Ich fotografiere gerne analog und in Farbe. Nicht nur, aber besonders gerne. Ich bin der einen oder anderen Flickr-Gruppe rund um analoge Fotos beigetreten und schaue so sehr regelmäßig, was andere Amateure so knipsen mit ihren Filmkameras. Dabei ist mir nach einiger Zeit neben vielen Aspekten insbesondere aufgefallen, dass wahnsinnig viele Bilder sehr farbstichig sind. Damit meine ich nicht Lomo-artige Bilder, bei denen ich davon ausgehe, dass das so gewollt ist. Ich meine auch nicht die verschiedenen typischen Film-Looks, die Farben recht unterschiedlich darstellen, wie z.B. die Pastellfarben eines überbelichteten Pro 400H oder die kräftigeren Farben und Kontraste eines Agfa Vista. Ich meine Bilder, bei denen ich vermute, dass sie anders gemeint waren als das Ergebnis letztendlich geworden ist. Beispiele dafür sind eigentlich schöne Portraits mit allerdings starkem Rotstich und damit unschönem Hautton, Landschaftsaufnahmen, die einen total grünlichen Himmel haben und damit leider ein schönes Motiv und eine ordentliche Komposition ziemlich zunichtemachen und vergleichbare Farbfehler. Für viele liegen darin ein gewisser Charme und ein wichtiger Teil dessen, was Filmfotografie ausmacht. Ich für meinen Teil finde solche Bilder meistens eher unansehnlich und eher selten charmant unperfekt.
Ich würde außerdem behaupten, dass Filme, die von Profis digitalisiert wurden, seltener diese Eigenheiten aufweisen als zu Hause gescannte Filme. Oft erkennt man das an den eingebetteten Daten des genutzten Scanner-Modells. Ein Frontier- oder Noritsu Scan sieht meist doch ganz ordentlich aus. Es geht also auch in schön – nur scheint das nicht so einfach zu sein.
Nun scanne ich meine Farbnegative auch selber bei mir zu Hause mit meinem eigenen Scanner. Mir macht das Spaß. Allerdings finde auch ich es oft nicht ganz einfach, selbst aus gutem Ausgangsmaterial wirklich gut gelungene Farben und Kontraste heraus zu holen. Nicht selten kämpfe ich damit, offensichtliche Farbstiche zu entfernen und eine schöne Balance in die Kontraste zu bekommen.
Ich habe mit der Zeit einige Strategien entwickelt, wie ich zum Glück oft (wenn auch leider nicht immer) zu für mich ordentlichen Ergebnissen beim digitalisieren meiner Negative komme. Eine Lösung, die immer und sicher funktioniert, habe ich dabei leider noch nicht gefunden. Allerdings habe ich mittlerweile einen Ablauf, der zumindest in den meisten Fällen die zusätzlichen Anpassungen, die nötig werden gering hält.
An meiner Beispiel-Konfiguration aus einem Nikon LS-40 als Scanner und Vuescan als Software und Gimp als Editor möchte ich zeigen, wie ich zu meinen Ergebnissen komme und hoffe, damit dem einen oder anderen etwas zu helfen und – was ganz großartig wäre – selber noch gute Tipps und Hinweise zu bekommen, wie ich es noch besser machen könnte.
1. Das Fotografieren
Hier ist vor allem das Belichten wirklich (wirklich!) wichtig. Ich habe mir angewöhnt, jeden Film mindestens eine Blende zu überbelichten. Praktisch heißt das für mich, dass ich als ISO-Wert in meinen Kameras (EOS 300x und 33v) bei einem 400er mindestens einfach 200 einstelle, bei einem 200er 100 usw. Damit ist schon einmal eine gewisse „Sicherheitszone“ eingerichtet. Bei vielen Filmen kann man besser sogar noch weiter gehen, wenn die Belichtungszeiten es noch zulassen. Zusätzlich achte ich darauf, in den meisten Situationen auf die dunkleren Stellen im Motiv zu belichten. Die Taste zum Halten der Belichtungsmessung ist dabei in ständiger Benutzung.
Ich mache das, weil ich mit der Zeit gelernt habe, dass der Tod eines jeden noch so schönen Motivs ein unterbelichteter Film ist. Je mehr unterbelichtet eine Aufnahme ist, desto schwieriger, wenn nicht unmöglich, ist es für mich, aus den Bildern bei der Digitalisierung noch etwas herauszuholen. Die Folge sind matschige Schatten ohne Zeichnung und Kontur, sehr grobes, überpräsentes Korn und teils furchtbare, schwer kontrollierbare Farben. Bei S/W Fotos mag das alles nicht so tragisch sein, da gelten ohnehin etwas andere Regeln, bei Farbnegativen allerdings will ich das unbedingt vermeiden. Aus überbelichteten Stellen im Motiv kann man in der Regel noch unglaublich viel herausholen. Es passiert nur wirklich selten, dass mir die Lichter ausbrennen.
Diese Hinweise haben einige sicher auch schon an andere Stelle gelesen, schließlich habe auch ich das weniger selbst herausgefunden, als dass ich es gelesen, angewendet und für gut befunden habe. Ich möchte aber, auch wenn es nichts bahnbrechend Neues darstellt, noch einmal betonen, wie wichtig ich selber diesen Punkt finde. Für mich stellt das die notwendige Grundlage dar.
EDIT: Interessant dazu und gerade gefunden:
http://www.35mmc.com/02/05/2016/overexposure-latitude/
2. Das Scannen
Befolgt man den Rat, stets mindestens ausreichend zu belichten, gelingt also auch das Scannen viel eher. Und wie ich scanne, möchte ich hier zeigen. Vorne weg: auch diese Informationen sind so gut wie alle nicht ursprünglich von mir, vieles steht sogar schlicht in der Anleitung für Vuescan. Trotzdem habe ich auch schon zig Erfahrungsberichte und Problemlösungs-Themen in Foren gelesen, die darauf schließen lassen, dass oftmals völlig anders vorgegangen wird und eigentlich recht sicher zum Erfolg führende Tipps schlicht nicht umgesetzt werden. Deshalb auch noch einmal hier.
Zunächst einmal stelle ich die Software so ein, dass RAW-Dateien gescannt werden. Im Fall von Vuescan sind das TIFFs. Diese Dateien kann ich hinterher besser verarbeiten. Die Idee ist, dass ich Rohdaten bekomme, die möglichst neutral sind und mit wenigen Anpassungen in das finale Bild gebracht werden können. Dabei lasse ich Vuescan in erster Linie einen möglichst neutralen Scan, ohne große Anpassungen durchführen. Die möchte ich schließlich am RAW selber hinterher vornehmen. Hier also die Einstellungen, mit denen man ein neutrales RAW bekommt. Ein sogenanntes Film-RAW würde die Anpassungen, die man im Farb-Tab von Vuescan vornehmen kann mit einbeziehen, das möchte ich nicht.
Für jede neue Rolle Film kommt zuerst die Prozedur des Kalibrierens des Films. Dabei werden die Belichtung und die Farbdarstellung festgelegt. Vuescan bietet dafür eingebaute Regler und Häkchen, mit denen das eingestellt werden kann, die müssen aber erst „freigelegt“ werden.
Im ersten Schritt lege ich wie im advanced workflow beschrieben einen Film so in den Filmhalter, dass ich eine unbelichtete Stelle scannen kann. Sozusagen einen Film im Ausgangszustand. Ich erstelle eine Vorschau in maximaler Auflösung für dieses Stück und lege einen Rahmen in der Vorschau so fest, dass der auch nur dieses Stück beinhaltet. Dann markiere ich „Belichtung halten“ und erstelle eine neue Vorschau.
Als nächstes möchte ich die Farben festlegen. Also markiere ich „Filmgrundfarbe halten“. Diese Funktion hat auf das Scannen des RAWs erstmal keine Auswirkungen (hätte sie aber für das Film-RAW oder eine jpg-Datei), hilft aber dennoch, die Farben für das RAW festzulegen. Wechselt man in den Tab „Farben“ kann man, wenn man auf manuell umstellt, weiter unten drei Werte für rot, grün und blau ablesen (zumindest bei den Nikon Coolscan Scannern geht das). Diese müssen allerdings noch umgerechnet werden. Ich habe mir dazu eine kleine Tabelle erstellt, die das für mich erledigt. Die Idee ist, alle drei Farbwerte so festzulegen, dass die entsprechenden Anteile im RAW-Scan gleich stark belichtet werden. So kann man die Farben für das RAW linearisieren.
Die Tabelle, die ich mir angelegt habe, rechnet die Werte alle um in Relation zum größten Wert (meist rot). Ich erstelle dazu zwei „Wertepäckchen“. In das erste Wertepäckchen mit den Ausgangswerten in der Tabelle füge ich die abzulesenden Werte aus dem Farb-Tab in Vuescan ein. In den allermeisten Fällen dürfte der Wert für rot der größte sein. Das wird dann der Ausgangswert, der durch umrechnen 1 werden soll. Entsprechend erstelle ich ein zweites „Wertepäckchen“ mit den Zielwerten für den Zielwert rot die Formel Ausgangswert(rot)/Ausgangswert(rot) ein. Das ergibt immer 1. Für den Zielwert grün füge ich die Formel Ausgangswert(rot)/Ausgangswert(grün) ein. Analog dazu gehe ich für blau vor. Normalerweise sollte in den meisten Fällen der Zielwert für blau der größte sein, während grün zwischen 1 und blau liegen dürfte.
Zeit, das RAW-Histogramm einzublenden. Das zeigt mir, dass die Kurven für die 3 Farben recht weit auseinander liegen und insbesondere die Spitzen nicht deckungsgleich sind. Zur Deckung will ich sie aber bringen. Dafür trage ich die oben errechneten Werte bei analog Gain im Input Tab für die jeweiligen Farben ein und hole mir eine neue Vorschau. Im RAW-Histogramm sehe ich, dass die entstandenen Kurven danach schon sehr nah zusammen liegen (zumindest meistens). Die Werte, die Vuescan ermittelt, sind meist gut, aber in den seltensten Fällen ideal. Das sieht man daran, dass noch immer nicht alle Kurven ihr Maximum an exakt der gleichen Stelle haben. Das kann man aber per Hand erreichen, indem man die Werte noch etwas anpasst und iterativ zu den Idealwerten bzw. möglichst genauer Deckung der Kurvenmaxima kommt.
Jetzt erst scanne ich das erste Bild. Ich wähle zum Scannen zunächst immer den maximalen Ausschnitt und schneide erst später in der Bearbeitung den Rahmen weg bzw. noch weiter zu und richte aus. Man erhält also ein linear korrigiertes RAW in TIFF-Format, das als Negativ vorliegt und nun weiter verarbeitet werden kann. Das kann jeder auf die Weise tun wie er will, ich mache das meistens in GIMP. Darauf gehe ich hier noch kurz ein.
3. Die Bearbeitung
In Gimp ist für mich beim Verarbeiten von gescannten RAWs das GMIC Plugin essentiell wichtig. Beinahe alle Anpassungen, die ich vornehme sind aus dieser Plugin-Sammlung.
Der erste Schritt geht allerdings auch ohne, nämlich das Invertieren. Ich fange damit immer an und erledige das über Farben -> Invertieren.
Im nächsten Schritt schneide ich mindestens den Rahmen weg, wenn offensichtlich nötig richte ich hier auch schon aus. Den finales Beschnitt mache ich oft erst später.
Trotz aller Bemühungen in Vuescan, habe ich an dieser Stelle normalerweise noch ein recht furchtbar aussehendes Bild als Ergebnis. In den häufigsten Fällen ist es noch stark farbstichig. Das muss also noch korrigiert werden. Dazu nutze ich in GMIC unter Color das Plugin Color Balance und gleiche das Bild mit einem neutralen Grauton ab. Das ist meistens #808080, manchmal aber auch heller (z.B. #909090) oder dunkler (z.B. #707070). Oft bin ich nach diesem Schritt, was Farben und Kontrast angeht schon sehr nah am finalen Ergebnis.
Alternativ geht das auch über die Tonwertkorrektur und das Anpassen der einzelnen Kurven. Das sind zwar totale Basics, möchte ich hier aber trotzdem auch näher beschreiben. Unter Farben -> Werte kann man eine automatische Tonwertkorrektur vornehmen, die oft eine gute Richtung vorgibt, dabei aber fast immer bei den Kontrasten übertreibt. Allerdings kann man das über die beiden unteren Schieberegler ganz gut ausgleichen. Natürlich kann man die Werte für die einzelnen Kanäle auch per Hand festlegen und solange verschieben, bis es passt. Ich finde das unterm Strich aber recht mühsam. Deswegen mache ich das kaum noch.
Viele werden nun auch noch Schärfen und Korn reduzieren wollen. Ich kann das zwar einerseits verstehen, weil man durch moderne Digitaltechnik diesen sehr cleanen und hyperscharfen Bildlook gewöhnt ist, ich mache das aber selber sehr selten bei meinen Bildern. Moderne Filme wie z.B. der Fuji Superia sind sehr scharf und fein und das Korn, sollte bei ausreichender Belichtung eigentlich kaum stören, selbst bei 800er Filmen. So zumindest mein persönlicher Geschmack.
Sollte dennoch entkörnt werden, schlage ich Ian’s fast denoise in GMIC vor. Damit kann ich festlegen, welche Art von Noise ich mit welcher Intensität bekämpfen will und das geht recht einfach und schnell. Chroma ist meist das einzige, das ich damit angehe, wenn ich es überhaupt nutze. Eine Kanaltrennung und gezieltes Entrauschen auf Basis dieser ist mir fast immer zu aufwendig. NeatImage ist ein alternatives Programm, das ich für sehr leistungsfähig halte.
Wenn überhaupt, würde ich fast immer über einen Hochpass oder zum gezielten bearbeiten der Kontraste auch mal mit großen Radien in Unscharf Maskieren schärfen. Kanaltrennung und Lab-Modus ist mir hier auch zu viel Geklicke. Letztendlich ist aber jedes Schärfen immer ein Spiel mit dem Korn und immer ein Kompromiss. Bei Bildern, bei denen mir der Fokus etwas verrutscht ist, schärfe ich oft etwas nach, um so diesen Fehler etwas zu kaschieren und den allgemeinen Schärfeeindruck um Bild zu verbessern (auch wenn jetzt einige den Zeigefinger heben und zurecht sagen, dass das den Fehlfokus auch nicht mehr rettet).
Das war es dann eigentlich auch. Einzelne Farben ganz gezielt anzupassen, mache ich nur sehr, sehr vereinzelt, nur dann wenn ich mit den oben beschriebenen Methoden so gar nicht zu vernünftigen Ergebnissen komme und nur dann, wenn das Motiv so toll ist, das es mir den Aufwand wert ist. Hin und wieder habe ich auch schon mit Kontrastmasken gearbeitet, was aber auch sehr wenig geworden ist in letzter Zeit, ist aber grundsätzlich eine mir symphytische Quasi-HDR Methode.
4. Schluss
Ich hoffe, dass ich dem einen oder anderen hier etwas zeigen konnte, das hilfreich ist. Was mich freuen würde, wären Tipps und Hinweise bzw. Nachfragen zu Punkten, die Unklar oder verbesserungswürdig sind – sowohl im Text, also zum Vorgehen selber.
Zuletzt: Ich habe vor allem Erfahrungen mit Fuji und Kodak Consumer Filmen. Die Pro-Filme wie Portra und Pro400H sind mir meist schlicht zu teuer. Der Fuji Superia hat sich dabei für mich als guter Kompromiss aus Preis und Leistung herausgestellt. Der 200er kostet etwa die Hälfte vom 400H (bezogen auf 35mm) und ist im Sommer ein gut benutzbarer Film. Wird es dunkler sind auch 400er und 800er nicht schlechter meiner Erfahrung nach. Ich komme mit denen sehr gut zurecht beim Scannen und Bearbeiten. Schade, dass auch die immer teurer werden.
Zu allerletzt: Ich habe keine Erfahrung mit anderen Scanprogrammen. Kann also nicht auf spezifische Vorteile oder Nachteile von Vuescan gegenüber z.B. Silverfast oder dem Programm von Nikon eingehen, obwohl ich beide habe. Ich fand Vuescan aber so einfach und gut zu benutzen, dass ich erst einmal dabei geblieben bin.
Links, in denen das meiste, das hier steht, auch steht:
https://www.hamrick.com/vuescan/html/vuesc.htm
http://janburke.de/index.php/blog-en/135-scanning-negatives-with-vuescan
http://photo.net/digital-darkroom-forum/00RXw5
http://www.pcreview.co.uk/threads/vuescan-my-new-advanced-workflow.1939580/