Tach zusammen,
habe mich jetzt mal mit dem o.g. Schwabe-Artikel beschäftigt und ein bisschen rumüberlegt. Er bezieht sich zwar auf die 5D3, aber das sollte von den Prinzipien her auf die 70D übertragbar sein.
Aber der ganz große aha-Effekt ist bei mir leider ausgeblieben. Zumindest kann ich davon nichts auf das beschriebene Problem übertragen.
Das sehe ich nicht ganz so. Zwar spekuliere ich viel, aber der Artikel gibt einiges zu denken, da er genau unsere Problemzonen anspricht.
Hier daher mal einige Schwabe-Zitate und meine Ideen dazu. Vielleicht kommen wir dann ja auf neue Gedanken.
"Die EOS 5D III hat im Idealfall 41 Kreuz*
und 20 Liniensensoren (abhängig vom verwendeten Objektiv).“
Wie bitte - das ist vom Objektiv abhängig? Dann könnte man ja überhaupt keine Vorhersagen treffen, wie gut und mit welchen AF-Feldern welches Objektiv am besten zusammenarbeitet, schon gar nicht bei einer nagelneuen Kamera, deren AF-Sensor womöglich neu designed ist (ist schließlich ein neuer, bisher nirgends verwendeter Bildsensor dahinter). Dass er dieselben Features wie der der 7D hat, muss ja nicht heißen, dass es DERSELBE Sensor mit der derselben Programmierung ist…
Interessant ist in dem Zusammenhang ist auch, dass zwar das mittlere AF-Feld das empfindlichste ist. Diese Empfindlichkeit rührt aber - zumindest bei der 5D3 - von weit außen liegenden Diagonalsensoren her. Je nach Brennweite und maximaler Offenblende werden die aber gar nicht beleuchtet und arbeiten somit auch nicht. Und weg ist die Empfindlichkeit des mittleren AF-Feldes, in das man das Objekt (Motiv) der Begierde gerückt hat. Nimmt man ein benachbartes Feld, werden vielleicht (so verstehe ich es), andere AF-Sensoren aktiviert, die beim verwendeten Objektiv mehr (oder überhaupt) Licht abbekommen und daher besser für korrekten Fokus sorgen können.
Schwabe führt außerdem aus, dass durch trigonometrische Berechnungen die Entfernung des scharfzustellenden Objektes ermittelt wird. Da wir hier immer nur von weit entfernten Objekten reden, noch dazu oftmals inmitten kontrastarmer Umgebung, könnte sich der Sensor da evtl. verhauen. Bei meinen Versuchen mit dem 50 / 1.8 II fokussierte ich auf Blumentopf, Garagendach und Autofelge in der Bildmitte. Da die aber alle sehr weit entfernt waren, machten sie bei 50mm Brennweite nur einen minimalen Teil des Bildes aus. Der Rest drumherum war viel prominenter und lieferte natürlich auch einen viel größeren Anteil des Lichts, das vom AF ausgewertet wird.
„Seit dem Frühjahr 2013 sind einige weni*ge Sensoren als reine Liniensensoren ab
Offenblende f/8 verfügbar, sofern Sie die Firmware ab Version 1.2.x in der Kamera verwenden.“
Aha, zumindest an der 5D3 können AF-Sensoren also per Firmware umkonfiguriert werden?! Das klingt so, als sei deren Funktion nicht unbedingt in Stein (a.k.a. Platinenhardware) gemeißelt, sondern kann modifiziert werden. Das bringt Hoffnung, dass sich die AF-Funktion der 70D zumindest finetunen ließe.
"Damit ist die Betrachtung des AF aber nicht zu Ende. Canon gibt an, dass die Diagonalsensoren ab f/2,8 arbeiten und dass es davon fünf Felder gibt. Diese Aussage ist grundsätzlich richtig, muss aber ein*geschränkt werden. Verwenden Sie eines der EF 70– 200/2,8 L*Objektive, werden alle fünf Diagonalsensoren angesprochen, nehmen Sie stattdessen eins der Version EF 24–70/2,8 L (Version I), arbeitet nur noch das zentrale Feld als Diagonalsensor hoher Empfindlichkeit. Nehmen Sie ein EF 100/2,8*Makro (L und Non*L!), dann funktioniert keiner der Diagonalsensoren mehr."
Uff, das heißt also, dass die Fähigkeiten des AF und dessen Feldern von Objektiven, deren Design und Brennweiten abhängt. Schwabe erklärt das damit, dass bei OB-Fokussierung eine Vignette an den Sensorrändern entsteht. Diese ist bei kurzen Brennweiten und großer Blende scharfgezeichnet, d.h. dort dringt GAR KEIN Licht durch die Vignette, um die sensiblen Diagonalsensoren im Randbereich zu beleuchten. Sie können dann also nicht der genauen Fokusfindung dienen.
Bei längeren Brennweiten ist die Vignette weicher, sodass zumindest etwas Licht durchdringt und die sensiblen Sensoren beleuchtet. Zu Problemen mit den 50mm-Objektiven und den 18-35 etc. würde das passen. Zum 85 / f1.8 dann aber nicht mehr, es sei denn, es liegt grade so ihm Grenzbereich.
Makroobjektive arbeiten laut Schwabe im Nahbereich nicht mit f2.8, sondern nur mit 5.6, sodass auch sie kein Licht auf die sensiblen Rand-Sensoren durchlassen.
„Wenn Sie durch den Sucher schauen und das zentrale AF*-Messfeld betrachten, liegt die Vermutung nahe: Hier wird in der Mitte des Objektivs gemessen. Diese Annahme ist jedoch falsch.“
Stattdessen läuft das Licht vom gesamten Objektiv in der Fokusebene zusammen und wird über Teilerlinsen auf die AF-Messpunkte projiziert.
Was ich daraus mache: Bringe ich ein vermeintlich kontrastreiches Objekt in die Bildmitte (das mittlere AF-Feld), dann misst der AF-Sensor eben nicht nur dieses Objekt, sondern erhält Informationen des Gesamtbildes, und das kann eben in der Summe zu kontrastarm sein. Vielleicht kommen daher die Probleme, wenn man auf Waldränder, Gestrüpp, Baumrinde etc. fokussieren will: Das ist insgesamt zu kontrastarm, ganz egal, was nun über dem mittleren AF-Feld liegt.
Dem widerspricht allerdings die Tatsache, dass andere Kameras in der gleichen Situation sehr wohl mit dem Bild umgehen können. Meine 550D hat mit dem 50 / 1.8 II keine Probleme gehabt, die 70D aber schon (ganz genau gleicher Testaufbau).
Hinzu kommt: WENN der AF-Sensor der 70D anders aufgebaut und anders programmiert ist als der anderer Kameras, dann müssten die Phänomene an ALLEN 70D mit ALLEN problematischen Objektiven nachvollziehbar sein.
Bevor die User ohne Probleme wieder schreien: Da die AF-Funktion vom Sensordesign, dessen Programmierung, dem Objektiv UND der Brennweite abhängt, könnte es ja sein, dass wir so ein heterogenes Bild von problematischen Bodys und Objektiven haben, weil jeder User sich einen Testaufbau ausdenkt - aber eben nur EINEN. Der liefert dann vielleicht für sein 50mm-Objektiv nicht genug Kontraste, für sein 85mm-Objektiv aber schon. Also hält er seine Kamera für betroffen, aber nur mit dem 50mm-Objektiv. Würde er aber einen für das 85mm-Objektiv ungünstigen Testaufbau wählen, würde es dort vielleicht versagen, das 50mm aber nicht.
Rausfinden könnte man das nur, wenn man mit zwei Bodys und einem Objektiv einen Testaufbau durchführt, wobei genau der an genau dem Objektiv schon mal versagt haben müsste - dann müsste der zweite Body ebenso versagen.
Dem widerspricht allerdings die Erfahrung eines Users hier, der im Laden EIN Objektiv an mehreren Bodys testete und nur beim Vorführgerät einen brauchbaren Fokus bekam. Diese Geschichte macht leider alle vorherigen Ideen kaputt… :-(
Dennoch: Obwohl nichts wirklich KLAR geworden ist, sehe ich zumindest die Komplexität des Systems und welche Parameter darauf einwirken. Da kann man sich durchaus ein Gedankengebäude basteln, das einige Teilaspekte unserer Fokusprobleme nachvollziehbar macht. Ob für Canon da nun jemals Handlungsbedarf besteht, ist fraglich. Der AF-Sensor der 70D macht wahrscheinlich genau das, was die Ingenieure ihm eingeimpft haben. Das ist vielleicht anders als bei allen anderen EOS bisher und verlangt von uns Usern mehr Mühe, mehr Aufpassen und eine gewissen Eingewöhnung. Man darf gespannt sein, was noch alles passiert...
Viele Grüße,
Christian