Um auf die Eingangsfrage zurückzukommen, so kann ich ebenfalls nur schreiben:
Es ist ein erstklassiges HILFSMITTEL, um rein technische (!) Aspekte des Bildes zügig einer Überprüfung zu hinterziehen.
Es ist sehr bequem, weil ich nicht mehr mit der Dialupe auf dem Leuchtisch herumfuchteln muss und ich bei größeren, zur Auswahl stehenden Bildermengen viel besser die Übersicht behalten kann.
KEINER wäre damals auf die Idee gekommen, zu fragen: "Dialupe/Diaprojektor: Fluch oder Segen?"
Aus dieser Sicht also die 100% Ansicht ein klarer Segen.
Ebenso, wie man - trotz anderslautenden Behauptungen - in der digitalen Ära eher mal wieder rasch erneut alte Bilder "hervorkramen" kann als in der Ära der Dia- oder negativfotografie ! (Soviel dazu, daß wir angeblich dadurch "unser Gedächtnis verlieren" - Unfug. Es ist genau umgekehrt)
wer die 100% Ansicht als Fluch empfindet, hat aus verschiedenartigsten Gründen ein Problem, souverän mit technischen Möglichkeiten umzugehen.
Und verwechselt eventuell rein formale, technische Aspekte mit einer Bildaussage bzw. (im Idealfall) dem künstlerischen (!) Gelingen eines Fotos.
Wahre Künstler BEHERRSCHEN AUCH DIE TECHNIK, derer sie sich für ihre Projekte bedienen. Das ist der HANDWERKLICHE ASPEKT der Kunst!
DAS ist das Ziel, welchem ich irgendwann einmal möglichst nahe kommen möchte - und andere Amateure sicherlich auch.
Für mich hat der Umgang mit guter Technik drei Stufen:
1. Ich versuche, die von mir zunächst einfach nur gekaufte Technik auch zu verstehen und meine Handhabung so zu routinieren, daß ich die heutzutage angebotene Technik (egal, ob Kamera oder Bildbetrachtung/-Verarbeitung)
zunehmend intuitiv, also ohne nachdenken zu müssen, voll(!) ausnutzen kann.
2. Ich versuche, mein "Sehen" stets zu schulen und meine Bildgestaltung ständig zu verbessern.
( Die Reihenfolge 1-2 ist KEINE hierrachische, sondern nur eine Aufzählung)
Um hoffentlich einmal ...
3. ungefähr dort anzukommen, wo meine Interpretation von Stimmungen, identifizieren und erspüren von Situationen und vielleicht sogar einmal Umsetzen von künstlerischen Ideen DURCH DIE SOLIDE, HANDWERKLICHE NUTZUNG DER TECHNIK zu einem gelungenen Bild werden.
Denn einzig Punkt 3 ist das, was ich unter dauerhaft lohnenswerter Fotografie verstehe.
Wir können viel mehr zeit mit Fotografie verbringen, weil man nicht mehr eine ganze Nacht im Fotolabor verbringen muss, um EINEN (!) gelungenen Abzug zu bekommen. Ist doch schön!
Jeder kennt von sich selber jene mehr oder weniger seltenen Fotos, die er/sie machte und die gut sind, weil sie fotografisch ausdrucksvoll sind.
Oftmals sind es technisch unvollkommene, manchmal aber auch zusätzlich technisch gelungene.
Ich habe mittlerweile gelegentlich versucht, einige mit mäßigem Equipment gelungene, technisch unvollkommene Bilder mit Top-Equipment erneut - dieses Mal halt auch rein technisch gut - umzusetzen.
Das eine oder andere Mal ist mir das sogar wirklich gelungen.
Die technischen Fortschritte (eben auch die leichte 100% Ansicht) haben es mir das erfreulicherweise wesentlich erleichtert. Und: Ich und die Betrachter erfreuen sich nun an einer rein technisch besseren Umsetzung.
Nicht mehr. Aber eben auch nicht weniger!
Man sollte sich technische Möglichkeiten weder zum Selbstzweck noch zur "künstlerischen Bedrohung" hochstilisieren (lassen) .
Ein Extrem-Beispiel, um das zu verdeutlichen:
In der Musikwiedergabe gibt es Leute, die nur Testplatten ihr Eigen nennen, aber eigentlich keine MUSIK hören und superteure Anlagen haben.
Dann gibt es MUSIKINTERESSIERTE, die in Musik versinken und sie "lieben und leben" - aber nur ein Kofferradio haben.
Und es gibt Profis (z.B. Tonmeister, aber auch Künstler) und auch beneidenswerte Amateure, die in der Lage sind, über perfekte Abhöranlagen ihr tiefes Musikverständnis ZUSÄTZLICH in ein (vielleicht noch stärker) faszinierendes Erleben umzusetzen.
Entgegen vielerorts geäusserter Vorurteile wird die Perfektion der Wiedergabe das Erleben nicht schmälern, sondern optimieren - solange es um Musik geht und nicht um Test-CDs.
Und genauso ist es beim Fotografieren.
Die Musik ist noch genauso göttlich, wie über das Kofferradio - aber mit einem Studiomonitor in einem gutem Abhörraum kommt man ihr evtl. noch ein wenig näher.
Wenn man das nicht aus den Augen verliert, dann ergibt sich fast schon wie von selbst ein lockerer, entspannter, souveräner Umgang mit der Technik der fotografischen Produktionskette, wie er für KÜNSTLERISCH gelungene, fesselnde Bilder förderlich ist.
So einfach ist das eigentlich... finde ich.
Gruß
MF