Tach,
um mal wieder zum eigentlichen Thema „Fuji goodbye-warum?“ ein paar Punkte beizutragen, will ich einige Aspekte beleuchten, die abseits der ideologiebasierten Systemfragen-/Sensorgrößen-/Äquivalenzdiskussionen liegen. Letztlich gilt: es muß für den Einzelnen passen und da ist bekanntlich jeder Jeck anders. Deshalb gibt’s von mir hier nur persönliche Einschätzungen ohne Anspruch auf Gesetzeskraft für alle.
Soweit der Vorspann, jetzt konkret: ich wollte eine aktuelle APS-C-Kamera mit möglichst kompakten Maßen und minimalem Gewicht, die mir bei Fotospaziergängen (Schwerpunkt tatsächlich Fotografie als Zweck des Spaziergangs, also nicht nebenbei) taugen sollte. Da ich viel unterwegs bin und immer Fotokram dabei ist (da ist Fotografieren in der Tat nebenbei angesagt), bin ich grundsätzlich zwar mit Sony-1-Zöllern (RX10IV und 100VII) gut aufgestellt, wollte aber für die „speziellen Momente“ wieder ein Wechselobjektivsystem mit erweiterten Möglichkeiten. Hatte bis Sommer 2019 für lange Jahre MFT-Zeug (zuletzt PEN-F mit PanaLeica 12-60 und 50-200) und war insbes. mit der AF-Performance nicht mehr zufrieden. War dann bis Jahresende nur mit den RX-Sonys unterwegs und habe spontan eine a6500 mit dem neuen 16-55 ausprobiert. Tolle Ergebnisse, aber die Ergonomie…(fehlendes Daumenrad, fummelige Knöpfe).
Nach langer Suche und Vergleichen habe ich mich dann für eine junge gebrauchte X-T30 mit einem Zusatzhandgriff (ohne ist die Kamera für mich überhaupt nicht vernünftig zu halten) und dem 18-55 entschieden. Maße und Gewicht liegen am unteren Ende im Vergleich, aktueller Sensor und guter AF sind an Bord. Dazu die Hoffnung, mit den vielen dedizierten Einstellrädlein und –knöpfchen eine quasi-analoge Arbeitsweise wiederbeleben zu können.
Das funktioniert in der Theorie auch gut, aber die Praxis zeigte nach kurzer Zeit, daß das Konzept für mich nicht wie erwartet funktioniert, weil es nicht zu Ende gedacht ist. Zwar gibt es eine Menge Einstellräder, einen Joystick und viele Funktionstasten, aber Anordnung und Bedienbarkeit lassen keine flüssige und intuitive Arbeit damit zu. Ich habe durchschnittlich große Hände und von Anfang an Schwierigkeiten mit der Erreichbarkeit des Joysticks und der blinden Bedienung der Rädchen verspürt. Man sollte meinen, daß das Gewöhnungssache ist, aber wenn mir nach relativ kurzer Zeit die Finger wehtun, weil ich mich verrenken muß, um essentielle Sachen bedienen zu können, macht das keinen Spaß. Klar kann man sagen: falsches Modell gewählt, die H1 mit ihrem großen Griff ist da eher geeignet. Ist aber schon wieder zu groß/schwer…
Ein zweiter Punkt betrifft das Menü. Viele regen sich diesbezüglich über Sony und Olympus auf. Fuji toppt das für mich locker: ich habe noch nie so lange in den ellenlangen Menüreitern zugebracht wie mit der T-30, um die Grundkonfigurationen meinen Wünschen anzupassen. Das konnte ich weder intuitiv erfassen noch mit vertretbarem Zeitaufwand erlernen. Und ich bin immer bereit, mir Neues anzueignen, habe mir die Video-Tutorials von Nick Schreger (Youtube: ishootyou, übrigens gut gemacht) angeschaut und bin dennoch nicht warm geworden. Es gab immer wieder Sachen, die ich suchen mußte und die sich nicht so einstellen ließen, wie ich mir das vorstelle.
Und warum man „Formatieren“ nicht ins MyMenu speichern kann, wird das Geheimnis der Fujianer bleiben… Stattdessen gibt es diesen geheimen Shortcut „Papierkorbtaste und hinteres Einstellrad drücken“. Wer denkt sich sowas aus??
Die Übersetzung mancher Menüpunkte ruft Stirnrunzeln und Ratlosigkeit hervor. Das ist zwar nicht nur bei Fuji so, aber hier betrifft es auch zentrale Punkte: warum wird der Joystick „Fokushebel“ genannt? Das kann man mit gutem Willen als Folklore einordnen, hilfreich ist es nicht… Schließlich habe ich auf Englisch umgestellt, da ist es etwas weniger Kauderwelsch. Gleiches trifft übrigens auch auf Webanleitungen von Fujifilm zu, da herrscht buntes Durcheinander bei den Sprachen und es sind sehr viele Übersetzungsfehler vorhanden.
Den Vogel abgeschossen hat aber die Camera Remote App. Ich mag es, auf Reisen ausgewählte Bilder aufs Smartphone zu ziehen und zu versenden. Mit Olympus, Sony u.a. eine Sekundensache: Verbindung herstellen, App starten, zack – Bilder rüberziehen. Mit der T-30 und der Fuji-App war ich kurz vor einem Tobsuchtsanfall. Nach dem gefühlt 37. Versuch kam einmalig eine Verbindung zustande und ich konnte Bilder aufs Smartphone ziehen. Beim nächsten und allen folgenden Versuchen – Fehlanzeige, trotz Reset, Neustart aller Komponenten, Beachtung aller Hinweise etc. Das geht so nicht. Im Netz finden sich übrigens diverse Ergüsse von frustrierten Nutzern dazu.
Ein letzter Punkt: die vielerorts gelobten Filmsimulationen haben mich nicht überzeugt. Ich habe keine Einstellung gefunden, deren Ergebnisse ein zufriedenes Nicken auslösten. Da war immer ein „hm, naja, nicht verkehrt, aber…“. Ist offenbar nicht meins, mit einer Ausnahme: die Acros-S/W-Einstellung ist (natürlich motivabhängig) sehr sehenswert.
Fazit: das war ein in jeder Hinsicht aufwendiger und im Ergebnis zwiespältiger Versuch, der mich mit gemischten Gefühlen zurückließ: einerseits aktuelle Hardware und gute Papierdaten, andererseits viel Luft bei der Ergonomie. Die Bildergebnisse sind technisch gesehen hervorragend, die Fuji-Farben und die Filmsimulationen muß man mögen, ich werde nicht wirklich warm damit. Und die App ist Crap…
Für viele mögen das nachrangige Punkte sein und wie ich eingangs schrub: jeder hat andere Prioritäten. Bei mir führte es schlußendlich zu: Fuji – good bye!