Servus Robert!
Eines meiner Schwierigkeiten mit der Erörterung der "Dynamik" ist, dass mir häufig nicht klar wird, was für ein Dynamikkonzept gerade Thema ist.
Ja, ich kann das verstehen, aber machen wir es uns doch einfach und beziehen wir uns einmal auf den Belichtungsumfang, weil darauf kommt es doch schließlich an.
Deswegen hatte ich versucht, Eingangs- und Ausgangsdynamik zu differenzieren, hier konkret des Systems aus Sensor und DA-Wandler.
Sehen wir doch die Photographie als das an, was sie sein soll, nämlich die Reproduktion einer Szene mit unterschiedlichen Helligkeits- und Farbwerten (eigentlich Helligkeitsanteil der einzelnen Farben des Spektrums). Und ich finde, der Begriff Belichtungsumfang oder Belichtungsspeilraum beschreibt genau das, was du als Eingangsdynamik bezeichnest.
Nach meinem Begriffsverständnis ist die Eingangsdynamik der abbildbare Umfang von Motivhelligkeiten, Ausgangsdynamik dagegen der Tonwertreichtum der Bildwiedergabe, das heißt auf die konkrete Technik bezogen, wieviel des zur Verfügung stehenden Wertebereichs genutzt wird.
Exakt meine Worte, ich denke da verstehen wir einander zu 100%
Wenn wir Sensor plus Wandler betrachten, wären das im Falle von Olympus die 12-Bit-Werte, die ins RAW gelangen, und der Umfang, inwieweit die Skala ausgenutzt würde, würde die Ausgangsdynamik beschreiben.
Gut, daß du "würde" geschrieben hast, weil da sollten wir ansetzen.
Der ADC trägt zur Dynamik nichts bei. Er bildet nur die (analogen) Ausgangsspannungswerte in die binäre Welt ab. In grauen Vorzeiten gab es einmal die sog. BCD Darstellung von Zahlen: Binär Codierte Dezimalzahl. Und wenn du ein Digitalvoltmeter besitzt, dann wird es auch verständlicher. Wenn der Sensor Spannungswerte zwischen 0 und 1 Volt liefern kann, dann kann man das auch als 0.000V bis 1.000V anschreiben. In BCD codiert wäre das 0 0 0 0 bis 1 0 0 0 (wobei hier jede Ziffer von 1 - 9 und Null durch 4 Bit binär abgebildet werden aber ansonsten dem Zehnersystem folgen). Wenn du nun in der BCD kodierung 0 1 0 0 ablesen kannst, dann weißt du ohne viel zu überlegen, es sind 0.100V. 0 0 1 0 wären 0.010V und 0 0 0 1 eben 0.001V. Die niedrigste Spannung ist 0V, jeder andere Spannungswert wird auf 0.001V aufgelöst, aber der Meßbereich bleibt 0-1V und wir haben 13 Bit (3x 4 + 1) dafür vergeudet.
Mit einem billigeren Digitalvoltmeter kannst du die 0-1V dann eben nur als 0.00 bis 1.00V ablesen, zur BCD Speicherung reichen 2 x 4 + 1 = 9 Bit. trotzdem bleibt die Dynamik 0-1V nur kannst du Zwischenwerte nicht mehr so genau aufgelöst angezeigt bekommen, eben nur auf 0.01V genau.
Ich denke, das Verständnisproblem liegt darin, daß man automatisch denkt, wenn der erste Wert ungleich Null statt im ersten Beispiel 0.001 nun 0.01 ist, daß sich damit auch gleichzeitig der Dynamikbereich ändert. Dies ist aber ein Trugschluß, weil wir ja nicht bei 0.001 anfangen, sondern bei 0.000.
Alles was wir mit einem ADC geringerer Bitanzahl verursachen ist es, daß wir diskrete Einzelwerte im unteren Meßbereich nicht mehr so genau aufgelöst bekommen (eben nur mit 0.01V anstatt 0.001V) dem Meßbereich selbst fügt das aber keinen Schaden zu.
Wenn wir das jetzt auf unsere Digitalkamera umsetzen, dann bedeutet dies eigentlich nur, daß die Schatten umso weniger aufgelöst werden, je geringer die Bitanzahl des ADCs ist. Aber die Schatten bleiben Schatten. Immerhin beträgt die Differenz zwischen binär 1 und 2 ganze 100% (eben eine Blendenstufe). Was uns verborgen bleibt, sind die Werte dazwischen.
Und da spielt jetzt der sRGB Farbraum seine große Stärke aus! Genau in den Schatten ist die Funktion nicht mehr exponentiell sondern linear. Ganz genauso wie das menschliche Auge, wenn nur mehr Grausicht vorherrscht. Das Beruhigende an dem ganzen bleibt weiterhin, daß die (sRGB) Funktion voll umkehrbar ist, die Information des Belichtungsumfanges bleibt also (in Grenzen) erhalten.
Und nun zum Schluß. Welche Auflösung des ADC ist notwendig, um die (Spannungs)Information des Sensors so in Meßwerte umzuwandeln, daß wir die Dynamik (im Falle der E-300 sind es 64.4dB) ausreichend reproduzieren können? Nun, 64.4dB entsprechen einem Verhältnis von etwa 1 : 10^3.22 also ca. 1:1660. Jetzt noch das ganze ins Binärsystem (wegen ADC und Blendenstufen) umgerechnet und wir erhalten 1:2^10.7
Mit einem 10.7 Bit ADC würde also gerade die erste Blendenstufe unseres Belichtungsumfanges als 1 oder 2 aufgelöst werden. Ein 10.7 Bit ADC wird wohl nicht existieren, aber sehr wohl ein solcher mit 12 Bit und die Differenz von +1.3 Bit würde sich voll auf die zusätzliche Auflösung (in Helligkeitsstufen) auf die Schatten auswirken. Bleibt nur die Frage offen, ob wir das überhaupt noch auf einem Monitor oder einem Bild sehen.
Und ziemlich genau den umgekehrten Weg müssen wir gehen, wenn wir das Bild im sRGB Farbraum dann auf einem Drucker abbilden wollen. Der Belichtungsumfang des Sensors wird voll abgebildet, die Auflösung der Schatten wird wahrscheinlich am Bild selbst verschwinden. Aber in den an den Drucker übermittelten Daten war sie noch vorhanden.
So, letzte Frage, was können wir mit der "Ausgangsdynamik" noch anstellen? Wir sollten eigentlich weinen. Ein Papierbild, je nach Papiermaterial (matt, glänzend, etc) liefert Kontraste im Bereich 1:30 bis 1:60. Aber das macht nichts, gute Tintenspritzer begnügnen sich mit weniger als 1pl (pico Liter), die sorgen dafür, daß die 60 Stufen so fein unterteilt werden, daß wir dann schlußendlich doch noch den Unterschied in den Schatten erkennen können und verblüfft bemerken, daß ein 12 Bit ADC in der Kamera weniger bringt als ein solcher mit 14 oder gar 16 Bit. Ist schon eine blöde Welt, was?
Selbst wenn wir nur einen Sensor mit miesem Dynamikbereich hätten, ein ADC mit hoher Auflösung und weniger Geiz beim Druckerkauf würden wohl mehr bringen als ein Monsterdynamiksensor mit mickrigen ADC und dicken fetten Tintentropfen.
Und so einen Sensor mit "miesen" Dynamikbereich haben wir jahrzehntelang verwendet und ihn einfach Diafilm genannt.