Was meint Ihr, Augen zu und durch > Nikon kaufen, oder ist für € 620,-- das neue Sigma incl. Garantie die vielleicht doch bessere "Investition"? (FX steht nicht an, ein 85er auch keine Option für mich, da bei mir das 60er Tamron gesetzt ist)
Ich habe mich in der letzten Zeit auch ausführlich mit der Entscheidung zwischen dem Nikon-Glas und dem Sigma-Glas beschäftigt. Hab' mir beide bestellt und verglichen. Gerne schreibe ich mal meine Erfahrungen nieder, wobei bitte zu bedenken ist, dass der Vergleich keiner wissenschaftlichen Prüfung standhalten wird und ich auch kein Messlabor besitze... Also bitte als subjektive Wertung eines Einzelnen betrachten.
(Mein) Hintergrund: Ich habe ein Makro gesucht, welches ich sowohl an DX, wie auch FX betreiben kann. An DX habe ich schon länger das Nikkor Micro 85 / 3.5 im Einsatz und bin soweit ganz zufrieden damit, auch mit der Brennweite. Von daher sollte das neue Glas keinesfalls kürzer sein. Ich hatte mir zunächst das Sigma 150 / 2.8 OS HSM angeschaut. Eine tolle Linse, ohne Frage, aber kein Glas, welches ich nur mal so zusätzlich in die Tasche stecke (Gewicht / Größe). Zum Vergleich hatte ich schon das Sigma 105 OS mitbestellt und bin eigentlich erst nach dem Zurücksenden des 150er darauf gekommen das 105er mit dem Nikkor zu vergleichen. Da der Preisunterschied zu dem Zeitpunkt bei ca. 160 EUR lag, dachte ich mir: Lieber nochmal vergleichen, an der Preisdifferenz soll es nicht scheitern, wenn das Nikkor mehr Leistung bietet (zzgl. dem guten Gefühl ein Nikkor zu haben

).
Das Sigma 105 OS, das ich zu Hause hatte, war über die Warehousedeals am großen Fluss bestelt (dort werden u.a. zurückgesendete Exemplare unter dem Neupreis verkauft). Hier lag wohl eine Dezentrierung (?) vor, jedenfalls waren die Ecke und links und unten rechts deutlich unschärfer als das Zentrum und die Ecken oben. Auf die korrekte Ausrichtung beim Test habe ich geachtet, das Vergleichsbild des Nikkors bei unveränderter Stativstellung war auch in allen Ecken scharf. Dieses Sigma-Exemplar ging dann wieder zurück. Ich musss dazu sagen, dass ich drei weitere Sigma-Objektive habe und hier jeweils die erste Lieferung passte. Dass ich dieses Mal ein nicht zufriedenstellendes Exemplar erwischt habe, habe ich meiner Meinung nach dadurch forciert, dass es über die Warehousedeals bestellt wurde, wo ja nun eben die schon zurückgesendeten Exemplare hingehen. Das neu bestellte Exemplar war dann auch einwandfrei.
Meine Kriterien im Einzelnen:
Schärfe: Sowohl bei Offenblende, wie auch abgeblendet, konnte ich keine Unterschiede zwischen dem Nikkor und dem Sigma ausmachen. (Zur Erinnerung, ich habe keine Messequipment zur Verfügung). Beide bildeten sehr ähnlich ab, auch in den Ecken war die Schärfe schon bei Offenblende gut.
AF: In der AF-Geschwindigkeit konnte ich keine großartigen Unterschiede erkennen. Mit aufgesetztem Deckel und Durchlaufen des gesamten Fokusbereiches hatte ich das Gefühl, dass das Nikkor minimal schneller ist. Allerdings für mich vernachlässigbar, da der Unterschied sehr gering war und ich hier bei einem Macro auch nicht die Priorität setze. Treffsicher waren beide, auch in Situationen mit schlechtem Licht oder bei wenig Kontrasten. Wenn unter schwierigen Bedingungen eines mal getroffen hat und das andere nicht, dann war's in der nächsten Situation umgekehrt. Aber insgesamt zeigten beide gute Leistungen. Wie wichtig der AF bei Makro-Objektiven ist, muss jeder selbst beurteilen. Ich mache einiges (dann aber fernab von 1:1) auch mal aus der Hand und nutze dort (und auch zum Vorfokussieren auf Stativ) schon gerne mal den AF. Auch wäre so ein Glas (105 /2.8) ja zu schade, um nur für Makros eingesetzt zu werden... AF im Liveview habe ich übrigens nicht getestet, da ich LV sowieso nur seltenst verwende.
Fokus-Limiter: Beide Objektive verfügen über Fokus-Limiter. Beim Sigma 105 hat mir sehr gut gefallen, dass der Limiter dreistufig ist (0,312 - 0,45 m / 0,45 - unendlich / Full), wohingegen das Nikkor mit einem zweistufigen Limiter auskommt (0,5m - unendlich / Full). Gerade zum Vorfokussieren im Nahbereich finde ich den Limiter des Sigma ganz hilfreich, auch wenn der Bereich für mich noch etwas größer sein könnte (z.B. 0,31 bis 0,60m). Kein K.O.-Kriterium für mich, aber nice-to-have.
VR/OS: Schienen mir beide gleich wirksam zu sein, jedenfalls konnte ich keine Unterschiede feststellen. Auch hier ist anzumerken, dass das Sigma einen zweistufigen OS hat, wobei ich mich damit nicht näher beschätigt habe, sondern nur auf Stufe 1 getestet habe. Stufe 2 ist lt. Sigma-Anleitung für sich bewegende Objekte, die hatte ich nicht.
Vignettierung / Verzeichnung / Flares: Für mich nicht merkbar und auch nicht so unterschiedlich, dass es mir irgendwie aufgefallen wäre.
Bokeh: Hier schlugen sich meiner Meinung nach beide gut und auch beide sehr ähnlich. Für mich (!) hatten beide ein sehr angenehmes Bokeh, sehr gut aber nicht herausragend.
CAs: Beim Sigma für mich nicht sichtbar vorhanden, beim Nikkor deutlich sichtbar, aber dafür ist es (leider) ja auch bekannt. Klar, die CAs des Micro 105 lassen sich korrigieren, aber ich finde, dass sie schon sehr stark vorhanden sind und ich den Regler in VNX2 schon sehr weit schieben muss, damit sie wegfallen. Falls Punkte vergeben werden, dann geht hier ein Punkt deutlich an das Sigma.
Effektive Blende: Das Sigma zeigt schneller als das Nikkor eine kleinere Blende bei geringer Fokusdistanz. Meist blendet es um 1/3 Blende mehr ab. Passiert natürlich nur im Nahbereich, wo ich es nicht tragisch finde, da ich dort eh meist stark abblende wegen der Schärfentiefe und so tragisch finde ich 1/3 Blende dann auch nicht.
Brennweite: Das Sigma hat offensichtlich ein klein wenig weniger Brennweite als das Nikkor. Vom Stativ bei unveränderter Kameraposition sind alle Bildausschnitte des Sigma etwas größer. Der Unterschied ist aber nicht so eklatant wie z.B. zwischen dem Sigma 50/1.4 und dem entsprechenden Nikkor. Vielleicht sind es hier 1-2mm Brennweite.
Belichtung: Mir erscheinen alle Bilder des Sigma einen Tacken heller belichtet (und die Histogramme geben mir recht). Nicht, was aus dem Ruder läuft, fiel mir nur so auf.
Gewicht: Das Sigma ist lt. Spezifikation mit 725g fünf Gramm schwerer als das Nikkor. Dementsprechend habe ich auch keinen Unterschied gemerkt. Beide fühlen sich an D300s und D700 gut an und die Kombination liegt ausgewogen in der Hand.
Größe: Auch hier sind die Unterschiede gering, das Sigma ist ein kleines bisschen länger als das Nikkor, dafür hat das Nikkor etwas mehr Umfang. Mit umgekehrt aufgesetzter GeLi ist das Sigma in der Fototasche allerdings schon merkbar schmaler.
Haptik: Gefiel mir bei beiden sehr gut. Das matte EX-Finish des Sigma ist für den ein oder anderen sicherlich gewöhnungsbedürftig, mir gefällt's (mir gefällt aber auch das Nikkor) - da bin ich vielleicht auch nicht so pingelig. Die matte Oberfläche ist natürlich etwas anfälliger für Fingerabdrücke, die sich allerdings mit einem weichen Tuch sehr einfach abwischen lassen (nicht so wie bei unser mattierten Edelstahl-Mikrowelle *grummel*).
Abdichtung: Beim Sigma nicht vorhanden, beim Nikkor ja. Klarer Punkt für das Nikkor. EDIT: Dieses bezieht sich lediglich auf die Gummilippe am Bajonett. Diese gibt wohl keinen Rückschluss auf die Dichtigkeit an sich, soll aber das Eindringen von Staub und Feuchtigkeit an dieser Stelle vermindern. Sorry für die unklare Formulierung.
Sonstiges: Das Sigma wird mit Köcher und zwei Gelis (rund, eine für DX und eine für FX) geliefert und kommt natürlich mit der 3-Jahres-Garantie. Das Nikkor wird mit tulpenförmiger GeLi geliefert, Köcher war nicht im Lieferumfang. Beim Sigma war noch ein Code-Aufkleber dabei, hier kann das Objektiv registriert werden und wenn der ehrliche Finder es abgibt, kommt's zurück zum Eigentümer - das nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
Die "Tests" habe ich übrigens an der D700 durchgeführt, einige Testbilder auch zusätzlich mit der D300s gemacht.
Das Thema "Wiederverkaufswert" habe ich für mich nicht näher betrachtet, da ich das Glas eigentlich nicht wieder abgeben möchte. Der des Nikkor wird sicherlich höher sein, aber -wie von Fol schon angemerkt- ist der Puffer durch den niedrigeren Anschaffungspreis beim Sigma etwas höher.
Entschieden habe ich mich letztlich für das Sigma. Ausschlaggebend war es für mich 160 EUR Ersparnis bei für mich ähnlicher Leistung und deutlich geringerer CA-Anfälligkeit.
Wie eingangs geschrieben:
Alles rein subjektiv, kein Messlabor und meine Prioritäten. Deshalb bitte nicht gleich steinigen...
