Gast_324133
Guest
Wenn ich die Kamera anders ausrichte, betrachte ich strenggenommen auch etwas, vielleicht nur geringfügig, anderes. Für mich wäre das dann "fast die gleiche Perspektive" oder so. Ich würde jedenfalls im Traum nicht auf die Idee kommen, von der selben Perspektive zu sprechen, wenn auf dem 2. Bild nur gerade noch am Rand das zu sehen wäre, was im 1. noch in der Bildmitte war.
Ich auch nicht. Und wir werden wohl nicht die einzigen sein, die beim Betrachten eines Bildes von der darin gezeigten Perspektive sprechen.
Ich kann aber nicht ausschließen, daß ein anderer den Begriff anders verwendet - aus Sicht des Naturwissenschaftlers kann ich es sogar nachvollziehen, wenn jemand eine allgemeinere Definition für die bessere hält.
Wer das macht, sollte allerdings bedenken, daß eine möglichst allgemeine Definition zwar grundsätzlich anzustreben sein mag (dahinter steckt letztlich die Suche nach der "Weltformel"), es aber durchaus zweckmäßig sein kann, im gegebenen Einzelfall speziellere Definitionen anzuwenden: wie es für Autofahrer und kontrollierenden Verkehrspolizist sinnvoll ist, unter "Geschwindigkeit" nicht den Vektor, sondern seinen Betrag zu verstehen, so ist es m.E. bei der Bildbesprechung auch sinnvoll, unter "Perspektive" die Art der perspektivischen Darstellung zu verstehen.
Letztlich muss es aus Kontext und Wortwahl klar werden. Stehe ich vor der Haustür und fotografiere diese mit waagrecht ausgerichteter Kamera, so kann ich von einem "Bild der Haustür in Zentralperspektive" sprechen, richte ich die Kamera hoch zur Dachrinne, so kann ich von einem "Bild der Traufkante in Froschperspektive*" sprechen (natürlich wäre es deutlicher, dabei von "perspektivischer Darstellung" zu sprechen, aber so genau ist der Sprachgebrauch eben nicht immer).
Ich kann aber nicht davon sprechen, daß ich auf den beiden Bildern das Haus aus einer unterschiedlichen Perspektive heraus betrachte - denn das geschieht erst, wenn ich den Standort ändere. Um ein Bild mit den Worten "hier sehen wir das Haus aus einer anderen Perspektive" beschreiben zu können, muss das Bild von einem anderen Standort aufgenommen werden.
---
*PS: Man kann hier im übrigen auch erkennen, daß die (hier nicht gemeinte) Definition von Froschperspektive als "Aufnahmestandort unterhalb der normalen Augenhöhe" problematisch und m.E. nicht hinreichend ist, denn sie enthält keine Aussage über die Position relativ zum Objekt. Es wäre imho nicht wirklich falsch, hier auch von einer Aufnahme aus Froschperspektive zu sprechen - entscheidend ist jedoch, daß diese Aufnahme der Dachrinne trotzdem aus der gleichen Perspektive heraus wie die der Haustür (bei der man in keiner Weise von "Froschperspektive" sprechen kann) entstanden ist.
Zuletzt bearbeitet: