Richtig. Und hier bist Du dann beim Thema Willkür und Herrschaftsanspruch: WER definiert das? Und für wen muss das dann gelten? Für den Definierer selbst? Oder für die ganze Welt? Wer hat den Definierer ermächtigt?
Nach meinem Eindruck haben viele die sehr romantische Vorstellung, dass Normen einer persönlichen oder demokratischen Legitimation bedürfen. Das ist bei näherer Betrachtung, gelinde gesagt, Unsinn. Normen sind keine Gesetze, die nach unserem Verständnis von einer demokratisch legitimierten Legislative verabschiedet werden.
Und dennoch durchdringen Normen und normenähnliche Standards unsere gesamte Lebenswelt. Ich könnte hier z.B. ohne die entsprechenden Normen hier keinen Text hinterlegen.
Normen werden von nationalen oder internationalen Normierungsorganisationen entwickelt und gepflegt. Diese Organisationen sind eigenständige, privatwirtschaftliche Rechtsformen (Unternehmen). Auch wenn es in einem Normierungsprozess durchaus demokratische Elemente gibt, beziehen sie Ihre Autorität nicht aus einer demokratischen Legitimation, vielmehr aus folgenden Sachverhalten:
- Es besteht ein Bedarf an einer Norm
- Alle betroffenen gesellschaftlichen Gruppen sind im Normierungsprozess vertreten
- Der Normierungsprozess und die Norm ist vollständig transparent veröffentlicht
- Die Akteure (z.B. Normierungsorganisation, Akkreditierung, Zertifizierung und Prüfung) sind wirtschaftlich, organisatorisch und personell unabhängig.
Eine Norm ist eine gesellschaftliche Konvention, deren Anwendung einen Nutzen erzeugt. Internationale Normen haben den Anspruch einer weltweiten Gültigkeit.
Und wer es komplizierter mag, der nimmt sich ein Bild, das 5% mehr Details auflöst und vergleicht es gegen eines, das 10% mehr CAs zeigt.
Auch dieser Ansatz ist in dem hier diskutierten Zusammenhang einer objektivierten Bildqualität falsch. Wir reden hier nicht von "Schulprüfungen", in denen Minderleistungen in einem Prüfpunkt durch die Leistung in einem anderen Prüfpunkt ausgeglichen werden können. Eine Prüfung im Sinne von "die Bremsen sind durch, aber die Scheibenwischer funktionieren ganz toll" gibt es nicht. Werden die Anforderungen eines Prüfpunktes nicht erfüllt, handelt es sich um eine Abweichung. Wird der Prüfpunkt als Hauptprüfpunkt angesehen, handelt es sich um eine Hauptabweichung und die Prüfung gilt als nicht bestanden.
Ich gehe davon aus, dass es auch in der Fotografie im Bezug auf definierte Prüfpunkte eines Bildes zumindest normenähnliche Standards gibt. Beispielsweise gibt es doch sicher Anforderungen im Print (Stock, wissenschaftliche Fotografie, Museumsankäufe, etc.), die bei Nichterfüllung dazu führen, dass ein Bild abgelehnt wird.
Auch diese Prüfung und eine daraus resultierende Ablehnung ist kein "demokratischer Diskussionsprozess".
Und da wir nicht in einem despotischen Regime leben, darf jeder die Anforderungen für sich selbst definieren.
Das zuvor gesagte steht mit diesem Satz in keinerlei Widerspruch, auch wenn es scheinbar so wirkt. Es gibt eine objektivierte Bildqualität, die ihre Wirkung durch die Definition des Gegenstandes entfaltet. Außerhalb dieser Definition kann eine Norm oder ein Standard überhaupt keine Wirkung entfalten.
(Ganz einfaches) Beispiel: Solange ein Bild auf dem PC schlummert, entfaltet ein Druckstandard keine Wirkung. Sobald ich (schon als Laie etwa bei WW) das Bild Drucken möchte, wirkt der Standard des Druck-Dienstleisters. Definiert ein Druckdienstleister etwa den Prüfpunkt, dass Druckvorlagen in Form elektronischer Daten nur und ausschließlich im Jpeg-Format angenommen werden, entspricht eine Datei im Tif-Format nicht dem Standard und wird entsprechend abgelehnt. Bildqualität bedeutet eben nicht "das Beste", vielmehr "das Definierte". Eine Diskussion über die Vorteile des Tif-Formates im Druckprozess kann geführt werden, ist in diesem Zusammenhang aber völlig überflüssig.
Kurz: Die Vorstellung, dass "Bildqualität" etwas rein subjektives ist, ist genauso falsch, wie die Vorstellung, dass Standards immer und überall ihre Wirksamkeit entfalten.
Greets
/bd/
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