Liebes Forum,
bevor die Diskussion in eine andere Richtung driftet, will ich noch etwas Grundsätzliches zum Persönlichkeitsrecht schreiben.
Seit vierzig Jahren fotografiere ich Menschen und kenne die meisten Probleme nicht, die hier geschildert werden: Entweder die Menschen kommen zu mir, weil sie fotografiert werden wollen, oder ich frage, ob es ihnen etwas ausmacht, wenn sie mit auf das Bild kommen (bei einer Kirmes oder auf dem Weihnachtsmarkt, beispielsweise). Bei öffentlichen Veranstaltungen erteilt normalerweise der Veranstalter sein Einverständnis. Ich habe jedoch nie Verständnis für die Paparazzi aufbringen können, die Menschen ohne deren Wissen (und Willen) in privaten oder sogar intimen Situationen fotografieren (und deren Tätigkeit im Übrigen eklatant dem Pressekodex widerspricht). Dabei ist es für mich zweitrangig, ob es sich um Prominente oder Normalbürger handelt: Auch Menschen des öffentlichen Lebens haben ein Recht auf Privatleben.
Eine freiheitliche Gesellschaft funktioniert nur, wenn alle sich an die Regeln halten. Durch diese Regeln muss in Einzelfällen die Freiheit begrenzt werden; damit die Freiheit eines anderen nicht geschmälert wird. So habe ich beispielsweise das Recht, mich an meinem Klavierspiel zu erfreuen. Dieses Recht endet aber sofort, wenn ich damit jemanden störe – beispielsweise in der Nacht.
Derzeit plane ich etwa eine ungewöhnliche Porträt-Serie. Natürlich spreche ich darüber mit den Menschen, die ich fotografiere. Wenn mir jemand sagt, dass er nicht fotografiert werden will oder er nicht mit einem Bild veröffentlicht werden möchte, frage ich nicht nach dem Grund und akzeptiere es. Durch solche Einzelfälle fühle ich mich aber nicht eingeengt: Wenn man es entsprechend kommuniziert, freuen sich die meisten Menschen, Teil einer Idee werden zu können.
Wenn eine Frau am Strand einen Zahnseiden-Bikini (oder noch weniger) trägt, hat sie nach meiner Meinung ein Recht darauf, zu bestimmen, wer sich (möglicherweise in einem ganz anderen Kontext) an ihrem Anblick ergötzt. Wer Menschen verdeckt, über Spiegel oder mit Brennweiten von über 200 mm aufnimmt, macht sich stets verdächtig – nicht nur am Badestrand.
Die Überlegungen zur persönlichen Freiheit tangieren zwar unser gemeinsames Hobby, haben aber im Grunde viel mehr damit zu tun, nach welchen Regeln wir zusammenleben wollen. Den Pressekodex haben Journalisten nicht aufgeschrieben, um sich einzuengen, sondern weil sie sich von unseriösen Machenschaften distanzieren wollten.
In diesem Sinne wünsche ich immer gutes Licht
PhotoPhoibos.