Nein, in erster Linie sind es die "Künstler" selbst, speziell, wenn es um "Fotokunst" geht. Wie viele Fotografen bezeichnen sich selbst als kreativ, nur weil sie ein paar Farbregler bedienen können? Heben ihr Werk in den Bereich der Kunst, nur weil es nicht "normal" aussieht? Diverse Internet-Plattformen und Fotowettbewerbe tun ihr übriges dazu, um mit einer ordentlichen Prise Selbstbeweihräucherung den Begriff "Fotokunst" zu manifestieren.

Richtig .. und, bzw aber, haben wir in unseren Anfangsjahren letztendlich nicht genau so gehandelt?
Waren wir (so Mitte/Ende der 70er) nicht genau so drauf? Haben wir (ich red jetzt mal von meiner Altersklasse)
nicht auch erst mal jeden mehr oder weniger billigen Effekt genutzt um „kreativ“ zu erscheinen? Mein Gott,
was haben wir nicht alles gemacht … Vergrößerungen durch Gazée, Nylon- und Netzstümpfe oder Tempotaschentuch,
grafische Verfremdung durch ultrahartes Papier, s/w- und Farbsolarisationen (wer kennt noch den guten alten
Agfa Contour?) - alles bei allen passenden und vor allem unpassenden Motiven … bei der Aufnahme nutzen wir
auch alles, was hergegangen ist … Vaseline, Weichzeichner, Splitlinsen, Wabeneffektlinsen (neutral und farbig :würg: ),
4-, 6- oder 8-strahlige Stern- und Andromeda Filter (oder wie immer die auch hießen), Nebeleffektfilter, haben einen
400er Farb-Diafilm 2 Blenden gepushed (nicht wegen des Lichtgewinns, sondern weil der Effekt klasse war – und
das stimmt ausnahmsweise tatsächlich) … wir waren (soo viele Hobbyfotografen gab es noch nicht) - einfach
unfassbar „kreativ“. Yeah … und die anderen waren unglaublich beeindruckt von uns und unserem Schaffen, da
vieles einfach „neu“ war und so on vielen bei uns noch nicht gesehen. Es machte einfach was her … es war
spektakulär … Geile kreative Zeit. Das hat sich – mit anderen Vorzeichen – bis heute nicht geändert.
(Un-)glücklicherweise gabs kein Internet … und keine Foren ...
Aber – soweit ich das heute natürlich alles mit einem grinsendem, einem wehmütigen und einem kopfschüttelnden
Auge betrachte - und so „billig“ die Effekte auch (vor allem aus heutiger Sicht) waren - so erforderten sie doch
bisserl mehr kreatives Einlassen und Nachdenken als die Farb- und Kontrastregler-Manie heute.
Nun bin ich der Meinung, dass ein jeder, gerade in der „Lern“- und Ausprobierphase hierzu das Recht hat und
sich austoben sollte. Er sollte jedes Stilmittel vorbehaltlos nutzen können und dürfen, denn daraus kann man
herrlich lernen. Idealerweise lernt man daraus natürlich auch, was letztendlich sinnstiftend oder sinnlos ist.
Und das ist mein Aufhänger: nutzt die Effekte, nutzt sie bis sie Euch zum Hals heraushängen, wendet sie an,
dreht an den Reglern bis die Augen entzündet sind, erfreut Euch an den Ergebnissen und den eigenen Ergüssen,
macht Euch lächerlich oder heftet Euch die ‚likes‘, die

oder sonst was an die Bluse … aber lernt daraus und
versucht zu verstehen, dass Effekte auf Dauer keine „kreativen“ Werke schafft, dass Effekte (vor allem, wenn
sie dem Motive und seiner Gestaltung nicht dienlich sind) immer nur ein Machwerk bleiben. (Und dabei möchte
ich nicht so weit gehen, dass ein Bild so neutral wie möglich zu sein hat – das ist nämlich auch Quatsch. Ich habs
nie verstanden, warum es ein großes anzustrebendes Ziel ist, dass der Weißabgleich immer und überall „die
richtigen Verhältnisse“ wiedergeben muss). Aber hört bitte bitte auf, Euch als „Künstler“ zu sehen, hört auf,
jedes (noch so zweifelhafte Tun) als „künstlerisch“ hinzustellen. Und hier rede ich bitte nicht von Qualität.
Sprüche wie „Kunst ist, was gefällt“ oder „alles kreativ Geschaffene ist ein Kunstwerk“ sind nicht hilfreich
und nutzen nur bei der Rechtfertigung eigenen Unvermögens. Die „Kunst“ und vor allem das eigene Tun hat
mehr verdient … nämlich bisserl Anspruch.
Letztendlich sollte irgendwann – beim einen früher, beim anderen später (bei einigen aber auch gar nicht) -
der Wille und Anspruch nach „mehr“, nach „besser“ und letztendlich nach „ernstzunehmend“ da sein. Und
das erreiche ich halt in den allerseltensten Fällen durch den exzessiven Einsatz von Technik (klar gibt’s
Ausnahmen) und Effekten.
