Sind denn Bildtitel so bestimmend, dass die gesamte Bildwirkung daran aufgemacht werden soll? Knuddelbär schreibt:
Mich haben in den Obstplantagen hier die Wege fasziniert, die bis ans Ende mit gelb blühendem Löwenzahn bewachsenen sind. Nun bin ich mir nicht sicher, wie ich den Eindruck besser rüberbringen soll
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So schaue ich das Bild an: die Wirkung der Blüten, das Gefühl auf einem Weg zu sein, der eingerahmt ist, der Eindruck von Summen und Brummen und Düften und Wärme. Und auch die Metapher eines Weges, der Hinweis auf ein Ziel oder eben auch gerade nicht, denn "der Weg ist das Ziel"...
Meine Fragen an das Bild und seinen Aufbau ist also: welche Elemente wirken in die Richtung, die ich gerne möchte, welche Elemente stören oder beeinflussen mich dabei negativ?
Steffen, du schreibst "dem Bild fehlt schlicht ein Highlight". Das kann ich so nicht nachvollziehen. Oder sagen wir, nicht in dieser verallgemeinerten Form. Mein Blick wird hier sehr wohl gefesselt, ich bin fasziniert. Weder Haus noch Baum spielen dabei eine Rolle. Farben, Lichter, Formen und Linien, Dinge die mir das Gefühl von "in die Natur eingebettet sein" vermitteln können.
Das Problem mit der Flut an Details lässt sich hier bestens durch sanfte "Restaurationen" im digitalen Labor zähmen. Dazu braucht es aber ein Konzept, eine Idee, was in dem Bild vorhanden ist was schon wirkt. Ich gehe davon aus, dass wir hier mehr vom Prozess als vom Resultat sprechen, denn der Prozess, das Bewusstsein über die Bildaspekte und ihre Wirkungen sind es, die beim nächsten Mal fotografieren bessere Bilder entstehen lassen.
So habe ich das Bild in drei Versionen verändert um die Einflüsse der Bildgestaltung wie ich sie sehe und erlebe zu visualisieren.
1. Bild im Anhang: "Viel" wurde beschnitten, die Formen und Linien etwas gefälliger in die Szene eingebunden und die für mich sehr störenden Elemente entfernt. Sollte das Bild rein dokumentarisch sein, geht sowas nicht. Da die Zielsetzung aber ist "die Stimmung rüber zu bringen", empfinde ich solche Bereinigungen als zielführend.
2. Bild: Viel gezielter, frecher, konzentrierter geht nun der Blick dorthin, wo die Leuchtkraft, das Farbenspiel und die lenkenden Linien zu finden sind. Ja, das ist abstrakter. Aber nochmal: geht es eher um die Dokumentation des Ortes oder die Wirkung auf den Fotografen?
3. Bild: Hier habe ich mir die Freiheit genommen, die Metapher wie ich sie lese stärker zu betonen: ich brauche weder Haus noch Baum, keine querliegenden Leitungen und keine Vogelschutznetze... hier habe ich all das drin, was mich selber an dem Bild fasziniert: intensive Farben, Leuchtkraft, eine Idee von Duft, Wärme, die Nähe zum Boden, den Blumen und den mich schützend einhüllenden Wänden. Nun dürfen auch meine Gedanken dem Weg folgen und in den freien Himmel entschweben. So losgelöst von den (meisten) Spuren der Zivilisation gewinnt die Szene für mich etwas beschauliches, harmonisches. Hier kommt die Wirkung von "ich bin da und lasse die Szene mit allen Sinnen auf mich wirken" am besten hervor.
cheers
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PS: Ich habe stets Bedenken, wenn Bildkritiken sich auf Normen und Generalisierungen stützen.