Zur Zeit ist es ja so, dass die Kompakten immer mehr "lernen", den Bildinhalt zu analysieren. Gesichtserkennung bis in abstruse Funktionsweisen ("Upload" von Fotos von Familienmitgliedern, und dann "wiederfinden" dieser in großen Personenmengen

).
Das wird über die Zeit natürlich helfen, die Automatiken zu verbessern, und damit wird wohl vor allem das Hauptproblem - der automatische Weissabgleich - irgendwann wenigstens halbwegs gelöst dadurch, dass die Kameras wesentlich zuverlässiger als heute erkennen, was da wann eigentlich wie fotografiert wird.
Belichtungsmessung und Belichtungsautomatik haben nicht unbedingt etwas miteinander zu tun. Sowohl bei manueller Belichtung (M) wie in den diversen Halb- und Voll-Automatikmodi (Av, Tv, P, Motivprogramme) erfolgt erst einmal eine Belichtungsmessung. Die erste Aufgabe bei der Kameraentwicklung ist es, daß diese einen brauchbaren Meßwert liefert.
Im manuellen Modus (M) wird dieser für die Belichtungswaage verwendet:
Lichtwert + ISO - Blende - Belichtungszeit ==>>> angezeigte Belichtungsdifferenz
In den Automatikmodi wird dieser zur Steuerung von nicht festgelegten Belichtungsgrößen verwendet.
Lichtwert + ISO - Blende - Belichtungszeit == gewünschte Belichtungsdifferenz
Wie man sieht, profitiert von einer genaueren Belichtungsmessung sowohl die manuelle Belichtung mittels Belichtungswaage wie auch alle Automatikmodi.
Hier sehe ich ein tiefes schwarzes Loch in der Entwicklung der Belichtungssteuerung von DSLRs. Kompakte Kameras versuchen wirklich immer besser zu erraten, was die wichtigen Bildinhalte sind und diese belichten sie mittlerweile erschreckend(!) genau. In den gleichen Situationen liegen selbst Profi-DSLRs mit hoher Präzision daneben und erzeugen Ausschuß.
Selbst im manuellen Modus merkt man riesige Unterschiede in schwierigen Situationen. Eine Knipse aus dem Jahr 2004 (Casio QV-R 41) zeigt ein aussagekräftiges und brauchbares Histogramm an, wo eine Canon 1DsII aus dem Jahr 2007 eine Lichtwaage anno 1965 anzeigt.
Der Hinweis, daß DSLRs eher von Leuten benutzt werden, die keine Vollblutanfänger sind, ist noch lange kein Grund, an vielen Stellen dem Anwender Steinzeittechnik anzubieten, wo es seit 5 Jahren schon Technik aus der Bronzezeit gibt.
Der zweite Kritikpunkt heutige Belichtungssteuerungen bezieht sich auf die Flexiblität der Verteilung der gemessenen Lichtmenge auf Blende, Belichtungszeit und ISO-Einstellung. Av und Tv sind für viele Zwecke zwar brauchbar, sobald man es aber mit stark wechselnden Lichtverhältnissen und/oder Brennweiten zu tun hat, merkt man auch hier schnell, daß das Steinzeittechnik ist. Bronzezeit wären komplexere Steuerkurven mit 2 bis 4 Steuerparametern), moderne Neuzeittechnik wäre eine Mischung aus vorgefertigten, aber konfigurierbaren Belichtungsprogrammen und aus selbst "programmierbaren" Belichtungskurven. Programmierbar kann hier von Java-Programmen bis zusammenklickbaren Kurven mittels einfach zu bedienender GUIs an Hand früher gemachter Aufnahmen sein.
Schlussendlich gibt es aber immer Grenzen. Wenn ich eine vornehmlich einfarbig "blaue" Fläche ablichte - ja woher soll die Automatik denn in Gottes Namen wissen, ob man nun ein weisses Brett in der blauen Stunde fotografiert, oder ein blaues Brett zur Mittagszeit, und woher soll sie vor allem wissen, ob man jetzt ein weisses Brett zur Blauen Stunde dann bitte auch in BLAU auf dem Bild haben will
Einige Kompakte schaffen das mittlerweile. Sonnenuntergang mit der Kompakten: fast perfektes Bild aus der Kamera. Sonnenuntergang aus der DSLR: fast unbrauchbares Bild mit Überbelichtungen, falschen Weißabgleich und kraftlosen Farben.
Da sind der Automatik dann schon einfach logische Grenzen gesetzt, denn sie mag den Bildinhalt in Grenzen verstehen können, und auch ein "Standardbild" erzeugen können - aber das sie auch noch erraten kann, ob man jetzt absichtlich einen falschen WB haben will, oder eine "zu kleine Schärfentiefe", das wird wohl nix.
Automatiken kranken im wesentlichen an einer unterlassenen Weiterentwicklung. Gemeine Frage: Wo kann ich an einer Kamera einstellen, ob ich
- genau Blende 2,8 haben will (ich will es in der Hand haben)
- ob ich Blende 2,8 oder größer haben will (Hintergrund mindestens so unscharf)
- oder ich Blende 2,8 und kleiner haben will (Tiefenschärfe mindestens so groß).
Schon diese ganz elementare Einstellung ist an heutigen Kameras nicht möglich.
Sprich: die bewusste GESTALTUNG des Bildes muss immer beim Fotografen liegen.
Richtig.
Allerdings sehe ich (fortschrittliche) Automatiken nicht als ein Aus-der-Hand-Nehmen der Bildgestaltung, sondern als ein Verlagern der Gestaltung des Bildes vom Zeitpunkt der Bildaufnahme in Richtung Vergangenheit. Ich stelle 18:50 Uhr die Aufnahmekennlinie der Belichtung und das Verhalten des AF ein. Von 19:03 Uhr bis 19:14 Uhr mache ich die Aufnahmen. Ab 21:00 Uhr nehme ich Belichtungskorrekturen und Weißabgleich im Raw-Entwickler vor.
Ich vermeide, mich um alle Dinge während der Aufnahme kümmern zu müssen und verlagere einen Teil vor die Aufnahme und einen anderen Teil nach die Aufnahme. Während der Aufnahme kann ich mich dann auf die unvermeidlichen Details, die nur während der Aufnahme getroffen werden können (Motiv, Ausschnitt, richtige Auslösezeitpunkt, Fokus) konzentrieren.