Meiner Meinung nach fallen ruckzuck Kosten in ganz anderer Größenordnung an. Fahrtkosten beispielsweise, professionelle IT-Ausstattung, Aufstockung der Fotoausrüstung, und je nach Motiven Reservegeräte, bezahlte Helfer, Reparaturen bzw. Ersatzbeschaffungen bei Defekten.
Das kommt dann auf den Einzelfall an. Daß Leute sich ein halbes Jahr vor dem Kauf der ersten Kamera als Fotograf selbstständig machen wollen, ist für mich ein neues Phänomen. Vielleicht sind das alles eifrige Leser von Roberts Buch, dann ist ihm das zu gönnen - hätte ja jeder von den Leuten hier auch schreiben können. Andererseits ist es blöd, sich einen Kleintransporter zu kaufen und dann zu überlegen, daß ein Heizölhandel kein schlechtes Geschäft wäre.
Bis jetzt haben die meisten Leute die notwendige Technik ohnehin gehabt, die schon mehr oder weniger leidlich beherrscht und sich lediglich mit Spezialthemen wie der Verschlagwortung auseinandersetzen müssen. Wir haben das ja beim Foto-Talk gesehen: da hat jemand angefangen das Essen, was für die Familie ohnehin gekauft werden mußte, vorher kurz ins Lichtzelt gestellt und für die Fotos lange Zeit Abnehmer gefunden. Foodfotografen kaufen die Zutaten für ihre Gerichte nicht beim Aldi, sondern beim OBI - dann kostet das natürlich extra.
Viele, die in Foren über Microstock nachdenken, scheinen finanziell wenig Spielraum zu haben. Das kann dann fast nicht funktionieren.
Im Bewußtsein der Leute hier in Deutschland ist der Fotograf einer, der einen schwarzen Kasten hochhebt, auf einen Knopf drückt und die Chuzpe besitzt, dafür ein Geld zu verlangen. Die eigentliche Arbeit findet in ihrem Bewußtsein nicht statt, was mit der eigenen Anspruchslosigkeit in Bezug auf Fotos korrespondiert. Und die schwarzen Kästen unterscheiden sich zuallerst durch den Eurobetrag, der für sie abzudrücken ist. Je höher dieser Betrag, umso besser dann die Fotos. Es ist quasi undenkbar, daß sich ein Bild einer 5D3 nicht wie geschnitten Brot verkauft.
Diese Leute sind aber keine Konkurrenz für die Stockfotografen. Die am Markt verbliebenen Agenturen verfügen über ausreichend Erfahrung im Umgang mit solchen Bewerbern. Die Erstellung einer Bewerbungs-CD mit 50, 100 oder mehr stockmarktfähigen Bildern einzuliefern, von denen sich der Bildredakteur mehr als zehn oder zwanzig anschaut, bevor er sie in den Müll wirft, dürfte für die überwiegende Mehrzahl der Interessenten eine unüberwindbare Hürde darstellen.
Ist jemand pfiffig und interessiert sich dafür, was stockmarktfähig wäre, anstatt einfach 100 seiner besten Bilder loszuschicken, dann stellt er womöglich fest, daß er dergleichen nicht hat und braucht erstmal mehrere Wochen / Monate, um sich ein Bewerbungsportfolio zuzulegen.
Was immer noch keine Garantie ist, daß er damit unterkommt. Die Pfennigerträge korrespondieren eben keinesfalls mit der Qualität, die im Microstock mittlerweile verlangt wird, weil es dort ausreichend Fotografen gibt, die erstklassige Bilder abliefern. Man muß sich also nicht mehr die Qualität des Portfolios mit durchschnittlichen Bildern von Novizen verwässern. Daß bei der Selektion der später hochgeladenen Bilder durchaus auch Gurken durchrutschen, ist eine andere Frage - das ist eben wie bei der Fahrprüfung: Fehler, die dort zum Durchfallen führen, kosten einen nicht gleich den Schein, wenn man ihn einmal hat.
Insofern ist es durchaus die Frage, wieviele von den Leuten, die hier nach Microstock fragen, sich überhaupt mal die Seite eine Stockagentur anschauen, sich dann dort bewerben, angenommen werden und es irgendwann mal zu einem nennenswerten Portfolio bringen. Zu den gängigen Schutzmechanismen gehört es, Einlieferern von durchwachsener Qualität sukzessive die Anzahl der Bilder, die sie in einem bestimmten Zeitraum einliefern dürfen, zusammenzustreichen oder deren Einlieferungen über Wochen liegenzulassen. Wer dann im Monat noch zwanzig Bilder in die Selektion bekommt, kann den Fotografenvertrag gleich wieder kündigen.