Da stimme ich Dir zu und auch nicht. Talent kann man haben und mit 1.000 (oder 10.000) Stunden Unterricht ein hervorragender Pianist werden. ABER das bedeutet noch lange nicht, das man irgendwie kreativ arbeitet und z.B. Stücke komponiert.
HIER wird aber Talent mit Kreativität gleichgesetzt, und das waage ich zu bezweifeln. Zumal viele Bilder oft nur die 10.000ste Kopie irgendwelcher Kompositionen sind, die man sich durch lernen aneignen kann.
Und wenn es nichts verwerfliches ist, das ein (Hobby-)Musiker talentiert ist und trotzdem in einer Coverband ohne eigene Songs spielt, scheint das bei Fotografen schon ein persönlicher Angriff zu sein, wenn man sagt, die Bilder sind schön, aber nichts bahnbrechend Neues.
Photographie setzt eine sensibilisierte Wahrnehmung der Umwelt und des
Raumes voraus sowie die Beherrschung des handwerklichen Parts. In der
Post-Produktion haben sich auch neue kreative Möglichkeiten entwickelt.
Das Spiel mit der Kunst ist eine von manchen Fotografen gepflegte Attitüde
der Eitelkeit. Manche haben etwas davon, der Rest macht Zweckfotografie.
Zeichnen und Malen kann man oder eben nicht, Kalligraphie hingegen ist er-
lernbar und eine Sache der Disziplin sowie Feinmotorik (die manche nicht ent-
wickelt haben, nur ganz wenige verfügen darüber nicht).
Einer meiner Vorfahren war Kupferstecher und hat Ende des 18 JH den Kupfer-
stich durch Kombination mit Aquatinta etc. sowie Colorierung in Richtung einer
angenähert photorealistischen Darstellung entwickelt. Unter Anwendung von
Techniken wie Bernardo Bellotto (Canaletto) und andere Vedutisten wurde der
Übergang zu den Möglichkeiten der frühen Photographie geschaffen, in der der
künstlerische Part der erforderlichen Fähigkeiten für die Wiedergabe durch me-
chanisch-chemische ersetzt wird. Was gleich bleibt ist die Fähigkeit des Sehens
und Erkennens im Raum und das Erfordernis darüber zu verfügen.
Wo in diesem die Kunst beheimatet ist, bleibt jedem selbst zu erkennen über-
lassen. Nicht übersehen werden sollte, dass sich die Photographie früh an den
Akademien angesiedelt hat, als eine der Möglichkeiten der Wiedergabe und von
diesem Ausgangspunkt an wird zum Teil der Anspruch auf Kunst erhoben und
genährt.
abacus