AW: E-500 und ISO 1600 - bin positiv überrascht
Hi Horstl,
Dir unterläuft hier, fürchte ich, was aus dem anzitierten Posting sehr gut hervorgeht, meiner Meinung nach ein kategorialer Irrtum:
Emotion in "Tests" oder testähnlichen Betrachtungen dient, wenn es um die Geräteauswahl geht, nicht wirklich der Fotografie und auch nicht den Emotionen in der Fotografie, die man da irgendwie ausdrücken möchte.
Hallo Robert,
ich fürchte Du mißverstehst, was ich zum Ausdruck bringen wollte. Es ist auch nicht leicht zu beschreiben, deshalb habe ich es zuerst auf die witzige Art versucht, jetzt extra für Dich auf die eiskalte, völlig emotionslose Art (hoffentlich gelingt mir das):
Ich stelle nicht in Frage, daß es sinnvoll sein kann zu versuchen etwas rein nüchtern zu vergleichen oder sich an Tests zu orientieren. Was ich in Frage stelle, ist die Art und Weise wie es häufig gemacht wird, und die Art und Weise wie die Ergebnisse oftmals interpretiert werden. Und wie manche Menschen sich in eine Abhängigkeit vom Urteil anderer begeben, ohne es zu merken. Wenn ich am Zeitschriftenstand vorbeikomme, dann kann ich es manchmal nicht fassen, für was es alles Testmagazine gibt. Ja sind denn die Leute wirklich schon so bescheuert, daß sie sich keinen Zehennägelknipser mehr zu kaufen trauen, ohne vorher fünf Testberichte (von denen jeder was anderes sagt) zu lesen?
Und wenn es um die Beurteilung eines digitalen Aufnahmesystems mit wechselbaren Optiken geht, ja dann gibt es drei Möglichkeiten:
1.) Ich beschäftige mich wirklich ernsthaft mit der Thematik, dann wird es sehr kompliziert und aufwändig, aber die Chancen stehen gut, das -halbwegs- Richtige für mich zu finden (Garantie dafür ist das aber noch lange nicht, und Kompromisse wird es auch geben, manche finden heraus, daß es das "Richtige" für sie gar nicht gibt)
2.) Ich beschäftige mich halbherzig damit, dann muß ich glauben was andere für mich als gut befinden und was die Bestenlisten anführt; "Features" abzählen (mehr ist sicher besser) um für mich selbst die Befriedigung zu haben einen guten Kauf gemacht zu haben (zumindest das dann zu glauben)
3.) Ich kaufe einfach was mir gefällt/was ich mir leisten mag ("Emotion")
Wer wie an die Sache herangeht, ist jedem selbst überlassen.
Nur fürchte ich, daß viele aus Kategorie 2.) irrtümlich glauben, sie wären in Kategorie 1.).
Und weiters, daß die allermeisten aus Kategorie 1.) und 2.) sehr wohl was aus Kategorie 3.) an sich haben, ob sie das wollen oder nicht, ob sie es selbst erkennen oder nicht. Der Eine mehr der Andere weniger. Da wird es nur sehr wenige Ausnahmen geben (vielleicht bist Du eine, ich kann es mir aber schwer vorstellen).
Wenn man eine statistische Auswertung über alle auf diesem Planeten gemachten Fotos machen könnte, in der Reihenfolge der besten technischen Qualität, und diese nach Häufigkeit den Gruppen zuordnen würde, wie würde das Ergebnis aussehen? -Vermutlich Reihenfolge 1.) 2.) 3.). ( 2.) und 3.) vielleicht gleichauf, reine Spekulation von mir.)
Wenn man nun die gleiche Statistik nach "Qualität" der Bilder insgesamt (das Schönste, das Spektakulärste, das Berührendste, das Erschreckenste, das Aussagekräftigste, das Seltenste, das Geilste (hallo Franz)...) machen würde, wie würde das Ergebnis aussehen? Gleiche Reihenfolge?
Wenn ja, alles in Butter.
Wenn nein, dann hätte ich hier einen Test gemacht, der andere Tests indirekt widerlegt, oder deren Sinnhaftigkeit in Frage stellt, denn wenn 3.) auf Platz eins ist, dann hat die Testerei und komplizierte Entscheidungsfindung von 1.) und 2.) nicht zum Ziel geführt und die "qualitativ" besten Bilder haben sich nicht eingestellt (außer man reduziert es wieder auf die reine Technik). Oder wenn ich dann eiskalt und nüchtern beurteile, dann ist die Aussage die, daß man möglichst alles was man an Testerei so gesehen, gehört, gelesen hat zu vergessen, und sich blindlings (emotional) für etwas zu entscheiden.
Kann sich wieder jeder aussuchen wie er vorgeht. Ich gebe aber zu bedenken, daß sogar diese Entscheidung schon eine emotionale ist. Auch die Entscheidung sich mit Fotografie überhaupt zu beschäftigen ist eine emotionale (Ich gehe mal nicht davon aus, daß jemand gegen seinen Willen dazu gezwungen wurde)
Wenn es um die Frage geht, mit welchen Instrumenten man am besten in der Lage ist, Emotionen zu einem Foto zu destillieren, hilft für die Auswahl dieser Instrumente am allerbesten eine eiskalte, völlig emotionslose Untersuchung der nackten technischen Eigenschaften der in Frage kommenden Gerätschaften.
Das sehe ich völlig anders. Das ist eine Illusion, kein Mensch entscheidet so, schon gar nicht wenn es um etwas geht, das für einen nicht emotionslosen Zweck bestimmt ist (bei manchen zumindest, bei einigen bin ich mir eh nicht sicher für was sie sowas überhaupt haben).
Frage einen Baggerfahrer, was für einen neuen Bagger er gerne fahren würde, frag eine Köchin welche Suppentöpfe sie haben möchte, geh Weihnachtsgeschenke für die Kinder kaufen, frag einen Physiker, was für ein Flugzeitmassenspektrometer er haben möchte, frag Crushi welche Tastatur er bevorzugt, und dann sieh Dir all die Ergebnissen genau an, ob das alles "eiskalte, völlig emotionslose Entscheidungen aufgrund der nackten technischen Eigenschaften" sind. Keine wird es sein.
Wenn Deine Ansicht stimmen würden, dann dürfte es weder Werbung noch gestaltende Verpackungen noch Industrial Design geben. Oder rote (silberne) Ringe. Womöglich würde es nichtmal die Fotografie geben (außer für technische/dokumentarische Zwecke).
Und mir scheint, dass eine gewisse Unfähigkeit, die Fotografie und ihren ausgeprägten inhaltlich-emotionalen Aspekt sauber von dem kalten, technisch-physikalischen Aspekt der Kamera-, Objektiv- und Sensortechnik zu trennen, eine Hauptursache für Missverständnisse und ausufernde Threads ist...
Ja und nein, was gibt es da viel zu trennen? Extra für sauber getrennte Forumsdiskussionen? Daß das nicht funktioniert sieht man ja hier (zum Glück funktioniert es nicht, die Diskussionen möchte ich mal sehen, nach zwei Minuten wären alle eingeschlafen.) Technik muß nicht "kalt" oder trocken sein, ganz im Gegenteil. Was wäre sonst an einem mechanischen Uhrwerk faszinierend, an einem 15cm Durchmesser Apochromaten, an einer Kamera, die eine Million Bilder pro Sekunde aufnimmt, an einem Metallbody, der sich einfach gut anfühlt, an einem Kirschholzbody, der sich noch besser anfühlt?
Alles emotionslos?
LG
Horstl