Jetzt muss ich auch mal meinen Senf dazugeben. Der TO hatte mich angeschrieben und mal direkt gefragt, ob ich noch mit mft am Start bin oder vielleicht rückfällig geworden wäre.
Nö, bin immer noch happy mit mft und das mittlerweile in der 5. (sehr aktiven) Hochzeitssaison.
Ich mache zu 80% Hochzeiten und da beinahe ausschließlich große Reportagen. Aktuell bin ich hier mit 2 PEN-F unterwegs und hab die OM-D(s) nur noch als Backup in der Tasche.
Vorneweg: Die größten Hürden beim Umstieg sind nicht die Fähigkeiten der Technik, sondern die Art und Weise wie man damit umgeht. Gewöhnung ist das Stichwort. Ohne die kommt man sich vor wie ein Schwein auf Rollschuhen und der Vergleich den man zieht wird hinken. Und ein reiner Faktencheck hilft auch nur bedingt.
Es gibt Situationen, da ist mft natürlich KB unterlegen. Die werden seit Jahren rauf und runter disktutiert und sie kennt eigentlich jeder. High ISO, Freistellung, C-AF usw. Alles richtig. Direkten Vergleich hab ich da zu D700 und DF. Für Hochzeitsfotografie sind davon aber wenige in der Praxis relevant.
ISO:
High ISO aus der DF ist natürlich toll. Da kann die PEN-F definitiv nicht mitspielen. Bei 100% ist das gruselig, gedruckt aber praktisch irrelevant. Dito mit sinnvollem Betrachtungsabstand auf dem 4K TV.
Nutze Auto-ISO entspannt bis 3200, zur Not gehe ich bis 6400. Ich kenne keine Hochzeiten wo man damit verloren wäre oder wo moderater Blitzeinsatz nicht ohnehin angemessener wäre.
Zu meinem Stil gehört allerdings auch eine deutliche Körnung in LR, unter der das Kamerarauschen sowieso kaum sichtbar wäre. Daher juckt mich das wenig. Wer zwingend cleane Bilder will, für den ist das sicher keine gute Wahl.
AF:
Kontrast-AF tickt anders als Phasen-AF bei DSLR. Das ist aber nicht schlechter. Am Anfang hatte ich Probleme, die aber durch Gewöhnung völlig weg sind. Er ist mit genugend Licht rasend schnell. Und selbst bei miesem Licht erträglich, mit dem Bonus, dass er unterm Strich vor allem meist präziser(!) ist als DSLR.
Ausnahmen gibt es natürlich auch: Gepulstes LED-Licht. Da hatte ich zwei Fälle wo kein Fokus möglich war (Kronleuchter mit seltsamen Leuchtmitteln). Da hab ich zum erstn mal das Hilfslicht benutzt. Hab keinen Vergleich wie es einer DSLR dabei ginge.
Über C-AF müssen wir tatsächlich nicht reden. Phasen-AF hat da nur die E-M1, die mir aber zu fett war und wieder weg musste. C-AF macht mit Kontrast-AF für mich keinen Sinn. Auf Hochzeiten hab ich den aber auch mit DSLR nie genutzt.
Freistellung:
Yep, Freistellung ist schwieriger bis hin zu gibt's nicht. Ebenfalls Gewohnheitssache. Portraits mit 75mm oder 42.5mm sind toll. Bei Offenblende mit 42.5 hab ich bei Headshots unscharfe Nasen wenn die Schärfenebene auf den Augen liegt. Reicht.
Bei Weitwinkel muss man dagegen bewusst beim Bildaufbau konstruieren oder schlicht Freistellung verzichten. Da tut's aber guter Inhalt.
Objektive/Größe:
Ja, ein Nocticron ist ein Klotz. Genauso groß wie ein 85er 1.8 und gefühlt 3x so schwer. Allerdings optisch erste Sahne und tut in der Tasche nicht weh, wenn dafür andere Lieblingslinsen im Vergleich deutlich kompakter sind - z.B. das 17mm 1.8 oder das 75mm 1.8. Kompaktere 150mm kenn ich bei KB nicht. Unterm Strich immer noch Platz und Gewicht gespart.
Übrigens...
>80% aller Shots mache ich mit 42,5mm und 17mm an zwei Kameras. Gewechselt wird nur sporadisch. Mit dabei 75mm, 7-14mm, Fisheye und in letzter Zeit wieder ein manuelles 25er ausschließlich wegen der hübschen Blendensterne.
Was bei den ganzen Diskussionen meist zu kurz kommt, aber eigentlich viel spannender ist:
Was gewinne ich mit den PENs?
Vor allem ist das Freiheit und Flexibilität. Nicht durch den Sucher schauen zu müssen und aus beliebigen Winkeln und Perspektiven fotografieren zu können ohne dabei AF-Performance zu opfern, das ist toll. Selbst in nervigsten Belichtungssituationen eine ziemlich realistische Vorschau zu haben ist toll. Live Composite ist toll. In der Kirche leise (und bei Bedarf vollständig lautlos) fotografieren zu können ist toll. Die Kamera vor dem Bauch statt vor dem Gesicht ist bei Reportage sensationell und lässt mich viel intensiver an Menschen ran (und tut Proportionen und Linien gut). Nicht zuletzt find ich die Dinger einfach hübsch.
Der TO hatte mich noch gefragt, ob ich bestimmte Fotos "vermeide" wegen der Technik. Logo! Aber das würde ich mit KB auch. Nur eben andere. Es ist Gewöhnungssache.
Türen schließen sich, andere öffnen sich. Ich hab Spaß am Design, am lockeren Umgang mit dem Ding, am Exotenstatus und an den abgefahrenen Features die einem Dinge so unglaublich einfach
machen, die anderswo nicht mal exisiteren (Live Composite).
Mein Tipp daher an alle, die mft interessant finden:
Wenn das Budget da ist, einfach 'ne kleine Oly als Ergänzung holen, das große Besteck aber nicht wegschmeissen und über einen längeren Zeitraum ausprobieren. Der Charakter der Kamera erschließt sich m.E. nicht in ein paar Tagen Testdrive, sondern nur über längere Zeit. Mit 17mm + 45mm (letzteres kost ja fast nix) mal auf Hochzeiten spielen. Sei es im Gewühl vom Getting Ready oder ganz entspannt am Abend. Man muss sich nur trauen. Der Spaß kommt dann.
Just my 298 Cents.
Dirk (brautrausch.de)