Nikons Spiegelvorauslösung
Kannst Du das mal näher erläutern? Ist in Einsteigerkameras nicht prinzipiell der gleiche Sensor verbaut, wie in Mittelklasse- oder Profikameras? Das höherwertige Bodys größeren Komfort bei der Ausstattung bieten, meist ein deutlich besseres AF-Modul samt besserer Kameraelektronik mitbringen und oft deutlich stabiler und wetterfester gebaut werden, war mir bekannt. Aber auf die reine Bildqualität des Sensors, incl. dessen Auflösungsvermögen reduziert, sollten die Unterschiede nicht mehr so dramatisch groß sein, wie Du es oben beschreibst. Aber vielleicht liege ich ja völlig daneben - klär mich auf

Thorsten
Obwohl die Basis der Fotografie und die damit verbundene Technik praktisch seit Jahrzehnten unverändert geblieben ist, hat das Zeitalter der Digitalkameras den Blick auf das
wesentliche fotografische Basiswissen verbaut, das noch vor zehn Jahren für den Durchschnittsamateur selbstverständlich gewesen wäre. Zu jener Zeit hätte auch kein professioneller Naturfotograf eine Nikon-Kamera verwendet, es sei denn eine "Einstellige".
Der renommierte Naturfotograf Pölking begründete dies in einem offenen Brief, der als Beitrag in seinem
Werkstattbuch unter dem Titel "Nikon oder Canon?" erschien. Den wesentliche Knackpunkt seiner Kritik an Nikon und für den Wechsel zu Canon beschrieb er wie folgt:
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Wenn ich die F5 durch die F-100 ersetzte war plötzlich alles ganz einfach zu sehen und zu erkennen, weil diese Nikon-Kamera ein sehr helles und brillantes Sucherbild hat.
Aber sie hat leider keine Spiegelvorauslösung, bekommt auch keine laut Auskunft von Nikon, und wenn Sie mit Zeiten zwischen 1/30 sek. und 1/8 sek. vom Stativ aus Hochformataufnahmen mit Brennweiten in diesem Bereich oder länger machen, ohne Spiegelvorauslösung oder ohne Stabilisator, dann können Sie sicher sein, daß Sie die Dias nachher wegschmeißen müssen, weil sie einfach nicht scharf werden. Der Verreißfaktor des Spiegelschlages ist einfach zu groß. "
Unter dem Titel „Scharfe Fotos“ spannt er die Fragestellung nach dem Zusammenhang zwischen technischen Möglichkeiten einerseits und zeitgemäßen sowie für das Publikum interessanten Naturfotografien aus Sicht des (echten) Profifotografen andererseits auf. Es geht dabei zentral um das Problem, wie die Bildschärfe durch die Nutzung von Spiegelvorauslösung, Stabilisator, Fernauslöser beeinflußt wird.
Er schreibt, vor fast zehn Jahren, wörtlich:
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Einen Hasen im hellen Sonnenschein abzuknipsen ist nicht schwer, das kann die Kamera mit AF und Belichtungsprogramm P zur Not sogar alleine.
Aber das sind Bilder, die niemand mehr sehen will, die kann man höchstens noch bei Jagdzeitungen unterbringen.
Wer heute Erfolg haben möchte, muß schon etwas anders fotografieren. Als Amateur ohne Ambitionen kann man sich dazu auf den Standpunkt stellen: Ich fotografiere was mir Spaß macht und wie es mir Spaß macht und damit basta. Richtig.
Wer allerdings hauptamtlich, nebenamtlich oder steckenpferdreitend veröffentlichen will, der muß sich schon etwas umsehen, was heute verlangt wird.
Die Sehgewohnheiten haben sich verändert. Die Menschen sind durch Spitzenfotos verwöhnt. Schlicht und langweilig ist nicht gefragt. Die Menschen wollen starke und emotionale optische Reize. Dem müssen wir Rechnung tragen, in dem wir mehr in den Grenzbereichen arbeiten: der Farben, des Lichtes, der Bewegungen, der Brennweiten. Auch in dem wir vieles mixen - etwa Bewegung im letzten Tageslicht plus Aufhellblitz auf den zweiten Verschlußvorhang und die Kamera dabei mitgezogen.
Oder auf der anderen Seite letzte Schärfe, wo es eigentlich nicht mehr möglich ist. Wir müssen uns heute in diese Grenzbereiche der naturfotografischen Möglichkeiten vortasten, wenn wir nicht untergehen wollen, und in Zukunft nichts sind als eine skurrile Randgruppe, die langweilige Fotos ausschließlich für Naturnutzerblätter macht.
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Um sich diesen technischen Grenzen anzunähern, mahnt er an, dass der Fotograf sein Werkzeug in eben diesen Grenzbereichen beherrschen muß:
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Dazu müssen wir aber wissen, was technisch möglich ist, und unser Handwerkszeug perfekt beherrschen: die Spiegelvorauslösung, den Blitz auf den zweiten Vorhang, das Mitziehen der Kamera. Belichten unter extremen Bedingungen, wenn die Matrixmessung schon lange versagt. Oder auch die Langzeitbelichtung mit zwei hintereinander gesteckten Konvertern beherrschen.
Das alles kann man durch Übung und durch Tests unter Kontrolle bringen. Wenn der Moment der Aufnahme kommt, sollte man die Grenzen seiner Arbeitsgeräte kennen und diese beherrschen, und nicht auf gut Glück abdrücken und hoffen, es wird schon irgendwie gut gehen... wird es nicht."
Um nun auf den Kern der Aussage zurückzukommen, dass sich Nikon Einsteigerkameras nicht für eine solche Brennweitenklasse eignen, kann eigentlich jedermann nachvollziehen, dem eine entsprechende Vergleichsmöglichkeit zur Verfügung steht: Also eine Nikon-Einsteigerkamera und eine vernünftige Kamera mit Spiegelvorauslösung und ein Objektiv mit langer Brennweite. Im Netz gibt es zu dieser Problematik eine Unzahl von beeindruckenden Beispielen. Eine instruktives Beispiel zur Nikon D70 kann man
hier nachlesen.
Im übrigen sollte beim Einsatz großer Brennweiten immer die folgenden Punkte beachtet werden: Streulichtblende, Stativ und Fernauslöser sind absolute Pflicht. Bei größeren Entfernungen können Dunst, Luftverunreinigungen oder Thermik die Bildschärfe gravierend beeinflussen, ohne dass diese Einflüsse mit bloßem Auge sichtbar sind. Daraus begründet sich auch meine Meinung, dass ein solches Objektiv viel Erfahrung und Übung benötigt, damit es seinen Besitzer Freude bereitet.
Fazit: Nikon-Kameras unterhalb der D200 sind Knipser-Fotoapparate für den normalen Brennweitenbereich. Es können aufgrund der fehlenden Spiegelvorauslösung mit diesen Kameras gar keine scharfen Bilder gelingen. Nikon-Kameras und Objektive sind traditionell für Testmagazine optimiert und eignen sich besonders für Pressefotografen oder Paparazzi, denen es auf des letzte Qentchen Qualität nicht ankommt.