Sehr interessanter Thread hier - ich stehe gerade vor im Grunde exakt der gleichen Frage, wie der Threadersteller.
Im Moment fotografiere ich mit der D700, mein Objektivpark besteht aus 20/2,8, 35/2,0, 50/1,4, 85/1,4, 105/2,8, 17-35/2,8, 24-70/2,8 und 70-200/2,8.
Die Überlegung ist nun auch, alles außer dem 50/1,4 und dem 105/2,8 zu verkaufen und mir dann 24/2,4, 35/1,4 und 85/1,4 zuzulegen (85/1,4 besitze ich im Moment das D und würde es gegen das AF-S tauschen). So könnte ich dann entweder das 35/1,4 als "Immerdrauf" verwenden, wenn ich kein weiteres Objektiv mitnehmen möchte, oder alternativ mit 24/35/85 oder 24/50/85 aus dem Haus gehen und sollte damit wohl 95% aller für mich spannenden Motive problemlos festhalten können.
Dazu sagen muss ich wohl noch, dass ich weder Presse- noch Sportfotograf bin. Ich verdiene mit der Fotografie nicht meinen Lebensunterhalt, lediglich gelegentlich erstelle ich auch mal Produktaufnahmen o.ä. für Kunden. Vorrangig ist es für mich aber ein Hobby und ich stehe somit nicht unter dem Druck, beispielsweise perfekte Fotos von einer Veranstaltung abliefern zu müssen. Selbst diverse Familienfeiern wie meinetwegen Hochzeiten fotografieren ich nur äußerst widerwillig, da ich das einfach nicht gerne mache und ich mir den Spaß an der Fotografie damit nicht verderben möchte.
Ich bin größtenteils mit der Kamera in der Natur unterwegs und mache gelegentlich auch mal ein paar Portrait-Aufnahmen. Sagen wir, zu 65% fotografiere ich Landschaften, Pflanzen, gelegentlich auch mal Tiere (keine wirklich ernsthafte Wildlife-Fotografie auf große Distanzen), zu 35% Menschen. Davon wiederum 90% ohne künstliche Ausleuchtung und vll 10% im Studio, wenn z.B. mal wieder eine gute Freundin ein Geschenk für ihren Freund braucht, o.ä. - es ist jedenfalls die Ausnahme, die bestenfalls zwei, drei Mal im Jahr vorkommt.
Es lässt sich ja auch ganz gut nachvollziehen, welches Objektiv man in der Vergangenheit für welchen Zweck verwendet hat. Bei mir zeigt sich hier ganz deutlich, dass ich zum Beispiel das 70-200er nur mitnehme, wenn ich wirklich sicher weiß, dass ich es verwende werde. Um es "auf Verdacht" mitzunehmen, ist es mir einfach zu groß, zu sperrig, zu schwer und nicht zuletzt zu auffällig. Dementsprechend habe ich es dann dabei, wenn ich einmal im Jahr bei einem Fußball-Funturnier am Spielfeldrand stehe und meine Kumpels fotografiere oder wenn es mich mal in einen Tiergarten bzw. ein Wildgehege verschlägt. In beiden Fällen produziere ich dann technisch wirklich gute Aufnahmen, mit denen ich auch sehr zufrieden bin - das 70-200er ist ohne Frage ein ausgezeichnetes Objektiv. Fakt ist aber auch, dass ich solche Fußball- oder Tiergartenfotos entwickle, vielleicht noch an die Beteiligten weitergebe, mir sie danach dann aber nie mehr bewusst anschaue. Wozu auch? Fotos von Löwen hinter Gittern gibt es schon mehr als genug, zudem ist die Leistung nicht all zu groß, im Tiergarten von eingesperrten Tieren vermeintlich gute Tieraufnahmen zu machen. Ähnlich häufig verwende ich das auch sehr gute 17-35er. Für diese extremen Blickwinkel gibt es einfach nicht derart viele Motive, als dass ich zwingend eine solche Brennweite benötigen würde bzw. immer dabei haben müsste. Sicher ist es klasse, wenn man irgendwo in den Alpen ein ganzes Panorama mit nur einem Bild erstellen kann. Auf der anderen Seite ist es jedoch dank Photoshop mittlerweile auch kein wirkliches Problem mehr, fünf Aufnahmen zu einem Bild zu kombinieren und auf diesem Weg zu einem noch weiteren Blickwinkel mit weniger Verzerrung zu gelangen.
Mir fehlt mittlerweile einfach so ein Stück weit die Begeisterung für Aufnahmen mit extremen Blickwinkel, sei es sehr starkes Tele oder Ultraweitwinkel. Solche Aufnahmen - also wie meinetwegen die oben erwähnten Sport- oder Zoobilder - habe ich gerne gemacht, als ich in die Fotografie eingestiegen bin. Man erhält einfach recht schnell ganz ansehnliche Aufnahmen, für die man von Nicht-Fotografen auch gerne mal entsprechend Lob und Anerkennung bekommt. Inzwischen vermisse ich bei solchen Aufnahmen aber einfach das "besondere Etwas", was mich dazu bringen würde, die Fotos nach drei Jahren noch mal aus meinem Archiv zu holen und sie mir anzuschauen. Meine (subjektiv) besten Aufnahmen, die es bei mir auch allesamt an die Wand geschafft haben, wurden quer durch die Bank mit den unspektakulärsten Brennweiten irgendwo zwischen 20 und 100mm aufgenommen! Ich hatte das selbst eigentlich gar nicht für möglich gehalten, bis ich neulich mal mein Archiv dementsprechend durchgegangen bin. Und auch die beeindruckenden Aufnahmen wirklich großer Fotografen entstanden ja doch auch sehr oft mit rein technisch gesehen wenig aufregender Ausrüstung - gerne mal eine Leica mit einem 35 oder 50mm-Objektiv davor.
Heute bin ich auch nicht mehr enttäuscht, wenn ich einen Tag lang "auf Tour" war und sich die Ausbeute in Grenzen hält - ich dafür dann aber zu einer anderen Gelegenheit mal wieder eine Aufnahme machen kann, die mir so gut gefällt, dass ich sie mir großformatig an die Wand hänge. Oder anders formuliert, fürs Phrasenschwein: "Zwölf gute Fotos in einem Jahr sind eine gute Ausbeute.", wie Ansel Adams gesagt haben soll. Wie oben erwähnt, ich bin dankbarerweise nicht darauf angewiesen, gute Fotos abliefern zu müssen - ich genieße den Luxus, auch mal ein Motiv verpassen zu können und mich darüber noch nicht mal ärgern zu müssen
Und um jetzt auch endlich wieder den Bogen zum eigentlich Thema zu schlagen: wenn man Zoom-Objektive nicht wirklich benötigt, also zum Beispiel eben für Veranstaltungen, Sport, etc. (hierfür gibt es nichts besseres als ein Zoom, gar keine Frage!) und sie viel mehr aus Gründen der Bequemlichkeit mit sich herumträgt (denn bequem ist das Fotografieren damit definitiv), so verleiten sie einen meiner Ansicht nach schon dazu, eben mehr zu knipsen, als bewusst zu fotografieren. Mag nicht für jeden zutreffen, mir geht es aber wohl so, wenn ich so über die letzten Jahre nachdenke, in denen ich wirklich aktiv viel fotografiert habe. Man ist irgendwo unterwegs, sieht ein halbwegs sehenswertes Motiv, das Licht spielt auch einigermaßen mit - also raus die Tüte, ritsch, ratsch, irgendwie halbwegs vernünftig eingerahmt das Ding, klack, fertig. Hauptsache kein Objektiv wechseln und keine fünf Meter vom Weg weggehen. Muss ja schnell gehen, die Freundin zerrt immerhin auch schon wieder am Ärmel. Das Ergebnis ist dann mitunter ein ganz schönes Foto - aber auch nicht mehr, bzw. wieder nichts, was ich mir in drei Jahren noch mal anschauen würde. Und das wiederum ist eigentlich nicht das, was ich mir unter dem Hobby "Fotografie" vorstelle, das mir dauerhaft Freude bereiten und nicht nur Mittel zum Zweck darstellen soll.
Ihr merkt schon, ich bin ganz gut darin, mir selbst Dinge zurecht zu legen und ggf. schönzureden. Im Moment ist das eben der Wechsel von den Zoom-Objektiven auf die Festbrennweiten und wenn ich meine Argumentation hier so durchlese, müsste mein aktueller Objektivpark eigentlich schon im Biete-Bereich stehen. Auf der anderen Seite hängt aber nun mal doch auch ein wenig Herzblut an der über die Zeit so mühevoll aufgebaute und aufeinander abgestimmte Ausrüstung, dass man schon ein zweites und vielleicht auch noch ein drittes Mal darüber nachdenkt, ob man den Umstieg wirklich wagen soll. Für den Moment habe ich mich nun dazu entschlossen, mir zunächst mal die 1,4er Festbrennweiten parallel zu meiner derzeitigen Ausrüstung zuzulegen, angefangen mit dem in meinen Augen sehr universellen 35/1,4. Dann wird mal die eine oder andere Woche nichts anderes mehr eingepackt, als die Kamera und dieses Objektiv. Und sollten dann keine all zu großen Entzugserscheinungen auftreten, sehen wir weiter...
