Zitat von TomRohwer
Bei üblichen Agenturverträgen gibt es keine Ansprüche des Fotografen gegen den Agenturkunden.
Das setzt einen gültigen und von beiden Seiten korrekt eingehaltenen Vertrag voraus. Das ist aber hier anscheinend nicht der Fall und die Agentur hält ihre Zusagen nicht ein. Das wird sicherlich der Fotografin ermöglichen vom Vertrag sofort (rückwirkend) zurückzutreten. Die Agentur hat damit auch keine gültige Grundlage mehr für ihr Geschäft mit dem Kunden. Und dann ist es Interpretationssache des Richters, ob er es für rechtens ansieht, wenn die Fotografin dies auch gegenüber dem Kunden der Agentur mitteilt und zur Schadenminimierung die weitere Nutzung des Bildes untersagt.
Daß ein Vertrag von einem Vertragspartner nicht eingehalten wird, macht ihn im Gegensatz zur häufigen Ansicht von "Rechts-Laien" keineswegs ungültig.
Eine Vertragsverletzung begründet erstmal "nur" Ansprüche darauf, daß der Vertrag eingehalten wird und ggf. Schadensersatzansprüche usw.
Und der Umstand, daß eine Fotoagentur nicht den Fotografen-Anteil für Fotos auszahlt, für die die Agentur Nutzungsrechte an Dritte lizensiert hat, macht den Vertrag des Fotografen mit der Agentur nicht ungültig. Ganz und gar nicht.
Der Fotograf hat einen Anspruch auf Vertragserfüllung. Nicht mehr, nicht weniger.
Sollte der Vertrag zwischen Fotograf und Agentur eine Kündigungsfrist enthalten, so kann zweifellos ein Fehlverhalten der Agentur (Zahlungsrückstand) ein Sonderkündigungsrecht bewirken - allerdings gilt das nicht rückwirkend. Das greift nicht in schon vollzogene Lizenzgeschäfte ein.
Selbstverständlich könnte man einen Agentur-Fotografen-Vertrag auch anders gestalten - ich habe bisher allerdings noch nie einen gesehen, in dem es für den Fall des Zahlungsausfalls seitens der Agentur spezielle Klauseln gäbe. (Und ich kenne einen Haufen von Agenturverträgen.)
Wenn eine Agentur dem Fotografen nicht die ihm zustehenden Honorare/Provisionen auszahlt, dann ist der einzige Weg für den Fotografen, seine Ansprüche geltend zu machen, das ganz normale zivilrechtliche Mahnverfahren.
Da muß der Fotograf dann durch, und wenn sein Vertragspartner Agentur zahlungsunfähig ist, dann wird der Fotograf - der ein selbständiger Unternehmer ist - ggf. mit einem Zahlungsausfall leben müssen.
Agenturverträge enthalten üblicherweise eine Klausel, daß im Falle eines Zahlungsausfall auf Seiten des Agenturkunden das Honorar des Fotografen sich anteilig an dem orientiert, was die Agentur beim Kunden beitreiben kann, abzüglich eventueller Beitreibungskosten.
Im Fotografenvertrag von action press zum Beispiel liest sich das dann so:
V. 4. Bei Erlösen, die mit anwaltlicher Hilfe und/oder auf gerichtlichem
Wege beigetrieben werden, gilt als Ertrag nur das, was action press
nach Abzug der vom Schuldner nicht erstatteten Anwalts- und
Gerichtskosten verbleibt.
Das ist das branchenübliche Procedere.
Man muß, wie ich schon schrieb, sich immer den genauen Vertrag anschauen.
Üblicherweise sieht es zwischen einer Bildagentur und dem Fotografen rechtlich so aus:
Der Fotograf überässt der Agentur Fotos und ermächtigt die Agentur, Nutzungsrechte an Dritte zu lizensieren. Von dem Ertrag (Honorar), den die Agentur dabei erzielt, bekommt der Fotograf einen Anteil von X Prozent.
Eine Vertragsbeziehung zwischen Fotograf und Agenturkunden entsteht dabei nie, und also auch keine Ansprüche des Fotografen daraus gegen den Agenturkunden.
Auch wenn die Agentur das Geld des Agenturkunden "unterschlägt" und dem Fotografen seinen Anteil nicht zahlt, ergibt sich daraus auch noch keine Urheberrechtsverletzung seitens des Agenturkunden.
Der Agenturkunde nutzt zwar das Foto, ohne daß der Fotograf das im dafür zustehende Honorar bekommt, nur: das darf er auch. Der Agenturkunde hat wirksam ein Nutzungsrecht von der Agentur eingeräumt erhalten, die dazu vom Fotografen berechtigt wurde. Damit ist der Agenturkunde raus. Der Fotograf hat keine Ansprüche gegen ihn - er hat Ansprüche nämlich nur gegen die Agentur.
Eine Ausnahme davon mag es höchstens geben, wenn der Agenturkunde bei der Zahlung schon wusste oder hätte wissen müssen, daß die Agentur pleite oder betrügerisch ist und der Fotograf seinen Honoraranteil nie bekommen wird. Das dürfte aber ein extremer Ausnahmefall sein, der sich obendrein kaum jemals wird nachweisen lassen.
Ein Fotograf, der über eine Agentur seine Bilder vermarktet, übt damit eine selbständige unternehmerische Tätigkeit aus. Er wird daher auch nicht durch irgendwelche "Verbraucherschutzvorschriften" geschützt. Er ist allein selbst verantwortlich, sich seine Vertragspartner (Agenturen) sorgfältig auszusuchen und darauf zu achten, daß diese liquide sind. Wird der Vertragspartner insolvent, so fällt der Schaden in das normale unternehmerische Risiko.
(Nicht selten gibt es zusätzlich dann noch eine Vertragsklausel, die regelt, ob und in welchem Umfang die Agentur kostenlose Nutzungsrechte einräumen darf.
Bei action press heißt es dann z.B.:
IV. 1. Zu welchen Bedingungen das Bildmaterial an Dritte weitergegeben
wird, entscheidet ausschließlich action press. action press ist nicht
verpflichtet, die Vermarktung des eingebrachten Bildmaterials durch
Werbung oder sonstige Maßnahmen zu fördern.
In diesem Fall hat die Agentur weitgehende Rechte, das Material nach eigenem Gutdünken zu verwerten und könnte z.B. auch im Interesse der Kundengewinnung kostenlos Nutzungsrechte einräumen. Der Vertrag sagt lediglich:
I.1. action press übernimmt die Vermarktung und Verwertung des vom Fotografen eingebrachten Bildmaterials im eigenen Namen und für
eigene Rechnung. Der Fotograf überträgt und räumt action press zu
diesem Zweck sämtliche Nutzungsrechte ein, die ihm selbst an dem
Bildmaterial zustehen.
Daraus ergibt sich indirekt natürlich schon, daß der Vertragszweck die "Vermarktung und Verwertung" des Bildmaterials ist, und nicht das Verschenken desselben.
Die Agentur hat durch ihren Vertrag aber schon einen sehr weiten Rahmen, innerhalb dessen sie nach eigenem Ermessen vorgehen kann. Die Frage, ob ein "Verschleudern" von Fotos dem ursprünglichen Vertragszweck zuwiderliefe bzw. wo ein "Verschleudern" anfängt, wäre dann wiederum Ermessensspielraum des Gerichts.
In der Praxis ist das eher kein Problem, weil Agentur und Fotograf ja zwangsläufig am gleichen Ende des Seils ziehen - beide wollen möglichst viel Geld verdienen, und da das verdiente Geld geteilt wird, laufen die Interessen parallel.)