Jetzt verstehe ich, was du sagen willst: Egal wie viel der Content alleine wert ist, für die Zeitung / den Sender hat er den gleichen Wert, weil die ihn auf jeden Fall brauchen, um ihren Job machen zu können. OK, das sehe ich ein Stück weit ein.
Allerdings: Wenn man es so sieht, dann relativiert sich doch wiederum die von dir gezogene Trennung zwischen Software und etwa Bildern: Der Content ist ja dann doch eher Teil eines größeren Ganzen und nicht so sehr zum Selbstzweck oder aus eigenem Wert heraus da. So gesehen wird auch in diesem Fall der Filmer oder Fotograf nicht "ausgebeutet", da der Sender oder die Zeitung letztlich doch an ihrer eigenen Arbeit verdient, für die er / sie aber nun mal als Grundlage den Content braucht. Sie würden aus meiner Sicht nur dann an dem zusätzlichen Wert des Contents verdienen (also auf Kosten der Filmers), wenn dieser auch für sich selbst etwas wert wäre, und das ist er - sie gesagt - eher nicht, wenn alle ihn schon kennen.
Einen Wert an sich haben nur ganz wenige Sachen oder Arbeitsergebnisse im weiteren Sinn. Und diese haben diesen Wert auch nur deswegen, weil sie allgemein begehert sind und es daher einen festgelegten Wert gibt. Also beispielsweise Gold. Auch wenn dieser schwankt, dann nur innerhalb einer gewissen Bandbreite. Beispielsweise Gold wird vermutlich nie völlig wertlos werden.
Alles andere hat genau den Wert, den es jenem wert ist, der das haben will. Das kann man im voraus nur mit viel Erfahrung einschätzen, weil es ergibt sich eben erst sozusagen am Ende des Tages. Erst wenn das Bild zum letzten Mal verkauft wurde, weißt Du seinen wirklichen Wert.
Eine Zeitung ist ein Content Provider: Es werden also Inhalte entsprechend dem Thema und der angepeilten Zielgruppe zusammengestellt. Bei einem konventionellen Medium wird der Hauptteil des Contents selbst erarbeitet. Auch Nachrichtenagenturen sind im Besitz der Medien, sie erarbeiten für mehrere Medien gleichzeitig ein Standard-Nachrichtenmaterial.
Alles, was die Zeitung nicht selbst erarbeiten kann, muss sie zukaufen. Und dafür zahlt sie jenen Preis, den ihr der Content wert ist, was sich daran orientiert, welchen Ertrag sie selbst mit dem kompletten Produkt erzielen kann. Es ist dann eben der Wert den das Element hat, das beispielsweise eine dreifache Auflage ermöglicht, dass dann für dieses Element - also Foto - ein so exorbiant hoher Preis gezahlt wird.
Also die Redaktion der Zeitung - der Verlag - macht das Produkt. Die Redaktion ist verantwortlich für eine gewisse Qualität, für einen gewissen Stil. Sie macht aus dem seelenlosen Rohmaterial ein Ganzes, das einen bestimmten Charakter hat, der den Lesern genau so zusagt wie der Charakter eines Menschen beispielsweise. Deswegen sind auch Medien erfolglos, wo jeder in eine andere Richtung driftet, denn für den Leser muss das einen einheitlichen Charakter ergeben und dieser muss beibehalten werden.
In Bezug auf Fotos gilt das für reine Dokumentationsfotos nicht, aber für Fotos in denen ein Stil erkennbar wird, der dann zum Foto-Stil der Zeitung wird. Bei Wirtschaftsmagazinen kann man das recht gut bei den Portraits sehen. Wenn die hohen Wert auf gute Fotos legen, dann wird diese Fotos immer der selbe Fotograf machen. Also einer ist der Spezialist für die Portraits, der andere für dekorative Sachaufnahmen etc. Und wenn ein neuer Fotograf kommt, dann muss er sich diesem Stil anpassen.
Genauso wie der schreibende Journalist, der den Jargon der Zeitung treffen muss. Innerhalb einer gewissen Bandbreite freilich. So hat beispielsweise auch jede große Zeitung ihren eigenen Sprachschatz, welche Wörter nicht verwendet werden, welche wofür verwendet werden, auch wie sie geschrieben werden etc. Das hat nichts mit p.c. zu tun, sondern das ist der Sprachstil den der Leser erwartet, der sich durch das ganze Produkt ziehen muss. Das ist eben auch ein Teil des Charakters.
Ein auffälligeres Detail war beispielsweise seinerzeit als die DDR in der Bild-Zeitung immer mit Anführungszeichen geschrieben wurde. Bei einer Computerzeitung ist es beispielsweise sinnvoll sich darauf zu einigen ob man "Harddisk" oder "Festplatte" schreibt. Das ist zwar unscheinbar, lässt aber das Produkt homogener wirken.
Die Fotos und die Texte, die die Redaktion von außen zukauft ist immer nur das Rohmaterial. Die Redaktion entscheidet dann welches Bild genommen wird, wo es platziert wird, welcher Ausschnitt gewählt wird, welches Foto größer, welches kleiner erscheinen soll etc. Und der Text wird auch im Stil der Redaktion verfasst, wobei dann der Schwerpunkt den Lesern entsprechend bei der einen Zeitung mehr sensationslüstern mit kurzen Texten und bei der anderen sehr detailliert mit aufwendiger Zusatzrecherche und evtl. Archivmaterial aufbereitet wird. Es ist übrigens erheblich schwieriger eine sensationslüsterne Zeitung zu machen als eine seriöse. Es gibt erheblich weniger Leute, die das können.
Das ist vergleichbar mit einem Auto: Du kannst eine noch so tolle Autofabrik haben, wenn Dir niemand den Stahl liefert, den du brauchst, dann kannst Du kein Auto bauen. Es hatte einmal den Fall einer Firma gegeben, die Werkzeugmaschinen baut und davon zahlreiche monatelang in den Lagerhallen gestanden sind nur weil ein kleiner eigentlich spottbilliger Chip nicht lieferbar war. Das ist mit der Zeitung nur insofern vergleichbar, als ein Produkt ohne ein wesentliches Element dann nicht mehr oder erheblich schlechter verkäuflich ist. Die Zeitung ist aber nie in einer solchen Notlage.
Für die Zeitung ist es also beispielsweise bei einem Katastrophenfoto eine einfache Rechnung: Wieviele Exemplare kann ich mehr verkaufen, wenn ich umfassend darüber berichten kann. Und umgekehrt: Welchen Schaden tue ich meiner Zeitung an, wenn dieser Bericht nicht umfassend erscheint. Das hat nämlich dann auch eine Auswirkung auf Verkäufe in der Zukunft. Durch eine tolle Reportage können auch neue Stammleser gewonnen werden etc. Es hat also weitreichende Auswirkungen, ob und inwieweit die Zeitung in dieser für den Leser besonders wichtigen Sache ihrem Auftrag nachkommt.
Aus dieser einfachen Rechnung ergibt sich dann der Preis, der für das eine verfügbare Foto gezahlt wird resp. gezahlt werden kann. Nocheinmal: Selbstverständlich macht die Redaktion die Seele, den Charakter der Zeitung aus, aber ohne Rohmaterial können die Ideen noch so gut sein, wohin man das Foto, das man nicht hat platzieren könnte, beispielsweise.
Ich kenne mich mit Software-Projekten nicht so gut aus. Meine Annahme ist, dass dafür extrem viele Module gebraucht werden, die alle zusammen erforderlich sind, dass das Projekt überhaupt zustandekommen kann. Wenn also ein Betriebssystem entwickelt werden soll und ich bekomme keinen Treiber für einen HP-Drucker, weil das durch ein Patent blockiert ist und der Patentinhaber das nicht hergeben will, kann ich mir das ganze Betriebssystem in die Haare schmieren, das wird unbrauchbar sein.
Das ist bei einer Zeitung nicht so krass. Typischerweise werden von jenen Nachrichten, die in eine Redaktion kommen und dort nicht von vornherein aussortiert werden etwa zwei Prozent in die Zeitung kommen. Dabei ist aber ein Teil davon nicht so essentiell, das heißt ich kann, wenn zu einer an sich interessanten Meldung nicht ausreichend Material zur Verfügung steht genausogut eine andere Meldung nehmen.
Software hingegen besteht ausschließlich aus essentiellen Elementen. Ich kann außer ein paar Blödeleien die für die Funktion nicht wichtig sind, nichts weglassen. Bei der Zeitung hat man schon sehr viele Variationsmöglichkeiten ohne dass deswegen im Geringsten die Qualität leiden würde. Diesen Unterschied sehe ich, möglicherweise ist das falsch. Jedenfalls war es das, was ich gemeint hatte.
Ergänzung, hatte ich vergessen: Wenn die Bilder oder das Video schon bekannt sind, dann ist es kein Problem, wenn alle das selbe Video haben. Problematisch - weil peinlich - wird es nur dann, wenn jeder sein eigenes Bildmaterial hat, eine Zeitung aber das Material von einer anderen übernimmt. Die steht dann blöd da.
Wenn aber alle das selbe haben, dann ist für den Leser klar das es nichts anderes gibt. Der Leser weiß schon, dass es nicht möglich ist, dass an jeder zweiten Hausecke ein Fotograf patroulliert, der darauf wartet, dass irgenwo ein Balkon auf die Straße fällt oder eine Katastrophe passiert. Das versteht der Leser, das ist ja auch logisch. Wenn allerdings die Berichterstattung am nächsten Tag weitergeht, dann erwartet er sich sehr wohl, dass ihm "seine" Zeitung eigenes Material zeigt. Wenn die dann so schnell wie möglich vor Ort ist und von dort berichtet.
Das Video von 9/11 - das auf allen Kanälen das selbe war hat bis heute wahrscheinlich jeder schon einige hundertmal gesehen. Es wird einfach benötigt um das Thema zu illustrieren. Da kann nicht nur einer dasitzen und plappern, da werden Bilder gebraucht. Auch wenn man die schon in- und auswendig kennt. Freilich kommt es dann in der Hauptsache darauf an, was der Kommentator sagt, aber ohne Bilder dazu ist das eine unattraktive Präsentation.