Die Fotografin ist traurig, dass das Bild bei der Verleihung keine Wirkung gezeigt hat. Beifall für die Fotografin, aber keine Betroffenheit der Gäste über das Bild auf der Bühne. Ich glaub, sie hat es anders gewollt und ist an der Schikeria der Veranstaltung gescheitert. Sie hat in diesem Moment mit ihrem Bild nichts bewirkt, deshalb befriedigt sie auch der Preis nicht. Es geht im Film nicht darum zu zeigen, wie wichtig die Kriegsfotografie ist usw., sondern wie abgestumpft wir sind.
Ich halte Deine Interpretation für falsch. Dass es um eine Preisverleihung geht, stellt sich erst ganz am Schluss heraus. Bis dahin geht es nur um die Erinnerung der Fotografin an das Ereignis. Dass das Foto keine (oder die falsche) Wirkung gezeigt hätte, lässt sich an dem Film auch nicht ablesen. Allein die Tatsache, dass für diese Art von Fotos Auszeichnungen verliehen werden, belegt doch, dass die Gesellschaft solchen Bildern hohe Bedeutung beimisst. Wären wir abgestumpft, würden wir diese Fotos gar nicht bemerken.
Und schließlich verstehe ich immer noch nicht, was an der Preisverleihung so schlimm sein soll. Wir reden immerhin über Journalisten. Das sind weder Heilige noch emotionslose Roboter. Sie machen eine Arbeit, die sich in höchstem Maße an die Öffentlichkeit wendet. Schließlich schreibt man seinen Namen über Texte und unter Fotos. Wenn man das tut, will man nicht, dass der Leser urteilt "Was für ein Depp!" Zu dem Beruf gehört also durchaus auch ein gewisses Maß an persönlicher Eitelkeit. Schau Dich doch nur mal hier im Forum um, wie viele Leute das Bedürfnis haben, ihre Fotos irgendwo zu zeigen. Warum sollte man es da als Makel auffassen, wenn man einen Preis bekommt? Warum sollte es einen Fotografen "adeln", wenn er ein gutes Bild macht und niemand es wahrnimmt? Es ist doch gerade der Zweck der Übung, möglichst viel Aufmerksamkeit zu erregen.
Übrigens spreche ich gerade nicht von Effektheischerei. Wer journalistisch arbeitet, kann sich nur sehr begrenzt nach den Maßstäben und Bedürfnissen "des Lesers" richten, denn die kennt er ja gar nicht. Man muss schon eigene Maßstäbe haben. Den Leuten, die "in den Krieg ziehen", um davon Fotos zu machen, unterstelle ich solche Maßstäbe. Die wollen etwas zeigen, was sie für wichtig halten.
Auch deshalb habe ich weiter oben gefragt, ob "Neutralität" für deren Arbeit wirklich so wichtig ist. Muss man in so einer Situation nicht eher ausgeprägt parteiisch sein? Schließlich zeigt kein Foto die gesamte Wirklichkeit sondern immer nur einen sehr kleinen Ausschnitt davon. 24 mal 36 Millimeter groß. Welchen Ausschnitt er zeigen will, entscheidet der Fotograf. Wie kann er das, wenn er "neutral" ist?
Übrigens denke ich, dass die Kriegsberichterstatter eine ganz besonders Spezies innerhalb der Zunft sind. So einen Beruf ergreift man nicht nur des Geldes wegen. Dazu gehört imho auch große Affinität zu den gewalttätigen Situationen, die sie abbilden. Leute wie Capa und Seymor waren "Landsknechte", die von Kriegsschauplatz zu Kriegsschauplatz gezogen sind. Dass sie es als Berichterstatter getan haben, ist vielleicht Zufällen in ihrer Sozialisation geschuldet. Etwas andere Umstände - und sie wären möglicherweise als Soldaten herumgezogen.
Das Bild hat nichts bewirkt, außer dass es prämiert wurde. Erst das Video hinterfragt, worum es der Fotografin ging. Hier im Fotoforum wird über ein Video diskutiert und als Erfolg gesehen, weil es die Dikussion (hier) bewirkt hat. Da kommt die Frage auf, ob wir nicht auf die Kriegsfotografie verzichten können, wenn Videos mehr bewirken.
Ich kenne "Kriegsfotos", die sehr viel mehr bewirkt haben als dieses Video jemals wird. Das Video würde es gar nicht geben, wenn es keine Kriegsberichterstattung gäbe - und wenn die nicht so kontrovers diskutiert würde. Ohne die Bilder vom Krieg wäre das Video also bezugslos und sinnlos und würde außer Kopfschütteln gar nichts bewirken. Es ist nur ein "Abklatsch" der Realität.
Ist Kriegsfotografie verzichtbar? Darüber kann man sicher diskutieren. Würden wir darauf verzichten, würde vielen Menschen der Morgenkaffee zweifellos besser schmecken. Und all die Kriege der letzten Jahrzehnte hätten aus unserer Sicht gar nicht stattgefunden... Nur durch die Bilder wissen wir: Da war was! Und das müssen gar nicht mal die Bilder sein, die das "beabsichtigt" haben. Die Fotos, die in den vergangenen paar Jahren die größten "Verwerfungen" ausgelöst haben, sind "unbeabsichtigt" veröffentlicht worden. Zum Beispiel die Folter-Erinnerungsfotos aus Abu Ghraib oder die Bilder von den Spielchen gewisser Bundeswehrsoldaten mit Totenschädeln.
Was mich wieder zu der Frage bringt: Muss man neutral sein? Ich bin eher der Meinung, dass JEDES veröffentlichte Foto ein gutes Foto ist. Je mehr es davon gibt, desto eher bin ich in der Lage, mir ein eigenes Bild von Ereignissen zu machen, die ich selbst nicht gesehen habe. Und ich persönlich will mir ein Bild machen. Wer das nicht will, soll halt nicht hinschauen. Er soll mich dann aber auch mit diesem Gerede über "guten Geschmack" und "Persönlichkeitsrechte der Opfer" verschonen.
MfG