Die Faszination zum analogen Mittelformat besteht darin, unter schwersten Bedingungen grossartige Bilder zu kreieren. Die Kameras sind alt, schwer, der ISO Wert auf 400 beschränkt. Keine Sofortkontrolle/LiveView, nur 12 Versuche. Ein umständlicher Prozess vom untentwickelten Film zum Produkt. Wenn es nach den unendlichen Bemühungen geklappt hat, was für ein Glücksgefühl!
Komisch, kommt mir gar nicht so schwer und unendlich mühsam vor - vlt. weil ich Spaß an meinem Hobby habe. Aber meine Kameras sind teils auch jünger als ich (31 - da ist ja wohl nicht alt...

) haben ein sehr unterschiedliches Gewicht, der ISO-Wert ist bei mir nicht auf 400 beschränkt, LiveView haben die auch (nennt sich dann Sucher oder Mattscheibe) und je nach dem welche Kamera/Film-Kombination ich wähle, sind zwischen 12 und 32 Bilder auf dem MF-Film - bevor ich einfach einen neuen einlege. Die Ergebnisse sind auch gut vorhersehbar, wenn man weiß, was man tut...
Ein irgendwie geartetes Überraschungsmoment, das oft genannt wird, gibt mir nichts. Der wichtigste Grund analog zu fotografieren ist für mich die ästhetische Qualität von Film, die mir einfach zusagt, und wie von "Camp" und "canariz" schon vorgebracht, das haptische Element. Das beginnt bei der Wahl der Kamera (für Film konnte ich mir mehrere für mich faszinierende Kameras leisten) und endet bei der physischen Existenz des Bildes. Filme entwickeln ist für mich auch Teil der Hobbys. Ich mag Dinge, mit denen man behutsam umgehen muss.
Dazu kommt: Auch in 30 oder 40 Jahren kann man die längst vergessenen Negative einfach gegen das Licht halten, und ohne irgend welche Kompatibilitätsprobleme (Auge) betrachten. Eine Möglichkeit das ganze dann in Positive umzuwandeln, wird sich finden. Ein USB-Stick mit diesem komischen Anschluss der nirgends passt, würde nach dem Auffinden wohl eher in die Tonne wandern. Für private Arbeiten ist das denke ich ein nicht zu vernachlässigender Faktor. Wer hat schon die Durchhaltekraft, in allen Lebenslagen und -Phasen immer darauf zu achten Backups auf aktuellen Speichermedien anzufertigen? Ich nicht.
Entschleunigung spielt für mich eher keine Rolle. Auch in den Jahren, in denen ich digital fotografiert habe, stand meine Kamera nie auf Dauerfeuer und ich hab mich nicht in jeder Situation genötigt gesehen, ein Bild zu machen. Das hindert mich aber weder damals noch jetzt beim analog fotografieren daran, unspektakuläre Banalitäten abzulichten oder einen ganzen Film mit nur einem Motiv zu verknipsen, wenn mir danach ist. Wenn ich unbedingt will, kann ich die Ergebnisse vom morgentlichen Fotografieren auch schon abends begutachten. Das mit den Kosten sehe ich als Hobbyist entspannt. Zum einen habe ich einen Durchsatz, der mich nicht umbringt, "spare" bei den Kameras sehr viel Geld und als Hobby ist es ja nicht schlimm, wenn es was kostet. Für das Geld, dass ich z.B. für eine 5DIII mit 50/1,2 oder in eine D800 inverstien müsste (Kameras, die mich zumindest etwas faszinieren), kann ich mit meiner Rolleiflex SLX und dem 80er Planar tausende Bilder auf Portra 400 machen, die Filme entwickeln und scannen oder Abzüge im Labor machen. Wenn man alles selber macht, ist es nicht teuer... So incl. Film, Entwicklung und Abzüge zwischen 1€ und 1,50€ pro Bild. Dafür gehe ich eben nicht wie mancher Kommilitone jedes Wochenende irgendwo in eine Kneipe. Ich habe und brauche kein Auto und muss auch kein iPhone oder so über krasse Monatsgebühren abzahlen. Abgefahren, was da teilweise ohne zu zucken bezahlt wird, aber bei ein paar Euro für Filme denken manche man ist verrückt... Ok, denke ich ja auch über Leute mit 700€-Telefonen, die zum Brötchen holen ins Auto steigen...
Ich bin kein Digitalfeind. Trotzdem kaufe ich mir Bücher lieber als Buch und Musik als Platte, statt kurzlebiger Digitaldateien. Und Bilder gehören für mich eben auf ein physisches Medium.
Wenn ich nicht für meine Models Ergebnisse abliefern müsste, sondern ausschließlich für mich, würde ich vielleicht tatsächlich nur noch analog arbeiten. Dann könnte ich das noch spielerischer angehen, noch experimenteller und mit noch mehr Genuß.
Wenn es dich so sehr reizt evtl. zumindest projekt-weise mal eine Marktlücke besetzen? Ich kann mir schon vorstellen, dass manch einer bereit ist für so was einen Aufpreis zu bezahlen, wenn man es entsprechend kommuniziert.
Grüße