Re: Brennweite ist nicht gleich Brennweite?
Woher weiß ich denn, ob [die Objektiv-Korrektur] notwendig ist?
Ganz einfach: Wenn du es nicht weißt, dann ist sie nicht notwendig
Bei modernen Digitalkameras und den dazugehörigen Objektiven ist es heutzutage häufig so, daß der Objektivkonstrukteur absichtlich eine relativ starke Verzeichnung zuläßt und diese dann von der Kamera elektronisch korrigieren läßt. Das verschafft ihm ein paar zusätzliche Freiheitsgrade, die er nutzen kann, um das Objektiv wahlweise billiger zu machen oder hinsichtlich anderer Kriterien zu optimieren, wie z. B. Bildfeldwölbung, Randschärfe, Vignettierung etc. Diese elektronische Verzeichnungskorrektur findet beim JPEG-Format gleich in der Kamera statt, im Rohdatenformat aber zunehmend über standardisierte sog. Op-Codes. Das heißt, die Rohdatei selber bleibt unkorrigiert, wird aber in den Metadaten mit Anweisungen für den Rohdatenkonverter versehen – den Op-Codes eben –, wie die Verzeichnung zu korrigieren sei.
Die Rohdatenkonverter wiederum fallen hinsichtlich dieser Op-Codes in drei Kategorien: (1) Solche, die die Op-Codes, wenn sie vorhanden sind, immer und zwangsweise anwenden. (2) Solche, die dem Benutzer die Wahl lassen, ob die Op-Codes angewandt werden sollen oder nicht. Und (3) solche, die von den Op-Codes keinen Schimmer haben und gar nicht wissen, daß es so etwas gibt und wie das funktioniert.
Adobe Camera Raw und Adobe Photoshop Lightroom fallen in die Kategorie (1). Zur Kategorie (2) gehört Phase One Capture One. Was in die Kategorie (3) fällt, weiß ich leider nicht.
Wenn man nun also um der Erfassung eines größeren Bildwinkels willen auf die Verzeichnungskorrektur bewußt verzichten will bzw. diese nur dann anwenden will, wenn es unbedingt nötig ist, dann sollte man erstens im Rohdatenformat arbeiten und zweitens einen Rohdatenkonverter der Kategorien (2) oder (3) verwenden. Ich persönlich finde aber, daß Überlegungen in dieser Richtung eher albern sind und daß die Strategie der Rohdatenkonverter der Kategorie (1), die vorhandenen Op-Codes
immer anzuwenden, eigentlich die einzig richtig und sinnvolle ist. Ob ein Weitwinkelobjektiv nun 83,9° oder 84,3° Diagonalbildwinkel hat, ist doch wirklich ohne Bedeutung. Entscheidend ist vielmehr, daß ein Objektiv so funktioniert, wie es von seinem Konstrukteur vorgesehen wurde. Abgesehen davon korrigieren die Op-Codes oftmals nicht nur die Verzeichnung, sondern gleich auch noch chromatische Aberrationen und Vignettierung ... so daß es unvernünftig wäre, auf ihre Nutzung zu verzichten.