AW: Canon Powershot G10 | Da sind die 28mm!
Ich habe mich in Ihrem Forum angemeldet, weil ich auf der Suche nach Statements zur Canon Powershot G10 war. Da fand ich Ihre Diskussion zum Thema recht interessant. Unterdessen habe ich mir selbst die G10 zugelegt und möchte meine eigenen ersten Erfahrungen und Überlegungen loswerden. Ich hoffe, ich langweile nicht, wenn ich ein bisschen aushole.
Ich war in meinem "früheren Leben" 30 Jahre Berufsfotograf. Dabei war mein Schwerpunkt neben der Portraitarbeit die Produkt- und Werbefotografie. Die Suche nach Qualität und Perfektion stand immer an erster Stelle. Folglich habe ich mit jedem Equipment, bevor ich es praktisch nutzte, umfangreiche Tests durchgeführt. Ergebnis: Perfektion gibt es nicht. Möglich ist nur der ideale Kompromiss und eine ganze Latte von bewußten Einschränkungen, um diesem nahe zu kommen.
Allein um die Leistung eines hochgelobten Objektivs wirklich auszunutzen, war es nötig, dieses unter Laborbedingungen zu testen. Der Spiegelschlag einer Reflexkamera erschüttert dermaßen, daß ein Großteil der möglichen Leistung eines Objektivs schon vergeben wird. Der Verschlußablauf - sofern es sich um einen Schlitzverschluß handelt, senkt nochmals durch seine Erschütterung die mögliche Qualität. Die wirkliche Leistung eines Objektivs kann daher nur getestet werden, wenn im dunklen Raum der Verschluß geöffnet wird und dann mit Blitz die Belichtung vorgenommen wird.
Doch auch dann hängt der Erfolg bei der Jagd nach Spitzenleistung von vielen anderen Dingen ab. Denn bei jedem Objektiv gibt es eine "ideale Blende". Das heißt, jedes Objektiv hat eine Blende, bei der die optimale Qualität zutage tritt. Blendet man das Objektiv stärker ab, gibt es Beugungsunschärfen, öffnet man es weiter, resultieren Überstrahlungen.
Zudem ist jedes Objektiv auf einen bestimmten Abbildungsmaßstab optimiert. Bei den Feld- Wald- und Wiesenobjektiven ist das eine Entfernung von 3-5 Metern. Bei näheren Motiven sinkt die Leistung ebenso, wie bei entfernteren.
Auch Abblenden hilft da nicht viel. Sie erhalten zwar durch Abblenden eine gedehntere "Tiefenschärfe", erkaufen sich das aber durch die Verbreiterung der Punktschärfe zu sogenannten "Zerstreuungsscheibchen". Auch wieder eine Entfernung vom Ideal.
Schließlich - und das ist besonders frustrierend - ist da noch die Auflösung. Diese ist bei Objektiven für den vorgesehenen Bildkreis berechnet. Je größer der Bildkreis (sprich: das Aufnahmeformat), desto geringer ist die Auflösung, weil damit gerechnet wird, daß das Negativ ja umso weniger vergrößert wird. Es nutzt also wenig, z.B. Objektive für das Vollformat in APS-C einzusetzen. Man erhält weniger Leistung, als ein für APS-C optimiertes Objektiv zu leisten imstande wäre.
Das Übelste, was es gibt, sind Zoom-Objektive. Allein durch die vielen Glas-Luft-Flächen wird schon viel Leistung zunichte gemacht. Eine optimale Leistung ist nur bei einer bestimmten Brennweite möglich. Was darunter oder darüber ist, wird flauer und unschärfer. Aber es ist für den Anwender bequem.
Je kleiner die Filmfläche (oder der Sensor), umso leistungsfähiger muß das Objektiv sein. Heute scheint es mir, als wäre die Leistung einer Kamera eher durch die Optik begrenzt, als durch die Speicherfähigkeit der Sensoren. Diese physikalische Leistungsgrenze ist aber kaum zu überwinden.
Vor diesem Hintergrund ist jede moderne Kompaktkamera zu sehen. Die G10 ist ein regelrechtes Wunder! Auf einem Sensorchen von 5,6x7,6 mm 14,7 Millionen Bildpunkte unterzubringen - die auch genutzt werden können! - ist eine unglaubliche Ingenieursleistung von Canon, die die größte Bewunderung verdient. Ich fotografierte bislang mit einer EOS 30D. Ich habe Testaufnahmen der G10 mit der 30D verglichen und zu meinem Erstaunen festgestellt, daß die G10 meine 30D um Längen schlägt. Allein schon das riesige Bild von 4416x3312 Pixeln, das kaum einmal ausgenutzt wird, ist der 30D haushoch überlegen. Und die Qualität dieses winzigen Objektivchens ist dem IF-S 17-85 an der 30D mehr als ebenbürtig. Es ist eben ein Unterschied, ob man ein beliebiges Objektiv anflanschen kann, oder ein optimiertes Objektiv fest angebaut hat.
Wenn irgendein Knipser die G10 benutzt, wird er subjektiv sicher sehr zufrieden sein, und er kann sich in einem gewissen Prestige sonnen. Doch das ist ja kaum die angepeilte Zielgruppe. Die Zielgruppe sind zweifellos Fotografen, die einerseits eine Superqualität fordern, andererseits genervt sind von kompakten Lösungen, die bei jeder Einstellung ein Gehangel durch Menüs erfordern, die einem den letzten Rest der Spontaneität rauben. Das ist mit den intuitiv zu bediendenden Einstellrädern der G10 meines Erachtens erstklassig gelungen.
Wer mehr Fotograf ist als Amateur, der wird sich sicher an das Optimum erzielbarer Leistung bei der G10 halten. Nach meinen ersten Tests, die ich durchgeführt habe, nachdem ich einige Testberichte gelesen habe, ergibt sich folgendes Bild zur Erzielung erstklassiger Resultate:
1) Die optimale Blende ist die offene Blende. Weiteres Abblenden erzeugt zwar mehr Tiefenschärfe, aber weitaus mehr Beugungsunschärfen. Das ist der kurzen Brennweite zuzuschreiben. Sehr kurze Brennweiten tendieren allgemein zu höherer Leistung bei geringer Blendenzahl.
2) Das winzige Sensorchen will hoffiert werden. Die Einstellung auf 80 oder 100 ISO bringt die besten Resultate. Geht man höher, ist eine Nachbearbeitung unumgänglich. Ich würde Noise auch schon bei 100 ISO nachbearbeiten. Um der Gerechtigkeit willen sei aber erwähnt, daß man eigentlich sehr selten 400 oder 800 ISO benutzt und dann fordert, dieses Bild solle in Originalgröße ausgedruckt werden. Die Originalgröße (errechnet aus der Sensorauflösung und einer Vorgabe von 300 dpi für den Druck ergibt immerhin 28x38 cm) ist dermaßen überdimensioniert, daß man sie in der Praxis kaum nutzt.
3) Will man alles herausholen aus dem Gerät, stellt man auf "AV", offene Blende, 80 oder 100 ISO und kann gewiss sein, höherwertige Bilder als mit einer 30D zu erzeugen.
Zusammengefaßt läßt sich sagen: Die Canon-Ingenieure haben ein wahres Wunderwerk erfunden. Wer unkundig ist, kommt naiv toll zurecht. Wer kundig ist, kitzelt aus diesem Maschinchen mehr heraus, als es für den Druck in Publikationen oder Bildbänden bedarf. ich würde mir wünschen, es gäbe irgendwann eine Parallel-Entwicklung, die mehr auf den Profi einginge. Das würde bedeuten, daß die Kamera größer würde und einen größeren Sensor eingebaut hätte. Dann dürfte sie auch ruhig 1000 EUR kosten. Aber solange wir das nicht haben, ist dieses Maschinchen das Unglaublichste, was es auf dem Markt gibt.
Zu den Bildern der französischen Kirche, die hier als Streitobkjekt kursierten: Diese Bilder sind zweifellos bei höherer ISO-Zahl als 100 aufgenommen und nachbearbeitet worden. Noise wird schnell zu Glätte weggebügelt. Das habe ich in eigenen Versuchen nachvollziehen können. Die Dachschindeln, die man nicht mehr sehen konnte, sind ein typisches Beispiel für aggresive Nachbearbeitung. Wenn Sie sich auf 100 ISO beschränken, haben Sie nicht diese Probleme.