Lowepro Flipside 300 - angetestet
Hallo,
vor einigen Tagen hatte ich mir für den Urlaub noch auf die Schnelle beim großen Buchhändler einen Fotorucksack bestellt. Vorgabe war: Pentax K10D mit angesetztem Sigma 70-300, Sigma 17-70, Filter, Regenschirm, Filter und Krimskrams soll reinpassen, Stativ unter 2 kg, ca. 55 cm soll sich "irgendwie" unterbringen lassen, das Ding sollte als Rucksack tragbar sein und auch "schottlandtauglich" sein, also mal einen Schauer aushalten können.
Dabei stieß ich unvermeidlich auch auf den Flipside 300, der versucht, die Bedürfnisse des Fotografen ohne Fotolehrling (meine Frau hasst das) umzusetzen, indem man ihn bei geschlossenem Bauchgurt bei Bedarf von den Schultern streift und nach vorne schwingt und quasi als Bauchladen von der Rückseite her öffnen kann. Hübscher Nebeneffekt: So kann niemand unbemerkt im Gewühl den Rucksack von hinten öffnen. Das Prinzip ist eigentlich genial, denn man kann sich so, ohne den Rucksack abnehmen zu müssen, aus dem "Bauchladen" bedienen, Objektive wechseln, reinigen und was weiß ich.
Leider scheint das Konzept aber nicht konsequent umgesetzt. Äußerlich macht der Rucksack zwar eine Menge her, Polsterung und Material scheinen von guter Qualität, das Gewicht ist im Rahmen, der Rucksack trägt sich gut. Die Farbe blau-grau-schwarz ist auch lange nicht so schreiend, wie sie auf vielen Bildern wirkt, eher dezent. Die Fehler liegen aber im Detail und sind zahlreich:
- Der Bauchgurt ist dünn - was er für die "Nachvornschwingfunktion" vielleicht auch sein muss (damit die Jacke nicht mitgerissen wird), aber zumindest die Aufhängung des Gurtes (Winkel) am Rucksack scheint mir ergonomisch nicht perfekt gelöst, auch fehlt hier eine anständige Polsterung für die Hüften.
- Der Bauchgurt schließt mittig, das viel zu schmale Brustgürtchen aber seitlich am Schultergurt - das irritiert und führt zu ständigen Fehlgriffen. Mein Gott, schaut denn da niemand mal bei den großen Rucksackherstellern genau hin?
- Die Klappe am Rücken lässt sich nicht bis unten öffnen (was dem Rucksack wohl andererseits Stabilität verleiht und ihn als Bauchladen nicht einfach nach unten knicken lässt), die Folge ist auf jeden Fall: Man kommt schwer an diesen Bereich heran. Und ich habe doch so empfindliche Fingerchen, bei Kontakt (Reibung) mit diesem synthetischen Zeugs "rollt sich mir regelmäßig die Nagelhaut auf" und reißt ein.
- Die 2 1/2 Teilung des Innenbereiches ist meiner Meinung nach zu schmal, denn irgendwie passt es für 2 Objektive (zumal wenn da jemand fettere Gläser mit sich herumträgt) am Ende nicht so richtig. Nun gut, "irgendwie" passt es, aber es ist eine elende Fummelei und widerspricht dann dem Konzept der schnellen Zugänglichkeit. 2 bis 3 cm mehr hätten hier viel gebracht. Vielleicht passt das beim kleineren Flipside sogar besser, auch wenn man hier kein Fach für den Blitz (oder Schirm) hat.
- Die Inneneinteilung ist nicht variabel genug, es fehlen Befestigungspunkte für das Klettzeugs, um das alles anzupassen.
- Die seitliche Reißverschlusstasche schließt nach oben, ist so für jeden leicht zugänglich und weil sich die letzten Millimeter bauartbedingt nicht schließen lassen, offen für Regen, Dreck, Fett und Reste - ein Witz. Dass dieser Reißverschluss dann noch an einem innen befestigten Netz übelst hakt, hinterlässt nur Ärger, da hilft auch kein Seifentrick.
- Die Befestigung des Stativs erfolgt mit einer ausfaltbaren Fußtasche, in die man ein oder zwei Füße des Stativs stellen kann und einem Gurt weiter oben am Rucksack. Leider ist das Stativ so nie wirklich fest. Das Material der Tasche scheint mir auf Dauer problematisch, ein kleines Stück Leder wäre hier hilfreich. Diese Tasche ist winzig, ein kräftiger Hüpfer oder ein Dauerlauf und das Stativ hüpft ebenfalls raus. Der Verschlussmechanismus oben am Rucksack ist nicht das Gelbe vom Ei - "Befestigung" ist anders. Ein dritter Befestigungspunkt in der Mitte hätte viel geholfen, Platz wäre vorhanden. Ärgert man sich schon mit einer halbherzigen Lösung für die Befestigung, ist das Entnehmen des Stativs der reine Horror: Flipt man den Rucksack nach vorne und öffnet den Bauchladen, rutscht das Stativ gerne nach vorne unten und gerne aus der Fußtasche heraus, eben weil es nur einen labilen Befestigungsgurt gibt. Lösen lässt es sich so sowieso kaum, man sieht nichts und die Arme sind zu kurz, wieder befestigen ebenfalls fast unmöglich - also Rucksack abnehmen. Und da hat man dann auch gleich an einer Gummisohle gespart, also landet der Rucksack im Dreck.
- Wie sich der Rucksack bei Hitze bewähren wird, weiß ich nicht, aber es gibt kein Konzept dafür. Der wird schön am Rücken kleben. Bei kühlem Wetter aber kein Problem.
Für mich persönlich überwiegen die Nachteile die Vorteile und ich habe mich für die Rücksendung des Rucksacks entschieden. Für den gerade anstehenden Urlaub hatte ich eine andere Lösung gewählt: Ein herkömmlicher Rucksack, in den ich einen Pappköcher gestellt hatte. Darin das Stativ. Und so wie dereinst der letzte Mohikaner Chingachgook - die große Schlange - seine Pfeile aus dem Köcher zog, griff ich ab und an nach meinem Stativ - nicht ideal, aber in die richtige Richtung weisend. Meine alpintaugliche Northface Jacke hat absolut regendichte Taschen, die nehmen auch locker ein 70-300 auf und eine kleine Seitenumhängetasche reicht für die Pentax mit 17-70. Meine Frau musste aber zähneknirschend ab und zu Kameraassistentin spielen - ging auch.
P. S. Oh Gott, ich sehe gerade, es gibt einen Taschen- und Rucksackthread ... nu isset zu spät.