AW: Sammelthread Supperzoom: SX30 - HS10 - S200EXR - P100 - FZ45 - FZ100 - HX1 ...
Guten Morgen bauks,
auch ich habe eine HS10 im beruflichen Einsatz.
Diese Kamera hatte drei (naja vier) gravierende Probleme:
- Die ersten Firmwareversionen waren unausgereift. Viele Tests und Rezensionen bemängelten daher völlig zu Recht eine inakzeptable Bildqualität unter verschiedenen Bedingungen. Leider wurden allerdings auch später immer noch Tests mit den ersten Firmwareversionen durchgeführt. Die RAWs sind jedoch gut und auch die OOC-JPGs inzwischen besser als zu Beginn.
- Eine durchgängig gute Fertigungsqualität war anfangs auch nicht gewährleistet. Ich selbst hatte vier HS10 mit ganz unterschiedlichen Schwächen in der Hand, bis ich schließlich die jetzige erhielt. Seitdem habe ich mir aus Interesse immer wieder weitere HS10 genau angesehen. Fujifilm scheint das Problem inzwischen im Griff zu haben. Solche markanten Fehler wie dezentrierte Objektive, Drehmechanik-Defekte usw., die teilweise auch in den Bildern zu sehen waren, kommen bei den neueren Exemplaren offenbar nicht mehr vor.
- Das dritte Problem betrifft die beliebten UV- oder Clearfilter, die viele Nutzer als Schutz am Objektiv der HS10 verwenden. Im HS10-Thread habe ich das bereits ausgeführt. In Kurzform, und ohne auf den grundsätzlichen "Religionskrieg" zwischen Befürwortern und Gegnern eingehen zu wollen: Das optische System der HS10 reagiert auf den Einsatz selbst hochwertig vergüteter Filter empfindlich mit sehr deutlicher Verringerung der Bildqualität. Über missratene Bilder braucht man sich dann nicht zu wundern.
- Bei der Beurteilung der Bildqualität scheint mir neben objektiven Kriterien immer auch der persönliche Geschmack eine Rolle zu spielen. Vielleicht auch eine Vorliebe bzw. ein persönlicher Bonus für bestimmte Marken, bei denen man über Schwächen eher hinwegsieht als bei andern, ich weiß es offen gesagt nicht. Ich hatte jedenfalls die Canon SX30 in Händen und konnte einige Fotos schießen. Sie sahen meiner Meinung nach bei genauer Betrachtung insbesondere im WW-Bereich schlechter aus als die Vergleichsfotos mit meiner (jetzigen) HS10.
Ein wichtiger Punkt scheint mir zu sein, dass offenbar viele aufgrund des Aussehens und der Ankündigung der HS10 durch Fujifilm als "DSLR-Ersatz" erhofft hatten, eine DSLR-entsprechende hohe Bildqualität zu einem sehr günstigen Preis zu erhalten, und dann von der Realität enttäuscht wurden. Was allerdings bei realistischer Betrachtung klar ist, da beim gegenwärtigen Stand der Technik aus einem solchen Sensor und einer darauf aufsetzenden Bildaufbereitung zu einem solchen Preis derartiges nicht herauszuholen ist.
Muss da aber in jedem Fall sein? Man kann das nämlich tatsächlich auch ganz anders betrachten: Alles hängt nämlich davon ab, wie a) die jeweiligen Anforderungen aussehen und wie man es b) versteht, die Kamera einzusetzen.
Zu a): Ich beispielsweise verwende die Kamera geschäftlich, für bestimmte definierte Situationen, und nebenbei privat, etwa für Urlaubserinnerungsfotos. Die Bilder werden am Screen in verkleinerter Form auf Weibseiten eingesetzt, ausnahmsweise auf durchschnittlich normaler vollen Displaygröße angesehen und ansonsten im Print ebenfalls stark verkleinert, etwa auf Flyern und Brochuren (wobei im Druck ohnehin viel verloren geht), auch mal in einer Fachzeitschrift oder einer Tageszeitung. Oder sie werden als Fotodruck auf max. DIN A4, meist jedoch 10x15 ausgedruckt. Dafür reicht diese Kamera sehr gut aus. Und für diese meine Anforderungen ist sie mir dank ihrer vielen Möglichkeiten tatsächlich ein brauchbarer DSLR-Ersatz.
Es kommt allerdings auch b) darauf an, zu lernern, mit ihr umzugehen. Sie ist weniger eine Kamera für's Fotografieren im Blindflug auf Autopilot. Wer das möchte, braucht meiner Ansicht nach aber auch keine solche Kamera. Für diese Anforderungen, die natürlich genau so legitim sind wie andere, gibt es passendere Lösungen. Vielleicht finde ich mich auch leichter damit zurecht, weil ich die Fotografie als Jugendlicher mit einer ausschließlich manuellen Kamera (einer Praktica) und einem kleinen Fotolabor zu Hause handwerklich gelernt habe und es darum gewohnt bin, mich mit diversen Umständen und Eigenheiten zurechtzufinden und diese wie ein Seefahrer zu nutzen: Man kann in Wind und Wellen kentern und ertrinken, oder den Wind und die Strömungen klug nutzen, um zum Ziel zu gelangen. Das ist heute bei vielen nicht mehr so, sie erwarten ein perfektes Ergebnis auf Knopfdruck.
Nur: Was genau ist denn ein perfektes Ergebnis? Ist es in jedem Fall eine Bildqualität, die beispielsweise eine rauschfreie und detailreiche starke Auschnittsvergrößerung erlaubt? Ich habe das Fotografieren noch so gelernt, dass ein gutes Bild im Kopf des Fotografen entsteht und er seine Bildidee dann planmäßig und zielgenau umsetzt. Das beinhaltet auch, Standort und Bildausschnitt vorher bewusst zu bestimmen, so dass später nur marginale Korrekturen erforderlich sind. Das ist mit dieser Kamera endlich auch ohne Wechselobjektive in den meisten Situationen möglich. Meiner Ansicht nach verführt auch die Auschnittsvergrößerei nicht weniger als die Zoomerei zur Faulheit bei der Suche nach dem passenden Standort. Nur dass man die nachträgliche Vergrößerei mit der HS10 eben meist gar nicht mehr braucht.
Das ist natürlich genauso subjektiv wie andere Ansichten. Genau darauf möchte ich aber auch hinaus: Ob eine Kamera gut oder schlecht bewertet wird, hängt ganz entscheidend von völlig subjektiven Kriterien ab. Darum sollte man sich von Rezensionen, wo meist auch gar nicht klar ist, unter welchen Bedingungen und vor welchem Hintergrund sie zustande gekommen sind, nicht zu sehr beeinflussen lassen. Viel sinnvoller ist es, zuallererst die eigenen Anforderungen klären, und dann verschiedene Kameras im Hinblick daruf ausprobieren, ob sie für diese Anforderungen genügen. So kann man sich selbst ein kontrolliertes Bild machen und auf dieser Basis fundierter entscheiden. Das spart Zeit, Geld und Nerven. Mehr als das, was man tatsächlich braucht, muss sie nämlich gar nicht leisten. Wenn sie das gut macht, ist sie eine gute Wahl. Ebenso eine der anderen Kameras, die die Anforderungen vielleicht auch erfüllen. Der Rest ist dann Geschmackssache in nachrangigen Details. Kann aber genau so sein, dass sie Deine Anforderungen nicht erfüllen und Du tatsächlich besser eine DSLR oder eine andere Art Kompaktkamera kaufst, die das tut. Das wäre herauszufinden.
Mach Dir also am Besten ein eigenes Bild und entscheide aufgrund Deiner Anforderungen, dann spielt es keine Rolle, was andere schreiben und Du kannst zufrieden sein.
Nicht zu vergessen, dass nach Pareto-Prinzip die letzen 20% der Perfektion in der Praxis meist weniger Bedeutung haben als mancher annehmen möchte, s. Printbereich. Wenn Du Dir professionelle Produktionen ansiehst, wirst Du feststellen, dass selbst dort keine Bildqualität zu finden ist, die hier von vielen erwartet wird. Dort finden sich neben erheblichen (im Printbereich nunmal leider normalen) Detailverlusten auch häufig Unschärfen, Verzerrungen, CAs usw. Warum letzteres? Weil es den Betrachtern meist sowieso nicht auffällt, die nehmen eher den Bildgesamteindruck und den dargestellten Bildinhalt wahr als Einzelpixel aus der Makroperspektive. Eine der wichtigsten Erkenntnisse der Kommunikationswissenschaften ist die, dass für das Funktionieren von Kommunikation (und eine solche findet über das Medium Bild zwischen dem Fotografen und dem Betrachter statt) nicht die "korrekte" und perfekte Darstellung von (Bild-)Informationen entscheidend ist, sondern vielmehr die Frage, ob der Betrachter die Information versteht und ob sie für ihn eine Rolle spielt (von "selektiver Wahrnehmung" hat z.B. jeder schon mal gehört). Kommunikation ist eben ein interpretativer Verarbeitungsprozess, der in hohem Maße von Bedingungen der kommunizierenden Systeme, also hier der Personen, bestimmt wird, weniger von der Information selbst.
Grüße T.