"In meinen vier Wänden" und "unter meinem Dach" sind doch meines Wissens nach allgemein anerkannte Beispiele für "pars pro toto". Beide stellen typische Merkmale für "die Sache" heraus, aber eben auch unvollständig: Die Wände bieten nur Schutz vor den anderen, das Dach gegen Niederschläge.
Die Linse als optisch wirksames Element ist doch in Relation zum Objektiv -- im wesentlichen eine Konstruktion aus mehreren Linsen und, ich weiß nicht, ob sie für "Objektiv" zwingend erforderlich ist, einer Blende.
Gute Beispiele. Sie zeigen, dass es nicht nur darum geht, ein Ganzes mit der Bezeichnung eines wichtigen Teils zu benennen, sondern dem Ganzen Wesensmerkmale des Bestandteils zuzuweisen. Die vier Wände und das Dach stellen das Merkmal "Schutz gegen die Außenwelt" in den Vordergrund, das mit dem eher technischen Begriff "Haus" in dieser Weise nicht automatisch verknüpft ist. Bei "Linse" und "Objektiv" will ich das deshalb nicht gelten lassen, weil ich nicht erkennen kann, welche Eigenschaft für "Linse" charakteristisch ist, die "Objektiv" nicht hat – beziehungsweise welches Merkmal durch Begriffe wie Linse oder Glas in den Vordergrund gerückt wird.
Scherbe ist keine Metapher
Nicht? Bemühen wir mal Aristotels: Seiner klassischen Definition nach ist Metapher die "
Übertragung eines Wortes (...) nach den Regeln der Analogie. (...) das Alter verhält sich zum Leben, wie der Abend zum Tag." Was das "Alter" mit dem "Abend des Tages" oder den "Löwen" mit dem "kämpfenden Helden" vergleichbar macht (das so genannte "tertium comparationis"), bleibt dabei ungenannt. Es kann ungenannt bleiben, weil dieses "Dritte des Vergleichs" dem Zuhörer/Leser so offensichtlich ist, dass es sich geradezu aufdrängt. Genau genommen entfaltet die Metapher ihre Wirkung sogar dadurch, dass das tertium comparationis nicht ausgesprochen wird: Der Hörer/Leser wird auf den Zusammenhang/die Analogie nicht
hingewiesen, er stellt den Zusammenhang
selbst her. Im Falle des Löwen sind es Wildheit, Kraft und Mut, im Falle des Alters das langsam verlöschende (Lebens-)Licht. Und welche (optischen) Eigenschaften ich einem Objektiv zuweise, wenn ich es "Scherbe" oder "Flaschenboden" nenne, muss wohl auch nicht wirklich ausgesprochen werden. Umgangssprache arbeitet ebenfalls gern mit solchen Metaphern. So haben die Menschen im Ruhrgebiet zum Beispiel in Anlehnung an das Wort "krankgeschrieben" den saftigen Begriff "kaputtgeschrieben" erfunden.
Welche augenfälligen Eigenschaften haben nun aber "Linse" und "Glas", die "Objektiv" nicht auch hat?
Inwiefern hier jemand versucht haben soll, sich damit herauszureden ... diesen Gedankengang kann ich nicht nachvollziehen.
Umgangssprache und Metaphern (auch "pars pro toto") erreichen etwas, was "Linse" und "Glas" nicht schaffen. Somit haben diese beiden Worte eine andere Funktion. Meiner Ansicht nach kennzeichnen sie den in menschlichen Gruppen verbreiteten Hang, "Geheim-" oder Fachsprachen zu entwickeln, mit denen sich diese Gruppen gegen andere Gruppen abgrenzen. Wer diese spezielle Sprache spricht, dokumentiert damit seine Zugehörigkeit. Jugendslang ist ein Beispiel dafür, die Amts- und Juristensprache sind zwei weitere. Umgangssprache und Metaphern dagegen wenden sich an die unstrukturierte Allgemeinheit. Deshalb sprach ich von "Herausreden".
Aber wahrscheinlich diskutiere ich das Thema gerade viel ernsthafter als es gemeint war. Nehmt es mir nicht übel. Was Sprache angeht, neige ich zu Purismus. Ich kann halt nicht aus meiner Haut.
MfG