Frank Schäfer schrieb:
Bei der ganzen IMO viel zu emotional geführten Diskussion geht es doch um mehrere zu unterscheidende Fälle. Auch eine klare Trennung der Begriffe "Schärfentiefe" und "Freistellung" tut not! Ein Objektiv, welches eine minimale Schärfentiefe erzeugt muss noch nicht optimal freistellen und umgekehrt.
1a.: Wenn es nur um eine ultradünne Schärfeebene geht, so zählen maximal geöffnete Blende und möglichst großer Abbildungsmaßstab.
1b.: Wenn es um eine ultradünne Schärfeebene bei festgesetztem Portrait-Abbildungsmaßstab (z.B. 1:20) geht, so zählt die pure Anfangsöffnung.
2.: Wenn es um "Freistellung" innerhalb unmittelbarer Bereiche des Hauptmotivs geht, dann zählt maximale Lichtstärke bei großem Abbildungsmaßstab und *möglichst kurzer* Brennweite.
3.: Wenn es um maximale Freistellung eines in unendlich liegenden Hintergrundes vor einem in konstantem Abbildungsmaßstab abgebildeten Motiv geht, so zählt maximale Lichtstärke bei möglichst langer Brennweite.
In den drei Disziplinen gibt es dann jeweils unterschiedliche "Optimalobjektive". Gehen wir diese Optiken im Canon-Sortiment durch, so ergibt sich folgendes:
Disziplin 1a wird bei "unbewaffneten Objektiven" an ihren jeweiligen Naheinstellgrenzen und Offenblenden vom 135/2 gewonnen (4,5 mm Schärfebereich an KB-Format), knapp gefolgt vom 300/4.0IS (4,8 mm), dem 100-400/3.5-5.6IS (5,3 mm), 35/1.4 (5,4 mm) und dem 50/1.4 (6 mm). Mit geringem Abstand folgen dann fast gleichauf 24/1.4, 85/1.2, 85/1.8, 100/2.0, 200/2.8 und das 400/2.8IS (alle um 8,2-9 mm). Erstaunlicherweise weit abgeschlagen wegen der weiteren Nahgrenze liegen das 200/1.8 (15 mm) und dann das 50/1.0 (20 mm Schärfebereich). Wenn wir noch Nahlinsen hinzunähmen, so würde sich das Bild nochmals wandeln und den längeren Brennweiten mehr Vorsprung verschaffen, Spitzenreiter dürften jetzt das 300/4L-IS und das 100-400/3.5-5.6 L-IS mit der 500D-Nahlinse werden.
Disziplin 1b: Wer Spaß hat, mag es ja nochmal an festen Abbildungsmaßstäben (z.B. 1:20) erneut durchrechnen, das Ergebnis ist aber leicht vorhersehbar: jetzt geht es rein nach der Blendenreihe und das 50/1.0 muss vor f/1.2er, f/1.4er, etc.-Linsen der Sieger sein.
Disziplin 2 wird an den jeweiligen Nahgrenzen und unter Annahme eines Freistellungsgrades von z=0,5 mm in gleicher Reihenfolge wie bei Disziplin 1 beendet, bei konstantem Abbildungsmaßstab 1:20 (Portrait) und wiederum z=0,5 mm gewinnt dann das 50/1 vor 85/1.2, 50/1.4, 35/1.4, 85/1.8 und 200/1.8. Schlußlichter sind nun 24/1.4, 100/2.0, 135/2.0 und mit etwas zusätzlicher Distanz dann das 200/2.8. Die lichtstarken Teleobjektive fallen hier gegenüber den kurzen Brennweiten zurück.
Disziplin 3 wird von den professionellen Sport- und Vogelfotografen gewonnen: 600/4, 400/2.8 liegen vorn, danach 200/1.8, 500/4, 300/2.8 und 400/4. In der Edelamateurklasse tummeln sich nun nahezu gleichberechtigt 300/4, 200/2.8, 400/5.6, 135/2. Das 85/1.2 reiht sich ebenfalls hier ein. Als weitere folgen dann 200/4.0, 100/2.0, 50/1.0, 85/1.8, 50/1.4, 50/1.8 und 35/1.4. Das 24/1.4 liegt hier gar hinter mittelguten (z.B. f/3.5-4.5) Standardzoomobjektiven oder Superzooms, die an ihrem langen Ende betrieben werden.