Ihr diskutiert mal wieder - forentypisch - allzu technisch ins Blaue hinein, ohne ein paar Rahmenbedingungen für die Fragestellung zu definieren:
1. Reden wir hier vom Crop oder vom Vollformat oder von Sensorgrößen deutlich darüber?
2. Objektive sind oft systemübergreifend - oft wurden sie für das Kleinbildformat entwickelt und werden auch am Crop verwendet - erst im letzter Zeit mehren sich Objektive, die speziell für den Crop entwickelt wurden. Daher müssen diese Linsen die Anforderungen mehrerer Formate abdecken können.
3. Über welche Art von Motiven reden wir eigentlich und über welche Größen von Ausbelichtungen?
Die Beugungsunschärfe wirkt sich zuerst auf die Oberflächendetails aus, welche vermatschen und erst danach zunehmend auch auf die Kantenschärfe.
Daraus folgt, dass die Anforderungen bzw. Limitierungen in der Landschafts- oder Astrofotografie ganz andere sind als beispielsweise in der Porträtfotografie im Studio mit optimalem Licht.
Wenn mir ein Studiofotograf, der auch schon bei kleinster Blende in der Natur gegen die Sonne angeblitzt hat, versichert, dass er noch nie große Probleme mit der Beugungsunschärfe hatte, so glaube ich das gern. Denn sein Motiv und die Prioritäten seiner Fotografie sind gänzlich andere - er wird seine Bilder viel tiefer bearbeiten - und unter diesen gänzlich anderen Voraussetzungen anders "hinschauen".
Ich kann Bilder mit Blende 22 auf Fotos mit 10 x 15 cm noch als brauchbar deklarieren - bei einem Posterformat sieht das schon völlig anders aus. Die weit verbreitete Beurteilung von Bildern in der 100 % Ansicht bedient eben immer eher die Posterfraktion als den Fotografen, der überwiegend mit kleineren Ausbelichtungen zu tun hat - insofern sind die Parallelen ähnlich zu Diskussionen über "störendes Rauschen". ("Was verstehen wir unter brauchbar und wo wird es störend?")
Hinzu kommt noch ein anderer Aspekt, der bei solchen "technischen Optimierungsdiskussionen" oft aus dem Auge verloren wird: Objektive werden oft als "Multifunktionswaffen" vermarktet und zielen auf verschiedene Einsatzzwecke. Der Amateur wird vielleicht dem Argument Glauben schenken, dass er sein 100er Makro auch als ganz brauchbares Porträtobjektiv einsetzen kann - vielleicht wird er sich dann im Laufe der Zeit wundern, dass Top-Bilder in diesem Genre eben nicht mit Makrolinsen entstehen, sondern mit vergleichsweise weich zeichnenden Traumlinsen mit butterweichem Bokeh...
LG Steffen