Ich glaube nicht, daß Nikon grundsätzlich etwas falsch gemacht hat.
Ich schon. Wie damals schon gesagt, die Strategie, voll auf Z6/Z7 zu setzen und bei den DSLR drauf zu hoffen, dass das schon irgendwie weiter läuft, war einfach zu blauäugig. Das Prinzip hieß, alles auf die eine Karte zu setzen. Damals hab ich die Analogie mit dem Pokerspiel und dem Wort "verpokert" gewählt.
Man sprach ja mit der Z6 und Z7 und deren Einführungspreisen von vornherein einen recht geringen Kundenkreis an. Leute, die mal so eben 2.500 Euro und mehr für ein Kamerasystem auf den Tisch legen, sind eher rar gesät. Ich nehme auch an, dass es nicht vom Nikon-Management geplant war, so schnell so deutliche Preisnachlässe vor allem auf die Z6 gewähren zu müssen, um dann doch einen größeren Kundenkreis zu erreichen.
Dazu kamen und kommen noch zum Teil schwierige Zusatzbedingungen mit diesen Punkten:
- man war mit DSLM zu spät am Markt
- zu wenig Zusammenarbeit mit Drittanbietern bei Objektiven (dadurch zu wenig Auswahl, zu wenig Preisdifferenzierung, zu wenig Qualitätsdifferenzierung)
- fehlendes günstiges Einsteigermodell
- XQD - Karten Konzept
und natürlich zu Beginn mit dem berühmten "AF-Desaster", was für viele Leute immer noch negativ mit Nikon Z verbunden ist. Auch jetzt noch wird in jeder Kaufberatung die AF-Leistung der Z im Vergleich zu Canon und Sony als Minuspunkt angesehen.
Und zu guter letzt noch Corona.
Aber die Zahlen waren auch vorher schon nicht so berauschend.
Von daher ist meiner Meinung nach die derzeitige Produktpalette nicht besonders konkurrenzfähig. Ich schreib das mal bewusst provokativ, aber die Zahlen und die verlorenen Marktanteile sprechen hier für sich.
Auf DSLR-Seite hat man zwar eine D780 und eine D6 rausgebracht. Aber die D780 zu einem utopischen und der Marktsituation nicht angemessenen Einführungspreis, wenn man eine gleich positionierte Z6 für fast 1.000 Euro weniger bekommt. Und die D6 ist von ihren Spezifikationen auch kein Technologieträger, wo man hätte erkennen können, dass Nikon auf DSLR-Seite noch große Ambitionen hätte. Von daher übt sich die DSLR-Kundschaft in Kaufzurückhaltung und das Angebot bei Z ist recht überschaubar.
Überhaupt hat man meiner Meinung nach irgendwie kein gutes Gespür für die Bedürfnisse des Marktes. Ein 120-300/2.8 ist ja an sich nicht schlecht. Aber doch nicht für einen 5-stelligen Betrag. Das reine 300/2.8 liegt zwar auch bei knapp 6.000, aber man muss halt im Gegenzug auch mal sehen, wie viele 300/2.8er derzeit überhaupt noch verkauft werden und woran es liegt, dass es nur in homöopathischen Dosen über den Ladentisch geht. Wenn der Mitbewerber Sigma ein nicht sooo schlechtes 120-300/2.8 für 3000 Euro verkauft, kann man sich leicht ausrechnen, wie hoch der eigene Markterfolg für ein 11000-Euro-Objektiv dann sein wird.
Gleiches gilt ja im Prinzip für das Z 58/0.95. Wenn man im Nikon-Management nicht so abgehoben wäre, hätte man da der Konkurrenz schon eine Alternative vor die Nase setzen können. Objektivpreise sind ja mehr oder weniger ideelle Preise, da Materialwert und Fertigung in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Preis stehen, so dass man solch ein Noct Nikkor ja auch mal zu einem verlockenden Kampfpreis von sagen wir mal 2000 Euro hätte anbieten können. Und dann schaut die Sache doch geich ganz anders aus. Da würde dann eine Z7 mit dem Noct für einen interessierten, relativ gut betuchten Hobby-Enthusiasten ein anderes Angebot darstellen, was er bei der Konkurrenz in der Form nicht bekommt. Aber für viele solcher Enthusiasten sind 9000 Euro halt doch ein zu großer Show-Stopper, wie es neudeutsch so schön heißt.
Da geht sozusagen Entwicklungszeit verloren und Fertigungslinien werden blockiert für Dinge, die der Markt nicht braucht bzw die man bewusst oder unbewusst so platziert hat, dass sie vom Markt nicht angenommen werden.
Es ist ja geradezu paradox, dass viele hier ein Engagement der Dritthersteller für Nikon Z als einen möglichen Rettungsanker sehen. Das ist quasi der letzte Sargnagel für meine Eingangsthese, dass die eigene Strategie mit Nikon Z nicht aufging und letztlich die derzeitige Produktpalette nicht besonders konkurrenzfähig ist.
Wie weit war Sony nach ca. 2 Jahren nach Einführung des jetzigen E-Mounts?
Die Frage ist andersrum. Hat Nikon genauso viel Zeit und Geld, wie es Sony für die Entwicklung des E-Mounts hatte?
Aber nicht falsch verstehen. Es ist trotz der aktuellen schlechten Lage noch lange nicht aller Tage abend bei Nikon. Nikon hat genügend Kapital und durch die Aktienrückkäufe auch genügend eigene Gestaltungsmöglichkeiten, ohne dass man immer gleich den Aktionären verpflichtet wäre. Aber es muss sich bei Nikon schon noch einiges ändern, damit sie wieder in die Erfolgsspur zurückfinden Und ich hoffe nicht, dass ihre Strategie weiterhin darauf hinausläuft, zum exklusiven Nischenhersteller zu verkommen.