommen, jedes Glas auf eine Waage zu stellen, das Gewicht des Glases abzuziehen und daraus die Wassermenge zu bestimmen. Genau wie man das von Personenwaagen kennt, misst jede Waage um so ungenauer, je geringer die zu messende Masse ist. Die Menge in einem vollen Glas (die ohnehin weniger "Tropfenrauschen" enthält) kann also genauer gemessen werden als in einem fast leeren. Und natürlich muss man für die Schnapsgläser eine Waage mit einem kleineren Messbereich benutzen als für die Wassergläser, und sie muss in Gramm 10x so genau messen können. Und schließlich wiegen die leeren Gläser nicht alle exakt gleich viel, und auch da müssen sie Schnapsgläser 10x so präzise gefertigt sein (wieder in Gramm), damit der relative Messfehler nicht allein schon dadurch größer wird.
Nach dieser Übung hätte man also "Messwerte" von z.B. 112,3 oder 92,6 oder 102,4 Tropfen für die Wassergläser und 13,62 oder 8,462 Tropfen für die Schnapsgläser. Die Nachkommastellen sind Absicht: Wir müssen die Schnapsgläser 10x so genau messen, um einen gleichen relativen Messfehler zu erhalten. Aber die dort gefundenen Werte sind natürlich Quatsch, es gibt nur ganze Tropfen.
Und jetzt könnte man die Messwerte in z.B. Grauwerte übersetzen. Der Mittelwert sei meinetwegen 18%-Grau, Werte darüber sind heller, darunter dunkler. Und mit diesen Grauwerten füllt man 2 gleich große 10x10-Karopapiere und betrachtet die aus gleicher Entfernung. Das Karopapier von den Schnapsgläsern sieht viel unruhiger aus als das andere, es rauscht mehr, obwohl doch beide ein Abbild des "gleichen Regens" oder der gleichen gleichmäßig grauen Fläche waren. Und das, obwohl bei den Schnapsgläsern mehr Aufwand (genauere Waage, genauer gefertigte Gläser) betrieben wurde.
Gruß, Matthias